Interview mit Franz Werner, Leiter des Forschungszentrums Digital Health and Care

Was ist der Schwerpunkt des Forschungszentrums Digital Health and Care?

Unser Schwerpunkt liegt in der Konzeption und Evaluation digitaler Lösungen im Gesundheitswesen. Das heißt, wir überlegen uns partizipativ mit den Gesundheits- und der Pflegeberufen: Was braucht es für diese Berufe? Welche Anforderungen haben diese Berufe an technische Lösungen? In diesem Zusammenhang arbeiten wir in verschiedenen Projekten mit Unternehmen aus dem Bereich Digital Health zusammen, um Konzepte und Prototypen zu entwickeln.

An welchen Leuchtturmprojekten forschen Sie derzeit?

Aktuell arbeiten wir an fünf Projekten, die alle sehr spannend sind. Wir kooperieren dabei stets eng mit den jeweiligen Berufsgruppen.

Mit der Pflege arbeiten wir aktuell im Projekt Linked Care an einer Kommunikationslösung zwischen der mobilen Krankenpflege, den Ärzt*innen und den Apotheken. Hier geht es um eine Vereinfachung und Entbürokratisierung der Wege. Digitale Vernetzung, die mobile Pflege und Betreuung effizienter und nachhaltiger gestaltet, stehen im Mittelpunkt des Leitprojekts Linked Care.

Mit der Physiotherapie und dem Forschungszentrum für Gesundheitswissenschaften betreiben wird derzeit gemeinsam das SETT-Projekt (Smarte echtzeitfeedbackunterstützte Trainingstherapie). Hier geht es darum, Patient*innen nach einer Hüftprothese bei ihrer Rehabilitation zu Hause technisch zu unterstützen. Die Personen bekommen von uns für die Reha zu Hause ein technisches Tool, das ihnen einerseits eine Anleitung zur medizinischen Trainingstherapie gibt und auch ein Feedback darüber, ob sie die Übungen korrekt ausgeführt haben.

Auch mit der Ergotherapie haben wir ein wichtiges Projekt, den SensoGrip. Wir haben einen Stift entwickelt für Kinder im Volksschulalter, die Schwierigkeiten beim händischen Schreiben haben. Der Stift misst genau das Druckverhalten beim Schreiben. Das heißt, wie fest drücke ich auf? Wie bewege ich den Stift? Wie schnell schreibe ich? Daraus ergibt sich dann Feedback für den Therapieplan der Ergotherapie.

Den SensoGrip entwickeln wir aktuell im Grip'n'Play Projekt weiter. Darin entwickeln wir Spiele, Serious Games, anhand derer die Kinder ihr Schreibverhalten bzw. ihre motorische Fähigkeit verbessern können. Im Rahmen einer Masterarbeit wurde beispielsweise ein Vogelspiel entwickelt. Mit dem Stift kann man die Flugweise und Richtung des Vogels steuern. Drücke ich z. B. fest auf, fliegt er hoch, bei schwachem Druck fliegt er niedrig. Zur Verbreitung der entwickelten Spiele sind wir auch in Kontakt mit der Firma Stabilo. 

Last, but not least haben wir ein tolles Projekt, das in der Praxis schon großen Zuspruch erhält. Das ist die ELSA-App, die Erziehungsberechtigte von Kindern mit ADHS unterstützt. Wir haben eine kostenfreie App entwickelt, die wertvolle Tipps, Handlungsabläufe und Informationen liefert und so Familien im Umgang mit der Diagnose unterstützt.

Welche Rolle spielt der Nachhaltigkeitsgedanke bei Ihrer Forschung?

Nachhaltigkeit ist uns sehr wichtig. Wir haben in unserem Forschungszentrum verankert, dass jedes Projekt einen Bezug zur Nachhaltigkeit aufweisen muss. Das bedeutet, wir überlegen uns für jedes einzelne Projekt, wie es möglichst nachhaltig durchgeführt werden kann und wie das, was dabei entsteht, möglichst nachhaltig ist.

Ein gutes Beispiel ist Linked Care: Hier wird deutlich, dass Digitalisierung auch nachhaltige Effekte haben kann. Durch Vernetzung etwa können viele Wege wegfallen, die jetzt die Pflege mit dem Auto macht, zum Arzt, zur Ärztin oder zur Apotheke, wenn dann Rezeptbeschaffung digital und einfach funktioniert.

Welche Themen werden das Forschungszentrum Digital Health and Care in Zukunft beschäftigen?

Ein neues Projekt, das im Jänner 2025 gestartet ist, heißt PsyGes. Es geht hier um die psychische Gesundheit von Jugendlichen, und zwar speziell um die Themen Depression und Angsterkrankungen. Wir wollen – ähnlich wie im Projekt Elsa – eine Anwendung entwickeln, die Jugendliche mit psychischen Erkrankungen und deren Eltern im Alltag unterstützt.

Denn in der COVID-19-Pandemie hat sich die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen stark verschlechtert. Der WHO-5-Index weist darauf hin, dass 22 % der Mädchen und 10 % der Burschen depressive Symptome zeigen. Hier wollen wir mit der PsyGes App konkrete Hilfe anbieten.