30.000 Kilometer für die Vielfalt im Wienerwald

Nachhaltige Mobilitätsinitiative bringt Wienerwald 200 Bäume

Einen eigenen kleinen FH-Wald bei Scheiblingstein im Wienerwald pflanzt die FH Campus Wien in Kooperation mit den Österreichischen Bundesforsten im heurigen Herbst. 200 Speierlinge und Elsbeeren, selten gewordene Wildobstbäume, werden eingesetzt und tragen bei zu einem artenreichen Wald als Lebensraum für eine diverse Fauna und Flora. Die Baumspende ist das Resultat einer Mobilitätsinitiative, bei der Studierende und Mitarbeiter*innen zu Fuß oder per Rad zurückgelegte Kilometer sammelten. Susanne Mulzheim vom Betrieblichen Gesundheitsmanagement Campus Vital über den Erfolg von „Fitte Wadl – fitte Umwelt“.

Datum: 30.6.2022

30.000 Kilometer für die Vielfalt im Wienerwald

Lisa Baumgartner
Herzlich willkommen bei Neunmalklug. Lisa Baumgartner begrüßt Sie. Jetzt, in der schönen Jahreszeit verbringen Sie vielleicht auch ab und zu Zeit im Grünen. Wann waren Sie denn das letzte Mal im Wald? Haben den verschiedenen Vogelstimmen gelauscht, den Schatten der Bäume genossen und auf einer Lichtung, vielleicht den Schmetterlingen beim Herumflattern und Landen auf einer Blüte zugeschaut. Damit der Wienerwald als Lebensraum für viele unterschiedliche Pflanzen und Tierarten weiterwächst, dazu haben die Studierenden und Mitarbeiterinnen der FH Campus Wien ein Stück weit beigetragen. Und wie es dazu gekommen ist, das erzählt uns heute Susanne Mulzheim. Hallo Frau Mulzheim, Sie sind ja Ergotherapeutin und als Lehrende und Forschende in diesem Studiengang tätig. Aber die Baumspende für den Wienerwald steht mit einer weiteren Funktion von Ihnen in Zusammenhang. Vielleicht erklären Sie uns das.

Susanne Mulzheim
Ja, hallo. Herzlichen Dank für die Einladung. Ja, meine zweite Rolle, meine zweite Funktion an der FH Campus Wien ist, dass ich die Leiterin des betrieblichen Gesundheitsmanagement bin. Das betriebliche Gesundheitsmanagement besteht seit mittlerweile zwölf Jahren und wir haben es in dieser Zeit geschafft, wirklich eine Vielzahl an Angeboten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufzubauen. Dazu gehört zum Beispiel ein Kursprogramm mit Bewegungsangeboten mit Entspannungsangeboten. Manchmal beschäftigen wir uns auch mit dem Thema Ernährung. Auf der Verhältnisebene bieten wir aber auch an zum Beispiel eine interne Konflikt Beratung oder betriebliches Eingliederungsmanagement. Und wir sind auch für den Arbeitnehmer*innenschutz zuständig. Bei unserem Kursprogramm für die Mitarbeiter*innen ist uns auch aufgefallen, dass besonders Bewegungskurse recht gut angenommen werden. Das liegt vor allem auch daran, weil natürlich Sitzen ein großes Thema ist bei uns am Campus. Das sind natürlich viele Computerarbeitsplätze und die Menschen verbringen viel Zeit vor dem Computer im Sitzen.

Lisa Baumgartner
Und genau das ist auch im Zusammenhang jetzt mit dieser Baumspende zu sehen. Also 200 Bäume setzt die FH Campus Wien in Kooperation mit den Österreichischen Bundesforsten. Und das ist das feine Resultat eines ganz großen Projekts, einer von ihnen ins Leben gerufenen Mobilitätsinitiative. Was steckt dahinter?

Susanne Mulzheim
Diese Idee ist entstanden, weil sich die FH Campus Wien auch sehr mit diesem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. Und zu diesem Zeitpunkt war zufällig auch eine Ausschreibung vom Fonds Gesundes Österreich für Mobilitätsprojekte. Und da haben wir uns auch beworben und konnten auch mitmachen. Und das war natürlich eine große Chance, da auch durch ein Förderprojekt Initiativen zu setzen. Ich persönlich finde, dass wir da ja eine große Chance haben, wenn wir Mobilität, also die täglichen Pendelaktivitäten von zu Hause zur FH, sowohl von Mitarbeiter*innen als auch von Studierenden, dass wir die gut nutzen können, um mehr Bewegung in den Alltag zu bekommen. Der große Vorteil dabei ist, dass das kein zusätzlicher Zeitaufwand ist, sondern das kann man einfach in den Alltag integrieren und macht Bewegung, ohne dass man da dabei zusätzlich noch ins Fitnessstudio gehen muss oder einen Yogakurs besuchen muss. Und das haben wir aufgegriffen und haben versucht, Mitarbeiter*innen und Studierende zu aktivieren, zu mobilisieren, mehr aktiv mobil zu werden. Das heißt, dass sie mehr zu Fuß oder mit dem Fahrrad oder mit dem Roller, was auch immer, zur FH kommen. Und damit knüpfen wir natürlich auch an diesen Bewegungsmangel an und um Mitarbeiter*innen und Studierende zu dieser aktiven Mobilität zu aktivieren, zu motivieren, haben wir uns verschiedene Dinge einfallen lassen. Auf der einen Seite sind das Verbesserungen, auch was die Verhältnisse betrifft. Das heißt, wir haben versucht, Radinfrastruktur zu verbessern. Wir haben neue Radabstell-Anlagen bekommen. Wir haben einen regelmäßigen Rat Check angeboten. Aber auf der anderen Seite geht es auch darum, zu einem veränderten Verhalten zu motivieren. Und das haben wir mit verschiedenen Challenges gemacht. Wir haben ja, wir haben insgesamt fünf Challenges durchgeführt in dieser Projektlaufzeit und haben da immer ein bisschen andere Schwerpunktsetzungen genommen, einfach um auch zu testen, was funktioniert gut, mit welchen Aktivitäten kann man die Personen besonders gut mobilisieren, um aktiv zu werden? Und zwei dieser Challenges haben wir quasi mit diesem Baumziel verbunden. Das heißt, wir haben gesagt, wir wollen 200 Bäume ergehen oder erradeln und haben das auf Kilometer umgerechnet. Und die Teilnehmenden haben eben versucht, so viele Kilometer wie möglich zu erreichen und um eben diese 200 Bäume zu erzielen. Und das war wirklich die Challenge, wo wir auch am meisten Erfolg gehabt haben. Da waren es ja viele, die teilgenommen haben und die waren alle irrsinnig motiviert und haben gerne mitgemacht und haben sich gefreut, dass sie da dazu beitragen konnten, dass wir ein kleines Wäldchen dann im Endeffekt pflanzen können.

Lisa Baumgartner
Ja 200 Bäume ist tatsächlich schon ein kleines Wäldchen. Also es ging darum Kilometer zu sammeln und diese sind dann in eine Baumspende umgewandelt worden. Wie viele Kilometer waren es am Ende des Tages?

Susanne Mulzheim
Es waren über 32.000 Kilometer und das haben ungefähr 200 Teilnehmende erreicht. Das war schon eine große Anzahl an Kilometern, die eine Einzelperson dann zurückgelegt hat.

Lisa Baumgartner
Da werden die ganzen Sportuhren auf Hochtouren gelaufen sein.

Susanne Mulzheim
Ja. (lacht)

Lisa Baumgartner
Ja. Also um die Wald Vielfalt in Wien zu fördern, dafür setzen sich ja die Bundesforste ein und gemeinsam mit den Österreichischen Bundesforsten wird im Herbst jetzt gepflanzt das FH Wäldchen. Wo denn?

Susanne Mulzheim
Ja, das war gar nicht so einfach, weil die Bundesforste nicht so viele Waldgebiete im Raum Wien haben und uns war es wichtig, dass es in Wien gepflanzt wird. Ursprünglich war die Sophienalpe im Gespräch, das hat aber dann leider nicht funktioniert. Aber es ist ganz in der Nähe von der Sophienalpe: Das Forstrevier Weidlingbach, also es ist dort in diesen Forstrevier Weidlingbach, beim Scheiblingstein werden diese Bäume gepflanzt und die Pflanzung wird dann im Herbst stattfinden. Da freuen wir uns schon sehr drauf.

Lisa Baumgartner
Es sind bedrohte Baumarten, die da hier jetzt zur Pflanzung gelangen. Es ist wahrscheinlich vielen von uns gar nicht so bewusst: Sind tatsächlich so viele Baumarten bedroht?

Susanne Mulzheim
Ja, das ist tatsächlich so, wir haben da auch viele Informationen bekommen von den Bundesforsten und das hängt einfach auch mit dem Klimawandel zusammen, weil diese höheren Temperaturen viele Baumarten nicht vertragen. Und mittlerweile stehen 35 Baum- und Straucharten in Österreich auf der roten Liste der gefährdeten Arten. Das ist schon immens. Und da fallen Bäume drunter wie die Schneebirne oder der Holzapfel oder der Speierling. Und das sind auch eine Reihe von diesen Bäumen, für die wir uns dann auch entschieden haben.

Lisa Baumgartner
Das heißt, Sie war sehr umsichtig bei der Baumauswahl. Für welche Bäume hat sich die FH Campus Wien entschieden?

Susanne Mulzheim
Ja, da haben wir uns natürlich auf die Expertise der Bundesforste verlassen und es werden 200 Wildobstbäume, darunter vor allem Bäume, wie es der vorhin schon erwähnte Speierling oder auch die Elsbeere. Und das war sehr spannend. Wir waren ja bei der Aufforstungsfläche und haben uns dort mit dem Förster getroffen und der hat uns dann auch informiert, was da zu beachten ist bei solchen Aufpflanzungen und wann die optimale Pflanzzeit ist. Also es ist relativ spät im Herbst, wahrscheinlich im November dann erst. Das Interessante ist auch, also diese Elsbeere zum Beispiel ist ein sehr beliebter Baum bei Rehen. Das heißt, die müssen sehr geschützt werden nach der Pflanzung, sonst sind sie innerhalb von einer Nacht aufgegessen und es gibt keine Elsbeere mehr.

Lisa Baumgartner
Ja, ich habe zufällig eine Elsbeere bei mir im Garten stehen, weil mir das eben auch sehr wichtig war. Ich finde, sie sind besonders ein hübscher Baum mit besonders typischen Blättern. Können Sie ein bisschen beschreiben, wie sie ausschaut?

Susanne Mulzheim
Also, wir haben ja eine Elsbeere schon als Symbol-Baum mitbekommen, an die FH. Der bleibt bis zum Herbst bei uns, von dem her weiß ich sehr gut wie er ausschaut. Wobei unsere ist noch sehr klein, so ein Jungbaum natürlich, aber der kann schon bis zu 25 Meter hoch werden, wenn man ihn wachsen lässt. Er wird aber nicht so hoch werden, weil der Förster diese Wildobstbäume schneidet, so wie man auch Hausbäume schneidet und dadurch haben sie auch eine ähnliche Form dann wie Hausbäume, werden also nicht so hoch, aber sie tragen gut Früchte und diese Früchte sind natürlich auch für die Tiere wichtige Nahrungsquelle. Also, Vögel, Eichhörnchen und Mäuse können sich da ganz gut ernähren damit. Das sind so kleine, eiförmige Beeren, die da drauf wachsen. Die sind so dunkelrot bis braun. Und das Interessante ist, man kann daraus auch Bier brauen.

Lisa Baumgartner
Bier? Elsbeeren Schnaps hätte ich gedacht, aber Bier?

Susanne Mulzheim
Ja, ja, die Bundesforste verwenden das für ein spezielles Elsbeeren-Bier. Ich habe schon kosten dürfen.

Lisa Baumgartner
Und, ist es bitter, oder?

Susanne Mulzheim
Nein überhaupt nicht, es schmeckt wirklich sehr gut, also ich kann es empfehlen.

Lisa Baumgartner
Also, wenn Sie jetzt an die Challenge denken, Sie haben erzählt, es hat fünf Herausforderungen gegeben. Wie schwer war es denn eigentlich, die Studierenden und die Mitarbeiter*innen sozusagen zu catchen, zum Mitmachen zu motivieren?

Susanne Mulzheim
Ja, das ist tatsächlich nicht ganz so einfach. Das ist schon eine Hürde. Wir haben versucht, das mit unterschiedlichen psychologischen Theorien auch zu untermauern, wie wir unsere Challenges aufgezogen haben. Und es war natürlich auch viel Versuch - Irrtum. Ein wesentlicher Punkt war dieses Community Building. Das heißt, wir haben wirklich von Beginn an versucht, so ein Gruppengefühl, ein Wirgefühl zu schaffen und dieses Wir dann auch größer werden zu lassen. Und das ist auch aufgegangen. Es hat gut funktioniert. Also, bei unseren ersten Challenges, das war damals eine schwierige Zeit beim ersten Lockdown hatten wir, glaube ich, 35 Teilnehmende und das ist dann doch angewachsen auf über 200. Also, das war schon sehr erfolgreich. Dafür braucht es natürlich viel Kommunikation. Das war ein ganz wesentlicher Punkt, das Wirgefühl, was ich eh schon angesprochen habe. Aber ein wirklicher Trigger war schon diese Baumpflanzung. Also das war was, wo wir noch einmal zusätzlich Leute mobilisieren haben können, die vorher nicht dabei waren.

Lisa Baumgartner
Das heißt, es ist schon ein großes Bewusstsein dafür da unter den Mitarbeiter*innen und den Studierenden.

Susanne Mulzheim
Ja, die Bäume waren wirklich ein Zieher. Was mich persönlich überrascht hat, war, dass das Thema Gesundheit mehr motivierender war als das Thema Nachhaltigkeit. Also, die meisten sind es ja angesprungen auf dieses Gesundheitsthema und sie wollen sich mehr bewegen und sie wissen ja, dass sie zu viel sitzen und es ist lustiger gemeinsam etwas zu machen. Und Nachhaltigkeit war nicht so ein großes Thema. Das ist wirklich erst mit dieser Baumpflanzung dann mehr ins Bewusstsein gekommen.

Lisa Baumgartner
Ich glaube, das Motto war ja "Fitte Wadl – fitte Umwelt". Also das heißt, es hat vom Anfang an eigentlich beide Teile beinhaltet, sowohl die Gesundheit als auch die Umwelt und die Nachhaltigkeit.

Susanne Mulzheim
Ja, ja. Das ist so.

Lisa Baumgartner
Das waren die Herausforderungen eigentlich auch etwas, was man auch mit einer Art Gegeneinander in einem Wettkampf erreichen konnte?

Susanne Mulzheim
Das haben wir eigentlich nur bei unserer letzten Challenge noch einmal so als Versuch eines zusätzlichen Motivators herangezogen. Das hat eigentlich nicht so gut funktioniert.

Lisa Baumgartner
Also: Besser Wirgefühl als Gegeneinander.

Susanne Mulzheim
Ja, genau diese Erfahrung haben wir daraus gezogen.

Lisa Baumgartner: Welche Conclusio können Sie denn ziehen? Welche Resonanz haben Sie von den Teilnehmenden denn bekommen?

Susanne Mulzheim
Wir haben zum Abschluss unseres Projektes noch eine Veranstaltung gemacht, verbunden mit unseren Gesundheitstag. Und da haben wir die Teilnehmenden zu einem Vital-Brunch eingeladen, wo wir dann auch viel gehört haben, wie das angekommen ist und wie es den Teilnehmenden dabei gegangen ist. Und das war wirklich ein sehr nettes Event, wo die Teilnehmenden einfach gesagt haben, es war für sie so motivierend, auch in der Gruppe etwas zu machen. Und auch Leute, die vorher schon aktiv waren, sind noch aktiver geworden und können sich das auch gut mitnehmen in den Alltag. Manche haben auch gesagt, das war jetzt wirklich so, dieser Anstoß, dass sie jetzt endlich das Rad wieder aus dem Keller holen, reparieren lassen und es wirklich auch nutzen, so für Alltagsbewegung und für Einkauf, für die Fahrt an die FH. Also, ich denke es hat schon eine nachhaltige Wirkung gehabt.

Lisa Baumgartner
Das Projekt "Fitte Wadl – fitte Umwelt" ist ja dann auch prämiert worden, hat gesiegt beim VCÖ Mobilitätspreis 2021. Dieser stand unter dem Motto Aufbruch in die Mobilität. Wie sehen Sie jetzt diesen Aufbruch?

Susanne Mulzheim
Ja, ich denke, das war ein erster Schritt. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass sich da noch einiges ändern wird. Und wenn man vor unsere FH schaut, wenn man sich die Radabstellplätze anschaut, merkt man, die Räder werden mehr. Sie sind schon ziemlich ausgelastet und ich bin froh, dass jetzt auch in Planung ist, dass viele neue gebaut werden. Gibt es schon die fixen Pläne dazu auch noch mehr sichere Radabstellplätze. Und ich denke, das ist ein wichtiger Faktor, um die Leute auch wirklich dabei zu behalten und noch mehr zu motivieren, das Rad zu nutzen, um Treibhausgase einzusparen. Das ist unser großes Ziel auch, dass wir erreichen wollen an der FH. Und ja, wie gesagt, der erste Schritt ist getan. Wir werden sicher auch dranbleiben vom Gesundheitsmanagement her und uns auch überlegen, ob wir weiterhin Aktionen setzen. Eine Sache, die wir für alle Fälle beibehalten, sind die regelmäßigen Rad-Checks. Das heißt, es kommt jemand zu uns an die FH und bietet so einen kurzen Check des Rades an, macht kleinere Reparaturen. Das ist für die Mitarbeiter*innen und Studierenden kostenlos, außer man braucht Ersatzteile, die müssen natürlich bezahlt werden, aber ansonsten wird das von uns übernommen und das wird total gut angenommen. Also, die Termine sind immer in kürzester Zeit ausgebucht und ich glaube, das ist ein gutes Zeichen.

Lisa Baumgartner
Ja, vielleicht gibt es auch gemeinsame Radausflüge auf den Scheiblingstein um im FH-Wald dann sich ein bisschen im Schatten zu erholen.

Susanne Mulzheim
Ja, ich glaube da müssen wir noch ein paar Jahre warten. Die Bäume sind noch klein, aber es ist auf jeden Fall eine nette Idee, da mal gemeinsam aktiv hin zu fahren, mit dem Radl oder eine kleine Wanderung zu machen, um auch zu sehen, was haben wir uns da erarbeitet.