Wie sich die Dynamik des städtischen Mikrobioms entwickelt und wie es das menschliche Leben beeinflusst, darüber war bisher sehr wenig bekannt. Das ändert sich jetzt durch die noch junge Disziplin der Urbanen Metagenomik. Mit dem Forschungsprojekt UrbanMeganApp liefert die FH Campus Wien wichtige Daten für eine mikrobielle Weltkarte. „Mit unserer Analyseapplikation können wir räumliche Informationen mit Metagenomdaten überlagern und visualisieren. Das weltweite Metagenomik-Netzwerk gibt uns die Chance, dass wir unsere Daten global auswerten und Länder rascher auf eine Pandemie- oder Epidemiegefahr reagieren können“, so Bioinformatik-Expertin Alexandra Graf, die das FH-Forschungsprojekt leitet. „Das öffentliche Interesse an diesen Daten ist groß, deshalb fördert auch die Stadt Wien, MA 23, unsere Forschung.“ Der Studiengang Bioinformatik erledigt den Löwenanteil, die Probenentnahme und -untersuchung führen die Studiengänge Bioengineering und Bioverfahrenstechnik durch. Eine Kooperation mit der Platomics GmbH, einem Spin-off des renommierten Austrian Institute of Technologie in Wien verbessert das Forschungssetting zusätzlich.
Den Anstoß für die mikrobielle Weltkarte gaben Forscher*innen in den USA. In New York werden bereits Metagenom-Maps erstellt, die zeigen, wie sich Mikroorganismen verteilen und wo die Hot Spots mit höherer Belastung liegen. In Smart Cities können zukünftig Apps und Sensoren Pathogene entdecken. Damit können epidemiologische Modelle entwickelt, eine rasche Verbreitung verhindert und der Einsatz von Ressourcen im Gesundheitssektor optimal geplant werden. In Krankenhäusern können solche Visualisierungen beispielsweise verwendet werden, um die räumliche Verteilung von Antibiotikaresistenzen zu analysieren und so dazu beitragen, Verbreitungsmechanismen aufzuklären.
Wie sieht das Mikrobiom Wien im Vergleich zu anderen Städten aus? Welche Arten sind nachweisbar? Gibt es unbekannte Mikroben? Verändert sich das Mikrobiom im Laufe der Zeit? Allgemein gilt, anders als im Labor gewachsenen Mikroorganismen sind jene, die aus der Umwelt stammen, fast zur Hälfte unbekannt. Mithilfe der Bioinformatik lassen sich deren Sequenzen in Datenbanken vergleichen und so mehr über die taxonomische Zusammensetzung wie Art, Gattung oder Familie der unbekannten Mikroorganismen erfahren. Für die Datenerhebung ist die U-Bahn der perfekte Ort: hoch frequentiert, breite Multiplikatorwirkung und durch die unterirdische Lage ist sie vor Umwelt- und Witterungseinflüssen relativ geschützt.
Wie viele der Mikroben, mit denen Menschen auf dem Weg durch die Stadt in Berührung kommen, bleiben tatsächlich auf der Oberfläche des Körpers und können so übertragen werden? Um das herauszufinden, haben Forscher*innen der FH Campus Wien in drei Stationen und drei Zügen Proben von den Oberflächen entnommen – vor und nach der U-Bahn-Reinigung. Als nächstes wurden im Labor die DNA extrahiert und sequenziert und anschließend die gewonnenen Daten analysiert. Mit ersten Ergebnissen rechnet man noch vor dem Sommer. Vergleichbare Untersuchungen in anderen Städten haben gezeigt: Es ist nicht so schlimm, wie vermutet. Bisher hat man herausgefunden, dass die meisten der auf der Oberfläche vorhandenen Mikroorganismen Bakterien sind, die unsere Haut besiedeln oder dem Verdauungstrakt zuzurechnen sind. Es sind jedoch überraschend wenige Krankheitserreger darunter. Das könnte daran liegen, dass diese weniger häufig über die Oberfläche übertragen werden als angenommen, da Bakterien dort vergleichsweise kurz überleben. Der viel effektivere Übertragungsweg ist die Luft.
MetaSUB (Metagenomics and Metadesign of the Subways and Urban Biomes) ist ein internationales Konsortium, an dem weltweit 31 Länder beteiligt sind, die in 49 Städten – darunter auch New York – Proben entnehmen und daraus gewonnene Daten analysieren, austauschen und auf einer Weltkarte darstellen. Damit lassen sich Rückschlüsse auf internationale und nationale mikrobielle Trends, Länderspezifika und den Einfluss von Faktoren wie Klima ziehen. Die FH Campus Wien ist mit den Studiengängen Bioengineering und Bioinformatik als eine von zwei österreichischen Hochschulen – neben der BOKU – in dem weltweiten Netzwerk vertreten.