Rechtsphilosophie zum Angreifen: Marlon Possard im Gespräch

Seit Kindheitstagen brennt Marlon Possard für Wissenschaft und Forschung. Studiert hat er dann Recht, Verwaltung und Philosophie. Klingt erst mal trocken. Dass es das nicht ist, zeigt der Rechtsphilosoph als Forschender am Forschungszentrum Verwaltungswissenschaften und als Lehrender in den Public Management-Studiengängen. „Rechtsphilosophie zum Angreifen“ gibt es auch, wenn Possard als Wissenschaftsbotschafter Jugendliche für Themenfelder wie Wirtschaftskriminalität und Moral begeistert. Im Sommer 2024 forscht er an der renommierten Harvard University in den USA.

Besucht man Ihre Website, springt einem sofort Ihr Leitspruch „Für Wissen brennen. Ab imo pectore.“ ins Auge. Was bedeuten diese Worte für Sie?

Für mich ist der wissenschaftliche Sektor nicht ein Berufsfeld wie jedes andere. Wissenschaft kennt keine Grenzen und endet nicht an der Tür des Hörsaales oder mit der letzten Seite eines spannenden Buches. Wissenschaft ist für mich Berufung. Auch in unserer schnelllebigen und oftmals oberflächlichen Welt findet man sie an jeder Ecke. Das wissenschaftliche Nachdenken begleitet mich immer und überall.

Mit welchem Themenfeld beschäftigen Sie sich genau in Ihrer Habilitation?

Im Kontext meiner Habilitation befasse ich mich mit rechtsphilosophischen Aspekten von Systemwiderstand und Staatsverweigerung, insbesondere mit dem Phänomen der Reichsbürger*innen-Bewegung in Österreich und in Deutschland. Dabei analysiere ich staatsfeindliche Elemente aus einem philosophischen Blickwinkel heraus und versuche, philosophische Widersprüche, basierend auf der Staatsphilosophie und -theorie des Thomas Hobbes, zu verorten und aufzulösen.

Ihre Forschungsgebiete sind sehr breit und reichen von Rechts-, Verwaltungs- und Wirtschaftswissenschaften bis hin zur Philosophie. Ihre Dissertation haben Sie im Themendreieck Wirtschaftskriminalität, Recht und Ethik geschrieben. Woher kommt die Motivation für diese Bereiche und wie sehen Sie die interdisziplinäre Verbindung zwischen diesen Bereichen?

Mir war es immer ein Anliegen, in allen Dingen des Lebens den Menschen, das heißt das Individuum, zu betrachten und ebendieses Handeln zu hinterfragen. Gerade im rechtswissenschaftlichen Bereich ist es wichtig, das Agieren einzelner Subjekte genau zu untersuchen. Häufig führt eine solche Analyse neben den klassischen juristischen Aspekten auch zu kriminologischen, sozialpsychologischen und philosophischen Zugängen – und somit zu einer interdisziplinären Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Thematiken.

Was motiviert Sie in Ihrer Rolle als Forschender und Lehrender?

Ich bin seit Kindheitstagen neugierig und wissbegierig und wollte immer schon die Welt verstehen – zumindest im Rahmen des mir Möglichen. Die wissenschaftliche Betätigung, das Infragestellen, das Philosophieren und das gemeinsame Diskutieren sind für mich gute Fundamente, um meine Forschung, meine Lehre und mein eigenes Denken und meine Ansätze sukzessive weiterzuentwickeln. Mittels interaktiver Lehre möchte ich den Student*innen diese Faszination, dieses Brennen für Wissen, mitgeben und ihnen vor allem zeigen, dass Wissenschaft nicht nur mit einer spezifischen Note oder dem Ende einer Lehrveranstaltung verbunden ist, sondern viel weiter geht.

Sie sind Wissenschaftsbotschafter des BMBWF, was kann man sich darunter vorstellen?

Als Wissenschaftsbotschafter des BMBWF besuche ich verschiedene Schulen in Österreich, um ihnen bereits in ihrer Schulzeit die facettenreichen Möglichkeiten aufzuzeigen, die ein Studium bieten kann. Darüber hinaus möchte ich den Schüler*innen aufzeigen, dass der Beruf Wissenschaftler*in ziemlich spannend sein kann. Ich besuche vorwiegend Maturaklassen und stehe auch als externer Betreuer für vorwissenschaftliche Arbeiten zur Verfügung.

Seit 2023 lehren und forschen Sie am Department Verwaltung, Wirtschaft, Sicherheit, Politik und am Forschungszentrum Verwaltungswissenschaften der FH Campus Wien. An welchen Forschungsprojekten arbeiten Sie gerade?

Im August 2024 absolviere ich einen Forschungsaufenthalt an der Law School der Harvard University, um meine Forschung zur Habilitation zu vertiefen. Neben der Forschung an meiner Habilitationsarbeit beschäftige ich mich aktuell mit rechtlichen und verwaltungsbezogenen Herausforderungen der Digitalisierung. Zudem entwickle ich das von mir im Jahr 2023 implementierte „PRÄ-VENTION-Modell“ weiter (erschienen in der Zeitschrift Risk, Fraud und Compliance), das vorrangig der Reintegration von Täter*innen in unternehmerische Strukturen in Anbetracht wirtschaftskrimineller Handlungen dienen soll. Ebenso arbeite ich gerade an einer Gesetzeskommentierung des Bankwesengesetzes (BWG) für den Manz-Verlag.

Und was gefällt Ihnen an der FH Campus Wien besonders gut?

Die FH Campus Wien ist für mich der ideale Ort für Forschung und Lehre, da mir der starke Praxisbezug dabei hilft, meine Forschungsgebiete effizient weiterzuentwickeln. Die praktische Ausrichtung der FH Campus Wien hat mich einfach überzeugt, da konnten die Angebote von anderen Hochschulen für meine PostDoc-Phase nicht mithalten. Es ist mir hier möglich, mich interdisziplinär in den wissenschaftlichen Diskurs einzubringen. Ganz besonders schätze ich die vielen interessanten Podiumsdiskussionen, die Campus Lectures und das überaus freundliche und kollegiale Umfeld.

Sie sind 28 Jahre jung, haben aber schon einiges in Ihrer wissenschaftlichen Karriere erreicht. Was würden Sie anderen Jungwissenschaftler*innen raten?

Anderen Kolleg*innen rate ich vor allem, neugierig zu bleiben, Dinge zu hinterfragen, reisebereit zu sein und natürlich auch die Prioritäten des Lebens richtig zu setzen. Trotz der teils starren Systematiken innerhalb des wissenschaftlichen Sektors lohnt es sich in jedem Fall, den Humor nicht zu verlieren. Wichtig ist zudem, immer zu bedenken, dass wir nicht alle Rätsel dieser Welt lösen können und somit auch nicht alles wissen können. Unwissenheit ist also tief mit unserem menschlichen Dasein verankert.