Interview mit Markus Vill, Leiter des Forschungszentrums Bauen und Gestalten

Was ist der Schwerpunkt des Forschungszentrums Bauen und Gestalten?

Unser Forschungszentrum Bauen und Gestalten widmet sich den Herausforderungen eines ressourcenschonenden, nachhaltigen und lebenszyklusorientierten Bauens von Hoch- und Infrastrukturbauten. Derzeit konzentrieren wir uns auf mehrere Schwerpunkte wie den konstruktiven Ingenieurbau, die Entwicklung resilienter Städte und Infrastrukturen. Auch die Förderung des automatisierten Bauens sowie die nachhaltige Architektur in Verbindung mit kontextuellem Bauen beschäftigt uns. Darüber hinaus liegt unser Fokus auch auf innovativen Baumaterialien, Konstruktionen und Bauweisen, die zukunftsorientierte Lösungen für die Baubranche bieten.

An welchen Leuchtturmprojekten forschen Sie derzeit?

Im Projekt C3PO – Concrete 3D Printed Objects erforschen wir anwendungsorientiert den 3D-Druck von Betonobjekten und -bauteilen - mit dem Ziel, das Einsatzspektrum im Bauwesen zu erweitern. Durch eine zielgerichtete und effiziente Materialapplikation soll der Betonverbrauch reduziert werden, was zur Schonung primärer Ressourcen beiträgt und den ökologischen Fußabdruck von Betonbauteilen verringert.

Im Rahmen des Projekts CORNET-CRUFI wurde die Modellierung des instationären Wärme- und Feuchteverhaltens sowie die Prognose der Bewehrungskorrosion bei Beton und Recycling-Beton untersucht. Anschließend sollen instationäre Prognosemodelle für die Bewehrungskorrosion unter verschiedenen Bedingungen wie Temperatur, Feuchte und Korrosivität des Porenwassers entwickelt werden, um so die Langlebigkeit von Betonbauwerken zu erhöhen.

Mit der Lehr-, Forschungs- und Versuchswerkstatt [Bau]Kasten schaffen Studierende der Studiengänge Architektur – Green Building, Bauingenieurwesen – Baumanagement und Nachhaltiges Ressourcenmanagement gemeinsam einen Raum für interdisziplinäre Zusammenarbeit. Dieses Projekt ermöglicht es den Studierenden, praxisnah zu lernen und innovative Baukonzepte zu entwickeln.

Das Projekt ESBH – Effiziente, sichere und bauliche Haftgestaltung in Justizanstalten in Österreich fokussiert auf die Entwicklung von Standards zur baulich-technischen Gestaltung von Justizanstalten. Ziel ist es, durch effiziente und sichere bauliche Maßnahmen die Haftbedingungen zu verbessern und gleichzeitig den Sicherheitsanforderungen gerecht zu werden. Diese Projekte unterstreichen das Engagement der FH Campus Wien für innovative Forschung und praxisorientierte Ausbildung im Bauwesen und angrenzenden Disziplinen.

Das FFG-Projekt BrAIN zielt darauf ab, mithilfe von KI den Zustand von Brücken besser einzuschätzen und Nachhaltigkeit effizienter zu analysieren. Mithilfe von Machine Learning und kausalen Simulationsmodellen sollen bisher unbekannte Muster und Korrelationen in den Daten von Brückenbauwerken identifiziert werden. Daraus sollen nachhaltige Maßnahmen für das Erhaltungsmanagement von Brücken abgeleitet und CO₂-Emissionen um bis zu 50 % reduziert werden. Das Projekt wird von VCE und der TU Wien umgesetzt und soll bis Februar 2027 abgeschlossen sein.

Welche Rolle spielt der Nachhaltigkeitsgedanke bei Ihrer Forschung?

Da das Bauwesen und der Betrieb unserer Gebäude und Infrastruktur rund 35-40% der schädlichen Treibhausgase, wie zum Beispiel CO2 verursachen, haben wir das Thema Nachhaltigkeit für unsere Studierenden und nachfolgenden Generationen als Leitforschungsgedanken übernommen. Das bedeutet, dass wir bei jedem Forschungsantrag hinterfragen, ob der Gedanke der Nachhaltigkeit, der Ressourcenschonung und der Kreislauffähigkeit abgebildet ist.

Erst in zweiter Instanz prüfen wir, wie der wirtschaftliche Aspekt zu bewerten ist. Somit spielt Nachhaltigkeit die zentrale Rolle für uns in der angewandten Wissenschaft am Forschungszentrum Bauen und Gestalten. 

Welche Themen werden Sie in Zukunft beschäftigen?

Unsere gebaute Umwelt sollte möglichst lange erhalten bleiben, was durch gezielte Strategien wie die Bewertung der Lebensdauer von Tragkonstruktionen, Umnutzungen statt Abriss und effiziente Instandsetzungsmaßnahmen erreicht werden kann. Wo ein Erhalt nicht möglich ist, müssen Konzepte für die vollständige Wiederverwendung von Baustoffen Ressourcen schonen.

Neubauten sollten strenge Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, indem langlebige, wiederverwendbare Materialien wie Beton, Stahl oder Holz eingesetzt werden. Die Zementherstellung als CO2-Quelle, ca. 8 % der globalen Emissionen, macht ressourcensparende Alternativen wichtig. Beton bleibt jedoch oft unverzichtbar, da er vielseitig, recycelbar und dauerhaft ist.

Holz kann bei Wohn- und Geschäftsbauten eine nachhaltige Alternative sein, wenn die Lebensdauer vergleichbar ist. Prof. Werner Sobek betont: „Stahlbeton sollten wir künftig sparsamer und gezielt einsetzen, wo seine Eigenschaften wirklich gebraucht werden.“ Dieser Ansatz fordert eine nachhaltige Materialwahl, die Funktionalität und Langlebigkeit der Bauwerke wahrt.