Jährlich sind es rund 19.000 Menschen, die Hilfe bei der Volksanwaltschaft suchen, weil sie sich von einer österreichischen Behörde ungerecht behandelt fühlen. Unklar ist vielfach, wie die Arbeit der Volksanwaltschaft abläuft. Dies und den mit dieser Einrichtung verbundenen Public Value untersucht nun erstmals eine Fallstudie des Kompetenzzentrums für Verwaltungswissenschaften.
Julia Dahlvik
Kompetenzzentrum für Verwaltungswissenschaften
Wenn Bürger*innen sich an die Volksanwaltschaft wenden, ist ihr Vertrauen in den Staat oder einzelne Institutionen bereits erschüttert. Insofern trägt die Volksanwaltschaft dazu bei, dieses Vertrauen in den Staat und das Recht wiederherzustellen – das ist die Annahme, die dem Projekt zugrunde liegt. „Wir betrachten Ombudsinstitutionen als Mittler*innen zwischen Bürger*innen und Staat, insbesondere seiner Verwaltung und seinem Recht. Uns interessiert, welchen Beitrag die Arbeit der Volksanwaltschaft leistet, insbesondere in Hinblick auf Public Value“, so Julia Dahlvik vom Kompetenzzentrum für Verwaltungswissenschaften zur Fallstudie, die gemeinsam mit Axel Pohn-Weidinger von der Universität Göttingen durchgeführt wird.
Public Value oder Gemeinwohl – ein multidimensionales Konzept – kann als „durch die öffentliche Hand geschaffener Wert“ verstanden werden, der darauf abzielt, sowohl individuelle als auch kollektive Bedürfnisse zu befriedigen. „Das Konzept von Public Value ist ein sehr komplexes. Deshalb spielt sich vorhandene Forschung oft weitgehend auf der konzeptionellen Ebene ab und empirische Studien zu Public Value fehlen leider. Mit unserem umfassenden Untersuchungsdesign möchten wir hier einen Beitrag leisten“, erläutert Dahlvik. Dieses beinhaltet unter anderem Interviews und eine groß angelegte Umfrage, zudem nahmen die Forscher*innen an Sprechtagen als Beobachter*innen teil. Wichtige Daten liefern auch die Analyse von Beschwerden und der ORF-Sendung Bürgeranwalt. Bedeutend für die Forscher*innen sind zwei unterschiedliche Blickwinkel auf die Arbeit der Ombudseinrichtung: jener der Institution selber, also der Mitarbeiter*innen und Volksanwält*innen, und jener der betroffenen Bürger*innen.
Ihr vierzigjähriges Bestehen feierte die Volksanwaltschaft im Jahr 2017. „Umso erstaunlicher ist, dass Ombudsinstitutionen wie diese bislang kaum erforscht sind“, stellt Dahlvik fest, „dabei beschäftigen sich Wissenschaftler*innen schon länger damit, wie Bürger*innen ihr Recht durchsetzen können und wie ihr Verständnis dieses Rechts ist“. Das Projekt der FH Campus Wien, das vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank gefördert wird, steht noch am Beginn. Eine Tendenz zeichnet sich dennoch bereits ab: die verschiedenen sozioökonomischen Gruppen nehmen die Volksanwaltschaft unterschiedlich in Anspruch. Trotz niederschwelliger Angebote scheint sich beispielsweise das Bildungsniveau der Bürger*innen auf die Nutzung der Institution auszuwirken. Andererseits wird die Volksanwaltschaft auch für Fälle konsultiert, die nicht in ihren Bereich fallen. „Das mag damit zusammenhängen, dass diese Institution im Allgemeinen positiv und als neutrale Kontrollinstanz wahrgenommen wird“, so Dahlvik.
Das Projekt läuft noch bis September 2020. Geplant ist, die Forschungsergebnisse in Buchform zu publizieren und der breiten Bevölkerung zugänglich zu machen. Das Format der Umfrage – aufbauend auf einem an der Universität Oxford entwickelten Fragebogen – soll auch einen internationalen Vergleich ermöglichen. In jedem Fall erwarten sich die Forscher*innen neue Erkenntnisse für die Verwaltungsforschung und erste Rückschlüsse darauf, wie Gemeinwohl entsteht.