"Bestehende Bauwerke im Bereich Infrastruktur werden immer älter. Meist wurden sie nach heute nicht mehr geltenden Normen gebaut", erklärt Markus Vill, Projektleiter und Leiter des Lehrgangs Technische Gebäudeausstattung im Department Bauen und Wohnen der FH Campus Wien. "Die europaweiten Regeln für das Bemessen von Bauwerken, die sogenannten Eurocodes, sind konservativer geworden. Die bestehenden Bauwerke scheinen nach aktuellen Rechenmodellen die heutigen Sicherheitsanforderungen nicht mehr zu erfüllen", so der Bauingenieur. In der Praxis verhält es sich aber oft völlig anders und deshalb müssen bestehende Straßen- und Eisenbahnbrücken rechnerisch neu bewertet werden. Mithilfe der Nachberechnungen und Neubewertungen kann die Nutzung von Bestandsbrücken um Jahre bis Jahrzehnte verlängert werden.

Neuberechnung statt Neubau

Ein Forscherteam rund um Markus Vill hat gemeinsam mit der TU Wien und der TU Graz ein Modell zur Neubewertung von bestehenden Straßen- und Eisenbahnbrücken entwickelt. Es geht darum, die tatsächliche Querkrafttragfähigkeit von Bestandsbrücken aus Stahl- und Spannbeton zu ermitteln, die nach derzeit gültigen, europäischen Rechenmodellen für den Weiterbetrieb zu gering erscheint. Versuche an Brückenträgern haben allerdings gezeigt, dass oft noch große Tragreserven vorhanden sind. Mit dem neuen Berechnungsmodell können - im Sinne einer nachhaltigen Nutzung - unnötige Verstärkungen oder gar Ersatzneubauten bei noch gut erhaltenen Tragwerken vermieden werden.

Schauen und Rechnen

Im Zuge der Neubewertungen wird analysiert, ob ein ausreichend hohes Sicherheitsniveau vorhanden ist und wie sich das Sicherheitsniveau künftig verändern wird. Dazu werden sowohl visuelle Kontrollen durchgeführt als auch rechnerische Bewertungen. Beides in Kombination ist wichtig, um die erforderliche Sicherheit nachweisen zu können.

Weiterentwickeln und Überprüfen

Das Modell zur Neubewertung der Tragfähigkeit von Bestandsbrücken wird jetzt im Rahmen eines Folgeprojektes in Kooperation mit der TU Wien weiterentwickelt. Geplant ist eine Versuchsreihe und eine erweiterte Zusammenfassung der ermittelten Versuchsdaten mit Ergebnisse von themenverwandten Projekten aus Europa. Die Forscher der FH Campus Wien werden im Rahmen des Projektes an den rechnerischen Simulationen arbeiten. Ziel des Projektes ist es, die errechneten Ergebnisse aufgrund von 1:1-Versuchen zu überprüfen. Das Projekt wird von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) im Rahmen des Programms Verkehrsinfrastrukturforschung gefördert.

Forschungsfeld Structural Engineering

Das Forschungsteam im Bereich Structural Engineering befasst sich mit dem Entwurf und der Bemessung von neuen Betonbauwerken sowie der Beurteilung bestehender Bauwerke aus Beton. Das Prinzip der Nachhaltigkeit und die Berücksichtigung des Lebenszyklus von Konstruktionen spielen dabei jeweils eine zentrale Rolle. Es gibt zwei Forschungsschwerpunkte:

  • Die Entwicklung neuartiger Konstruktionsmethoden im Brückenbau und konstruktiven Ingenieurbau
  • Die Weiterentwicklung von Untersuchungen, Nachrechnungen und Beurteilungen von bestehenden Bauwerken