Du hast Recht(e)!

Ein Begegnungsort zur Auseinandersetzung mit Kinder- und Menschenrechten, ein Ort, der Kindern und Jugendlichen Energie gibt, sich dafür einzusetzen – von dieser Idee sind Katharina Schuller und Anna Heißinger, Studierende im Masterstudiengang Sozialwirtschaft und Soziale Arbeit, beseelt. Und damit überzeugten sie nicht nur die Mentor*innen des FH Campus Wien Start-Up Services. Den Weg von der Idee bis zur Realisierung des Human Rights Space, in dem eine interaktive Ausstellung besucht und auch Workshops mitgemacht werden können, erzählen die beiden im Interview:

Wer sind Katharina Schuller und Anna Heißinger?

Katharina Schuller: Ich habe Menschenrechte, Kultur- und Sozialanthropologie und Sprachen studiert, längere Zeit im Ausland (v.a. in Brasilien) gelebt, fast zehn Jahre eine kleine, aber feine Theatergruppe geleitet und in verschiedensten Bereichen gearbeitet, bis ich zu meiner wahren Leidenschaft – der Menschenrechtsbildung – gefunden habe. Da ich ein sehr kreativer Kopf bin, war es mir ein Bedürfnis, auch einen Job zu haben, in dem ich meiner Kreativität freien Lauf lassen kann.

Anna Heißinger: Als ehemalige Pädagogin ist es mir ein Anliegen gemeinsam für und gemeinsam mit Menschen eine lebenswerte Zukunft zu gestalten. Heute studiere ich an der FH Campus Wien den Masterstudiengang Sozialwirtschaft und Soziale Arbeit, an der FH Salzburg studiere ich das Masterstudium „Soziale Innovation“ und arbeite zudem in der Schulsozialarbeit in Wien. Vor einigen Jahren habe ich Katharina – die Gründerin des Human Rights Space – im Zuge einer Leadership-Ausbildung von Amnesty International kennengelernt. Heute freue ich mich als Teammitglied von Human Rights Space über gemeinsames Handeln, lösungsfokussiertes Gestalten und interaktives Schaffen.

Wir können wirklich alle einen Beitrag leisten, die Welt ein kleines Stück schöner und gerechter zu machen.
Eine Dame steht hinter einer anderen Dame und beide lächeln in die Kamera

Katharina Schuller und Anna Heißinger

vom Verein Human Rights Space

Woher kommt die Idee eines Ortes der Menschenrechte?

Katharina Schuller: Ich habe lange Zeit leidenschaftlich als Menschenrechtsbildnerin sowie mit theaterpädagogischen Methoden mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet. Während dieser Zeit entstand die Idee, einen Ort zu schaffen, der bleiben kann und an dem eine nachhaltige und vertiefende Auseinandersetzung mit Menschenrechten passieren kann. Ein Ort der Inspiration und ein Ort an dem Menschen zusammenkommen können. Von der Idee im Kopf bis zu dem Moment, den Mut zu fassen, tatsächlich den Human Rights Space zu gründen, dauerte es jedoch fünf Jahre. Und das war in meinem Fall gut so. Dadurch konnte die Idee reifen und ich Erfahrungen sammeln, die für die Gründung notwendig waren.

Warum sollten Kinder über ihre Rechte und die Menschenrechte Bescheid wissen?

Beide: Kinder müssen ihre Rechte kennen, damit sie sich für diese einsetzen, sie verteidigen können. Zum Beispiel beim Thema Gewaltschutz: damit sie verstehen, was Gewalt ist, wie sie sich vor Gewalt schützen und wo sie sich bei Bedarf Hilfe holen können. Ebenso beim Thema psychische Gesundheit, Diskriminierung, Zugang zu Bildung, Mitbestimmung und vieles mehr. Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sagt: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Die Würde und die Rechte gilt es zu schützen und zu verteidigen. Für sich selbst, aber auch für andere Menschen. Bei Ungerechtigkeiten aufzustehen, Stopp zu sagen, Zivilcourage zu zeigen. Denn leider werden Menschenrechte allzu oft nicht respektiert oder gar verletzt. Deshalb ist es wichtig, dass Kinder und Jugendliche, alle Menschen, die Menschenrechte kennen.

Der Human Rights Space ist unter Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen entstanden. Wie erklären Sie Kindern, dass sie für ihre Rechte eintreten können?

Beide: Wir erklären eigentlich sehr wenig. Wir stellen viele Fragen und versuchen, Kinder und Jugendliche selbst reflektieren zu lassen, wie sie sich für ihre Rechte einsetzen können. Denn dafür gibt es täglich unzählige Möglichkeiten. Sei es für eine Person, die ausgeschlossen oder ungerecht behandelt wird, aufzustehen, eine Menschenrechtspetition zu unterschreiben oder im stressigen Schulalltag ausreichend Erholungsphasen einzuplanen, um auf das eigene Wohlbefinden (Recht auf psychische Gesundheit) zu achten.

Welchen Weg nahm Human Rights Space von der Idee bis zur Ausstellung? 

Katharina Schuller: Im Sommer 2020 habe ich zum ersten Mal die Ideen zu dem Human Rights Space niedergeschrieben, Feedback eingeholt und über den Herbst 2020 erste Kooperationen aufgebaut. Anna ist dann sehr schnell dazugekommen und wir haben Anfang 2021 einen Verein gegründet und ein ehrenamtliches Team aufgebaut. Im Mai 2021 fanden bereits die ersten Workshops mit Kindern und Jugendlichen statt, in denen sie die Vision für den Human Rights Space schufen, indem sie Kriterien für die Gestaltung festlegten und erste Schwerpunktthemen wählten.

Die ersten eineinhalb Jahre haben wir ausschließlich ehrenamtlich gearbeitet. Glücklicherweise bekamen wir zwei größere Förderungen, einerseits von der FFG und andererseits eine Förderzulage des ASF hub (Universität für Angewandte Kunst und Ludwig Boltzmann Gesellschaft), von denen wir als ein Schlüsselprojekt ausgewählt wurden. Außerdem führten wir eine Crowdfundingkampagne durch und wurden in das Start-Up Service der FH Campus Wien aufgenommen. Dafür sind wir unglaublich dankbar, denn ohne dieses Begleitprogramm würden wir nicht da stehen, wo wir heute sind.

Durch die Förderungen konnten wir dann für mehrere Monate Menschenrechtsbildner*innen, Künstler*innen und eine Grafikerin an Bord holen und mit fünf Gruppen von Kindern und Jugendlichen vertiefend zu den Schwerpunktthemen arbeiten und die Ausstellung aufbauen. Vertiefend heißt, dass wir im Schnitt 4-5 Workshops mit jeder Gruppe durchgeführt haben. In dieser Phase waren ca. 115 Kinder und Jugendliche involviert, insgesamt über die zweieinhalb Jahre sogar über 200 Kinder und Jugendliche.

Die Ausstellung wurde am 9. November in der Bildungsdirektion in Wien eröffnet.

Im Moment sind Sie auf der Suche nach einem Ort, wo die Ausstellung eine feste Heimat findet, wo seht ihr noch die größten Herausforderungen?

Anna Heißinger: Aktuell ist die größte Herausforderung, wieder neue Finanzierung aufzustellen, da unsere Förderung Anfang April endet. Außerdem brauchen wir unbedingt ein größeres Team. Momentan reicht die Finanzierung nur für Katharina. Wir bekommen sehr viele Workshopanfragen von Schulen, die wir nicht bedienen können. Auch die Ausstellungswartung kostet viel Geld. Wir hoffen, außerdem bald ein richtiges Zuhause für den Human Rights Space zu finden, an dem wir bleiben können und wo wir ausreichend Platz für Workshops und Ausstellungsführungen haben.

Worauf schauen Sie mit besonderem Stolz zurück?

Beide: Auf das Feedback der involvierten Kinder und Jugendlichen. 96% der Kinder und Jugendlichen haben bei einem anonymen Feedback auf die Frage „Das Training hat mich ermutigt, mich zukünftig für Menschenrechte einzusetzen.“ mit „Ja“ geantwortet. Bei einem Workshop kurz vor Weihnachten sind am Ende drei dreizehnjährige Schüler*innen zu uns gekommen und haben gesagt, dass sie sich für Frauenrechte einsetzen wollen. Das ist das Schönste, das wir erreichen können.

Welches waren die erinnerungswürdigsten und schönsten Augenblicke?

Beide: Es war überraschend und schön, wie viele Menschen den Aufbau des Human Rights Space bisher unterstützt und uns – oft ehrenamtlich – geholfen haben.

Der schönste Augenblick war bisher das Human Rights Space Festival am 19. Mai 2022, bei dem alle involvierten Kinder und Jugendlichen, viele Kooperationspartner*innen und Unterstützer*innen zusammengekommen sind. Einige Jugendliche sind sogar extra aus Tirol angereist. Die Freude, Begeisterung und Energie der Kinder und Jugendlichen an diesem Tag zu sehen, war bisher der schönste Moment auf unserem Weg. Ein Ziel des Human Rights Space ist es ja, Menschen aus unterschiedlichen Lebensrealitäten zusammenzubringen und das ist an diesem Tag tatsächlich geglückt.

Uns liegt besonders am Herzen zu vermitteln, dass wir wirklich alle einen Beitrag leisten können, die Welt ein kleines Stück schöner und gerechter zu machen. Und dazu gehört auch, nicht aufzugeben und gut auf sich aufzupassen.