Johannes Kislinger
Geschäftsführer der AH3 Architekten ZT Gmbh und Vorstandsvorsitzender des Dachverbandes innovative Gebäude
Politisch ist man sich einig: Im Rahmen der UN-Klimakonferenz in Paris wurden klare Ziele definiert, beispielsweise die globale Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Die bisher gesetzten Maßnahmen reichen dafür aber bei Weitem nicht aus. Eine große Herausforderung liegt also darin, den Gap zwischen politischem Willen und wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Akzeptanz zu schließen. Und die Bewusstseinsschaffung sollte schon möglichst früh anfangen, am besten zu Hause, später im Kindergarten und dann in der Schule, ähnlich wie man früher das Prinzip der Mülltrennung von klein auf lernte.
Was die Innovationen betrifft, so liegt laut Baukulturreport die Quote in der Baubranche unter einem Prozent, generell in der Wirtschaft ungefähr bei drei Prozent. Hier ist noch viel Luft nach oben. Die Kehrseite der Innovations- und Technologiesprünge ist, dass die NutzerInnen manchmal selbst nicht mehr mitkommen. Ein Smart Home ist manchmal wie ein Ferrari, den keiner fahren kann. Das zeigen uns die messbaren Energieströme. Weniger Technik kann im Ergebnis also manchmal mehr bringen, weil es von den NutzerInnen dann tatsächlich angenommen wird. Positiv ist, dass wir bei der Evaluierung heute schon viel weiter als vor einigen Jahren sind. Wir können Energieströme messen und damit einerseits nachweisen, dass nachhaltige Architektur das bringt, was wir versprechen und andererseits aus dem tatsächlichen NutzerInnenverhalten lernen.
In der Praxis würde ich das nicht voneinander trennen. Und es geht ja auch vielmehr um den gesamten Lifecycle eines Gebäudes, der von der Planung, über die Errichtung bis zur Entsorgung reicht. Tatsache ist aber, dass Nachhaltigkeit in der Architekturszene insofern immer wieder auf Skepsis stößt, als es häufig mit einem ästhetischen Verlust in Verbindung gebracht wurde. Nach dem Motto: Alle Passivhäuser sehen ähnlich und nach Süden ausgerichtet aus. Es lässt sich auch nicht leugnen, dass eine vierzig Zentimeter breite Dämmhülle optisch nicht ansprechend ist. Bauherren, Planungbüros und Industrie sind dabei gleichermaßen gefragt. Denn technische Lösungen eleganter, und damit kleiner zu machen, ist nur ein Teil der Lösung – die Planung ist genauso wesentlich. Ziel ist es, Funktionalität und Ästhetik gleichermaßen zu optimieren. Neben ökologischen Baumaterialen sind die Modularität der Bauweise, der Einsatz erneuerbarer Energie und die flexible Anpassung an die Bedürfnisse der NutzerInnen typische Parameter für Nachhaltigkeit.
Es gibt österreichweit rund zehn Architekturausbildungen mit Fokus auf Design. Nachhaltigkeit ist nicht das Herzstück dieser Ausbildungen. Deshalb begrüße ich dieses FH-Studienangebot, das Nachhaltigkeit zum Programm macht. Ein weiterer Vorteil liegt in der Interdisziplinarität der FH Campus Wien, die im Rahmen von gemeinsamen Projekten mit Bautechnik-Studierenden gefördert wird. Nachhaltigkeit als Querschnittmaterie funktioniert auch nur, wenn wir interdisziplinäre Lösungen entwickeln. Wir müssen uns nach wie vor uns von einem abgezäunten Zuständigkeitsdenken hin zu einem gemeinsamen Denken und Handeln weiterentwickeln. Das wir davon noch entfernt sind, hängt auch damit zusammen, dass das mit einem vermeintlichen Verlust von Macht und Einfluss in den einzelnen Disziplinen verbunden ist.