Bei den Campus Lectures des Bachelorstudiums Sozialmanagement in der Elementarpädagogik stand das Thema „Sprachenvielfalt und Mehrsprachigkeit in elementarpädagogischen Einrichtungen“ im Mittelpunkt. Judith Purkharhofer erklärt im Interview, welche Möglichkeiten ein vielsprachiger Kindergarten bietet.
Ja, definitiv. In unserer Gesellschaft besteht Einigkeit darüber, dass es positiv ist, mehrere Sprachen zu lernen. Im krassen Widerspruch dazu ist Mehr- bzw. Vielsprachigkeit im Kindergarten aber bei vielen negativ besetzt. Das können wir verändern. Es geht nicht um sprachliche Perfektion, sondern darum, offener für mehrsprachige Menschen und verschiedensprachige Situationen zu werden.
Man weiß, dass Kinder umso leichter Sprachen lernen, je früher sie beginnen. Für Kinder ist es ganz wichtig, dass Sprachen Zugang zu etwas verschaffen, das für sie relevant ist, zum Beispiel zu Freundschaften. Das ist für sie der größte Antrieb. Sprache wird von Kindern einfach als Teil der Person, die sie mögen und nicht so sehr als Zugehörigkeit zu einer Gruppe empfunden. Dabei ist es nicht wichtig für sie, die Sprache komplett zu können. Ein weiterer Anknüpfungspunkt ist, dass Kinder andere nicht so werten wie Erwachsene, sondern vieles als selbstverständlich hinnehmen. Erwachsene verbinden Sprachen häufig mit Stereotypen und Vorurteilen. Ausgehend von einer bestimmten Sprache ordnen wir soziale Verhältnisse wie Herkunft, Bildung oder Status zu. Vereinfacht gesagt: Manche Sprachen mögen wir, weil wir Menschen mögen, die sie sprechen.
Kindergärten stehen vor der Herausforderung, mehrere Sprachen so zu organisieren, dass deutsch- und anderssprachige Kinder maximal voneinander profitieren. Dafür braucht es standortspezifische Konzepte, je nachdem, welche Sprachen von Kindern oder Mitarbeiter*innen gesprochen werden. Es geht darum, vorhandene Ressourcen zu erkennen und sich konkrete Ziele zu stecken. Das heißt, Sprachanlässe zu schaffen und attraktive Angebote für Kinder zu entwickeln. Kinder lernen über Spiele, Essen oder Lieder. Englische Lieder singen sie meist, noch bevor sie Englisch können. Sie verwenden einzelne Worte, weil sie „cool“ sind. Das funktioniert mit jeder Sprache. Aber auch die Eltern sind miteinzubeziehen, um ihnen in Gesprächen Ängste zu nehmen. Für das Ganze braucht es aber auch mehrsprachige Pädagog*innen. Ein strukturelles Problem liegt darin, dass deren Anteil – auch im Vergleich zu Absolvent*innen anderer berufsbildender höherer Schulen – zu niedrig ist.
Der Hauptunterschied liegt darin, dass Englisch als Zweitsprache im norwegischen Alltag sehr etabliert ist. Filme oder Bücher werden auf Englisch konsumiert. Von Migrant*innen wird weniger erwartet, dass sie Norwegisch, dafür Englisch können. Der deutsche Sprachraum ist im Vergleich dazu wesentlich größer: es werden als Folge mehr Bücher übersetzt und Filme synchronisiert. Das macht etwas mit meiner Haltung anderen Sprachen gegenüber. Dazu kommt, dass über 90 Prozent aller norwegischen Kinder mit einem Jahr im Kindergarten sind; das schafft einen größeren Organisations- und Gestaltungsspielraum für den Spracherwerb. Allerdings zeigt sich auch, dass bestimmte Politiker*innen sowohl in Norwegen als auch in Österreich entgegen etablierter Forschungsergebnisse versuchen, auf Einsprachigkeit in Bildungseinrichtungen zu bestehen.