Den Zellen an den Schleimhäuten von Nase und Lungen, so genannten respiratorischen Epithelzellen, kommt im Kontext von Atemwegsallergien besondere Bedeutung zu. Denn sie sind es, die als erstes mit Allergenen in Kontakt kommen. Was genau spielt sich bei diesem Aufeinandertreffen auf der Zellebene ab? Und was passiert, wenn Feinstaub ins Spiel kommt? Denn Umweltschadstoffe wirken sich auf die Pollenproduktion und die Allergenkonzentration in den Pollen aus. Auf diesen neuen Umweltaspekt legen die Wissenschaftler*innen der Forschungsgruppe Immunologie unter der Leitung von Marianne Raith den Fokus in ihrem aktuellen Projekt.

Allergieforscherin Marianne Raith im Interview

Immer mehr Menschen in industrialisierten Ländern leiden an Atemwegsallergien.
Warum ist das so?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Die Pollensaison dauert durch Klimawandel und Globalisierung immer länger. Aufgrund der fortschreitenden Erderwärmung werden neue hochallergene Pflanzen wie zum Beispiel Ragweed, das ursprünglich aus Nordamerika stammt, bei uns heimisch. Außerdem – und damit beschäftigen wir uns im aktuellen Forschungsprojekt – gibt es noch einen Umweltaspekt. Auch Umweltschadstoffe haben Auswirkungen auf die Pollenproduktion und die Ausprägung der Allergene in Pollen.

Was heißt das konkret?

Der Allergengehalt in Pollen ist höher, wenn eine Pflanze Stress ausgesetzt ist. Schadstoffe in unserer Umwelt erzeugen diesen Stress. Das können Schadstoffe wie Stickoxide oder Ozon sein. Ein größeres Problem sind derzeit allerdings die Dieselschadstoffe, die aufgrund der unvollständigen Verbrennung des Kraftstoffs Diesel einen großen Anteil der sogenannten Feinstaubpartikel in der Luft ausmachen.

Und an dieser Feinstaub-Thematik forschen Sie?

Ja genau. Wir untersuchen seit Oktober 2021 die „Effekte von Umweltgiften und Allergenen auf respiratorische Epithelzellen“ – so der Titel unseres Projektes – und konzentrieren uns da vor allem auf den Feinstaub.

Was untersuchen Sie in diesem Zusammenhang konkret?

Wir schauen uns auf Zellebene an, wie Feinstaub und Allergene miteinander interagieren. Wir arbeiten mit respiratorischen Epithelzellen, das sind Zellen in den Schleimhäuten von Nase und Lunge. Die Zellen stammen von allergischen und nicht-allergischen Patient*innen und werden bei Operationen entnommen. Im Labor simulieren wir dann die natürliche Umgebung der Zellen in vitro und untersuchen, welche Reaktionen Allergene mit und ohne Feinstaub auslösen. Außerdem schauen wir uns an, welchen Einfluss das auf die unter den Epithelzellen liegenden Immunzellen hat. Sie sind ja dafür verantwortlich, dass Allergene als fremd erkannt und Antikörper gebildet werden. Es ist ein sehr zellbiologischer Ansatz.

Wir möchten die Immuntherapien, die es bereits gibt und die auch gut funktionieren, weiter verbessern und treffsicherer machen.
Runder Bildausschnitt von Damit mit halblangem dunkelbraunen Haar in Laborkittel

Marianne Raith

Allergieforscherin im Kompetenzzentrum für Molecular Biotechnology

Sie forschen bereits seit längerem an Atemwegsallergien. Was ist das Ziel Ihrer Forschungsarbeit und zu welchen Erkenntnissen sind Sie bisher gelangt?

Wir bauen in der Forschungsgruppe Immunologie seit einigen Jahren unsere Expertise im Bereich respiratorische Allergien auf. Begonnen haben wir mit der Entwicklung von zellbasierten Testsystemen und haben uns dann angesehen, wie Allergene durch das Epithel transportiert werden. Wir wollen die Mechanismen, die in den Zellen nach dem Kontakt mit einem Allergen ablaufen, besser verstehen, um daraus neue Therapieansätze ableiten zu können.

Von welchen Ansätzen sprechen wir da?

Es geht darum, die Immuntherapien, die es bereits gibt und die auch gut funktionieren, weiter zu verbessern und treffsicherer zu machen. Wir haben da vor allem Birken- und Gräserpollen im Fokus. Im Zuge unserer Forschungsarbeit ist es uns gelungen, eines der Hauptallergene bei Gräsern so zu modifizieren, dass es vom Immunsystem zwar erkannt wird, aber keine allergische Reaktion mehr auslöst. Derart modifizierte Allergene könnten die Immuntherapie verbessern, weil Patient*innen zwar darauf reagieren, aber nicht mit einer allergischen, sondern nur mit einer Abwehrreaktion.

Wird das von Ihnen modifizierte Allergen schon in der Therapie eingesetzt?

Nein, bisher noch nicht. Wir konnten im Labor zeigen, dass das Allergen nach unserer Modifizierung weniger allergische Reaktionen hervorruft, aber bevor das in der Immuntherapie an Patient*innen angewendet werden kann, müssen natürlich erst noch klinische Studien durchgeführt werden.

Sie sind vor etwa einem halben Jahr vom Vienna BioCenter an den FH-Hauptstandort übersiedelt und forschen jetzt hier in der Favoritenstraße. Wie dürfen wir uns Ihren „neuen“ Forschungsalltag vorstellen?

Wir haben seit der Übersiedlung viel mehr Platz und eine sehr gute Ausstattung zur Verfügung – sowohl für die Forschung als auch für die Lehre. Mein persönliches Highlight ist unser neues konfokales Mikroskop. Es scannt wie bei einer Computertomografie durch die Zelle hindurch. Und damit können wir uns jetzt erstmals ansehen, wie Allergene – mit und ohne Feinstaub – durch die Zellschicht hindurchgehen und ob bzw. wo sie gespeichert oder abgelagert werden. Das ist ein wichtiger nächster Schritt für unsere Forschungsarbeit.

Apropos nächster Schritt: Das aktuelle Feinstaub-Projekt läuft noch bis 2025.
Was kommt danach?

Meine Forschungsarbeit wird auf jeden Fall respiratorisch bleiben. Das heißt, ich werde mich auch weiterhin mit Atemwegsallergien und welche Reaktionen Allergene auf Zellebene im Körper auslösen, beschäftigen. Aktuell bereite ich gerade einen Projektantrag vor, den ich beim Wissenschaftsfonds FWF einreichen möchte. Ich hoffe sehr, dass wir eine Förderzusage bekommen werden!

 

FH-Prof.in Marianne Raith war Biomedizinische Analytikerin in einem Forschungslabor an der MedUni Wien, als Sie Ihre Leidenschaft für die Zellbiologie entdeckte. Sie wollte mehr wissen und studierte deshalb neben ihrer Arbeit Molekulare Biologie an der Uni Wien. Mit Erfolg – 2012 schloss sie ihren PhD am Institut für Biochemie und Zellbiologie ab und wechselte danach in die Allergieforschung an der FH Campus Wien. Als Teil der Forschungsgruppe Immunologie am Kompetenzzentrum für Molecular Biotechnology beschäftigt sich Raith seit längerem mit den Mechanismen von Atemwegsallergien auf Zellebene. Aktuell leitet sie das von der Stadt Wien MA23 geförderte Projekt „Effekte von Umweltgiften und Allergenen auf respiratorische Epithelzellen“.