Auf einer Konferenz in Boston lernte er seinen späteren Mentor kennen, der ein Labor am Dana Farber Cancer Institute der Harvard Medical School leitete. Sie blieben in Kontakt. Nach einem dreijährigen Post-Doc in Boston kam der Biotechnologe zurück nach Österreich und zurück ans CeMM, wo er als Forschungsgruppenleiter Teile seiner Harvard-Forschung weiterentwickelt.
„Überspitzt formuliert könnten viele, die an einem in Harvard vorbeigehen, kurz vor dem Nobelpreis stehen. Diese geballte Intelligenz hat mich beeindruckt. Und ich mag dieses ‚Hands on‘, einfach auszuprobieren und nicht schon im Vorhinein darüber zu grübeln, warum es nicht funktionieren wird“, blickt Georg Winter auf seine Zeit in den USA positiv zurück. Und Harvard hat sich ausgezahlt: Seine Forschergruppe entwickelte eine neue Art von Therapeutika, die krebsrelevante Proteine abbauen – sprich vollständig entfernen – anstatt sie wie alle gängigen Therapeutika bloß zu blockieren. Darüber publizierte er als Erstautor im renommierten Science Magazin. Wissenschaftliche Journale wie Cancer Discovery und Nature Reviews Drug Discovery griffen den Forschungserfolg auf. Patentanmeldungen folgten, auch ein Biotech-Start-up ist daraus entstanden. Gleichzeitig räumt er mit dem Vorurteil auf, dass in den USA für Forscher*innen alles besser sei. „Es hängt sehr davon ab, wo man forscht. Es gibt einige Hot Spots wie Boston mit Harvard, dem MIT und renommierten Kliniken im Umfeld, die spitzenmäßig aufgestellt sind, aber abseits dieser und ähnlicher Forschungscluster auch viele Orte, die über weit weniger Mittel als vergleichbare Institutionen in Europa verfügen“.
„Für eine Rückkehr nach Österreich haben viele Gründe, auch private, gesprochen“, räumt Winter ein. Das CeMM sei es geworden, weil die Forschung an der Schnittstelle zwischen Chemie, Biologie und Medizin hohes Innovationspotenzial habe und es in diesem Bereich zu den absolut führenden Instituten in Europa gehöre. „Wir sind am AKH-Campus angesiedelt und die Nähe zur klinischen Forschung ist unschlagbar“, schwärmt Winter. Für das CeMM spreche auch der kollaborative Geist, der innerhalb der Institution herrsche. Konkurrenz versus Kollaboration, das ist in der Wissenschaft eine heikle Gratwanderung. Einerseits ist es wichtig, die eigene Leistung voranzutreiben und zu verkaufen; andererseits lassen sich mehr Erkenntnisse generieren, wenn Wissen geteilt und Ideen gemeinsam weiterentwickelt werden. „In dem Punkt unterscheidet sich das CeMM von der Harvard Medical School. Dort konnte es schon passieren, dass jemand meine Idee weiterspinnt und quasi als seine präsentiert“, stellt er fest. Winters Spezialgebiet ist die Schnittstelle von Krebsforschung, Genregulation und Chemischer Biologie. Mit seinem Team testet er neuartige Wirkstoffe. Er möchte genregulatorische Netzwerke besser verstehen und im Idealfall blockieren. Dadurch will Winter die Transkription – den Vorgang, bei dem ein Gen abgelesen und als RNA-Molekül vervielfältigt wird- besser verstehen. „Bei genetischen Experimenten dauerte es bisher Tage, bis ein Protein ausgeschaltet wird. Wir wenden Mechanismen an, bei denen uns das in rund 30 Minuten gelingt. Umso mehr wir den Prozess beschleunigen, umso näher kommen wir der Wahrheit“, ist Winter überzeugt.
Winter sagt über Winter, dass er in seiner Jugend viele, aber keine ausgeprägten Interessen hatte. Irgendwann schlug das Zünglein in Richtung Naturwissenschaften aus. Und Sport war wichtig, der Wettbewerb gehörte einfach dazu. „Das FH-Studium hat mich als Gesamtpaket überzeugt – ein Studium in überschaubarer Zeit, praxisnah, zugeschnitten auf das molekulare Grundverständnis von Krankheiten. Es war später nie Thema, ob ich das Studium an einer FH oder an der Uni absolviert habe. Wichtig war ein Ph.D., ein Post-Doc und spätestens dafür ins Ausland zu gehen“, zieht Georg Winter Resümee. „Für das Ph.D. Programm am CeMM bewerben sich jedes Jahr 700-800 Kandidat*innen. Um zum Zug zu kommen ist es also wichtig, schon früh aus der Masse heraus zu stechen. Mein Tipp: Messt euch von Anfang an mit den Besten, ihr könnt nur gewinnen. Und mindestens genauso wichtig ist der Spaßfaktor!“