Wertschätzung: Kraftquelle und Motivationsschub

Pensionswelle und demografisch bedingter höherer Bedarf an Pflegeleistungen sind Gründe für einen drohende Mangel an Gesundheits- und Krankenpflegepersonen. Die Diskussionen darüber rücken das Berufsbild ins Rampenlicht. Die FH Campus Wien bildet seit 15 Jahren Gesundheits- und Krankenpflegepersonen für den gehobenen Dienst aus, kennt die Motive für die Wahl dieses Berufsfeldes und des Studiums und erhebt, mit welchen Erwartungen Absolvent*innen in den Beruf einsteigen.

Berufszufriedenheit steigern

Über ihre Erwartungshaltung beim Einstieg in den vielfältige Beruf gaben Absolvent*innen der Jahrgänge 2018, 2019 und 2020 in Befragungen Auskunft. Lehrende und Forschende Christina Mogg und Leiterin des Departments Angewandte Pflegewissenschaft Roswitha Engel wollten mit dieser Längsschnittuntersuchung1 Antworten geben auf die Frage, welche Maßnahmen gesetzt werden könnten, um einen Personalmangel konstruktiv zu begegnen. Denn Rahmenbedingungen des Berufseinstiegs wirken sich direkt auf die Zufriedenheit und den Verbleib im Beruf aus.

Gutes Arbeitsklima im gewünschten Fachbereich

Rein soziodemografisch gesehen, bleibt die Tatsache bestehen, dass noch immer mehr Frauen in der Pflege aktiv sind, der weibliche Anteil der Absolvent*innen aus den drei aufeinander folgenden Jahrgängen liegt zwischen 84% und 90%. Die Motivation nach dem Studium ist hoch, in den ersten drei Monaten nach Studienabschluss übertragen nahezu alle – konkret 97% – ihre in der Ausbildung erlernten Fähigkeiten in die direkte Pflege, der Großteil verbleibt in Wien. Und es zeigen sich klare Favoriten bei der Arbeitsplatzwahl: Die am häufigsten gewählten Wunschfelder sind der stationäre Fachbereich – vorrangig Fachrichtung Chirurgie, die Kinder- und Jugendlichenpflege und der Intensivbereich.

Mit dem Start ins Arbeitsleben verknüpfen die Neueinsteiger*innen bestimmte Erwartungen. „Ob diese erfüllt werden, hängt wesentlich von drei Faktoren“, so Roswitha Engel. „Vom guten Arbeitsklima, als großes Plus wird es empfunden, wenn die interdisziplinäre Teamarbeit professionell funktioniert, und auch eine wertschätzende Haltung der leitenden Führungskräfte hat positiven Einfluss.“

Gutes Arbeitsklima, interprofessionelle Zusammenarbeit auf Augenhöhe und wertschätzende Führungskräfte sind Key Points in den Erwartungen der Absolvent*innen.
Portraitfoto von Roswitha Engel

Roswitha Engel

Departmentleiterin Angewandte Pflegewissenschaft

Wertgeschätzt von allen Seiten

Wertschätzung, dieses Wort, der Wunsch danach, fällt in Gesprächen mit Studierenden und im Berufsleben stehenden Gesundheits- und Krankenpflegepersonen oft. Sie vermissen Wertschätzung von erfahreneren Berufskolleg*innen, in der Teamwork mit Angehörigen medizinischer Profession, von ihren Vorgesetzten, von Patient*innen und Begleitpersonen, von der Politik, der Gesellschaft. Ein der Realität entsprechendes Bild ihres Berufsstandes ist daher ein sehnlicher Wunsch. „Pflege ist mehr als vielen bewusst ist, das kann nicht jede*r, dazu gehört professionelles Wissen – wir leisten so vieles, das nicht gesehen wird“, so Studierende Heidemarie Haslinger. Sie wünscht sich, dass die Gesellschaft begreift, wie komplex das Tätigkeitsfeld ist und wie sehr wissenschaftliche Erkenntnisse die Qualität der professionellen Pflege heben.

Auch Anna-Isabella Rose, Gesundheits- und Krankenpflegerin und Lehrende, weiß, wie viel Verantwortung Pflegepersonen tragen. „Zusätzlich stellt der Job sowohl auf physischer als auch psychischer Ebene eine Herausforderung dar. Es ist ein sehr angreifbarer Beruf, in dem eine hohe Erwartungshaltung vorherrscht. Das Engagement, das Gesundheits- und Krankenpflegepersonen mitbringen, sollte nicht als selbstverständlich angenommen werden.“

Spannende Herausforderungen als Motivationsschub

Ganz bewusst und mit großer Motivation starten die meisten schon in die Ausbildung.  „Ich habe Gesundheits- und Krankenpflege zu studieren begonnen, weil ich durch mein professionelles Wirken für meine Mitmenschen einen Unterschied machen wollte“, erzählt Theresa Maria Binder, Gesundheits- und Krankenpflegerin und Lehrende an der FH Campus Wien. „Das Studium selbst hat mich interessiert, weil hier Theorie und Praxis eng verschränkt sind und ich durch die EU-Konformität mehr Vergleichbarkeit und Flexibilität habe.“

Vielfältige Settings, Spezialisierungsmöglichkeit und Inter- wie Multidisziplinarität machen Gesundheits- und Krankenpflege facettenreich. Auch die Tatsache, dass es ständig neue Herausforderungen gibt, hält die Motivation aufrecht. „In meiner Berufsausübung ist sehr viel Flexibilität, Individualität und Kreativität gefragt. Denn jede*r Patient*in hat ein eigenes Krankheitsbild, unterschiedlichste Bedürfnisse und Lebenserfahrungen, auf die es einzugehen gilt. Eventuell sind Lösungen zu optimieren oder neue Wege zu generieren“, beschreibt Rose, die in der Klinik Penzing auf einer gerontopsychiatrischen Station tätig ist, ihren Berufsalltag. „Durch die Herausforderungen wächst man sowohl persönlich als auch in der Rolle kontinuierlich weiter.“

Persönliche Weiterentwicklung und Karrierechancen

Als Vorschlägen für attraktivierende Rahmenbedingungen stehen ein höherer Personalschlüssel, um eine qualitätsvolle Pflege leben zu können, und eine gerechte Entlohnung an erster Stelle. Auch neue Arbeitszeitmodelle sind gefragt sowie Offenheit und Spielraum für neue Berufsnischen, die eine zukünftige Pflege mit sich bringen wird – Stichwort Prävention, Vorsorge und Community Health Nursing.

„Medizin und Pflege verändern sich stetig und ohne regelmäßige Bildungsmaßnahmen und das Interesse daran, am aktuellen Stand der Forschung zu bleiben, ist dieser Beruf nicht qualitativ hochwertig auszuüben“, so Theresa Maria Binder. Fort- und Weiterbildungs- genauso wie Karrieremöglichkeiten sind somit ebenso auf der Wunschliste. Auch die Längsschnittuntersuchung untermauert hohe Weiterbildungsambitionen. Tendenziell werden Karrierechancen mit einem Masterabschluss höher eingestuft, weswegen bei den Bachelorabsolvent*innen ein relativ großes Interesse an berufsbegleitenden Masterstudien besteht.

Roswitha Engel sieht professionelle fachliche und hierarchische Weiterentwicklung und Karriereperspektiven als wesentliche Säule: „Diese genauso wie den Erwartungen entsprechend förderliche Rahmenbedingungen sollten im Zentrum eines Changemanagements stehen, um den langjährigen Verbleib der Absolvent*innen im Berufsfeld zu gewährleisten.“


1 Mogg, C. & Engel, R. (2022). Erwartungen und Rahmenbedingungen für den Berufseinstieg von Bachelor-Absolvent*innen der Gesundheits- und Krankenpflege – Ergebnisse einer Längsschnittuntersuchung.