CoV-positiv oder -negativ? Die Biomedizinische Analytik schafft Klarheit

Wie viele Personen sind mit dem Corona-Virus infiziert? Eine Zahl, die wir alle wohl sehr genau beobachten. Denn ihre Bedeutung ist enorm, für uns persönlich und für uns als Gesellschaft. Gewissheit darüber, ob das Ergebnis negativ oder positiv ist, bringen biomedizinische Analytiker*innen ans Tageslicht. Sie führen labordiagnostische Untersuchungen durch, analysieren und validieren. Sie wissen genau, worauf es bei den Untersuchungen und Analysen ankommt. „Test ist nicht gleich Test“, so Susanne Bauer-Rupprecht und Sabine Enzinger, beide Lehrende und Forschende im Bachelorstudium Biomedizinische Analytik, und erklären Begriffe wie PCR-Test, Schnelltest, Antikörper, Antigene. Wir werfen einen genauen Blick auf den Alltag in der biomedizinischen Analytik und die Rolle in Zeiten der Corona-Pandemie.
14.12. 2020

CoV-positiv oder -negativ? Die Biomedizinische Analytik schafft Klarheit.

Lisa Baumgartner
Weltweit waren es heute x Millionen an Corona-Infizierten. Herzlich willkommen zu einem Podcast ganz im Zeichen der Pandemie. Es begrüßte Sie: Lisa Baumgartner.
Ja, es sind die Zahlen, die uns täglich in den Nachrichten begleiten. Soundso viele Corona-Infizierte sind gemeldet und soundso viele Tests wurden schon durchgeführt. In den letzten Wochen waren das in Österreich besonders viele. Massentests in mehreren Bundesländern haben stattgefunden und bestimmte Berufsgruppen wie Pädagog*innen oder Polizist*innen wurden auch getestet. Bei den Testungen während der Covid-19- Zeit wirken sehr viele unterschiedliche Disziplinen mit. Eine davon ist die Biomedizinische Analytik. Welche Rolle die Biomedizinische Analytik einnimmt, dazu spreche ich mit Susanne Bauer-Rupprecht und Sabine Enzinger. Sie beide forschen an der FH Campus Wien und lehren im Bachelorstudium der Biomedizinischen Analytik. Dankeschön für Ihre Zeit.

Susanne Bauer-Rupprecht
Gerne.

Lisa Baumgartner
Interdisziplinarität, das ist für Sie gelebter Alltag. An welchen Schnittstellen arbeitet die Biomedizinische Analytik, Frau Bauer-Rupprecht?

Susanne Bauer-Rupprecht
Die Schnittstellen in der Biomedizinischen Analytik sind vielfältig. Wir arbeiten an der Schnittstelle mit Ärzt*innen, mit Patient*innen, auch wenn wir oft nicht sichtbar sind, weil wir im Labor tätig sind. Es gibt auch noch andere Schnittstellen, z.B. die Gesundheits- und Krankenpflege, die häufig mit Point of Care-Geräten arbeiten, die Biomedizinische Analytik allerdings die Expert*innen, was die Wartungsarbeiten und die Wartungstätigkeiten der Geräte betrifft, ist. Dann arbeiten wir in vielen Bereichen der Grundlagenforschung und dort gibt es wieder andere Schnittstellen mit forschenden Berufsgruppen, wie z.B. mit der Molekular-Biologie, mit Pharmazeut*innen arbeiten wir zusammen, und natürlich mit Ärzt*innen unterschiedlichster Fachrichtungen. Und nachdem unser Berufsfeld ein sehr weites ist, gibt es auch die Möglichkeit im Kontext der Funktionsdiagnostik, der Elektroneuro-Funktionsdiagnostik und der kardiopulmonalen Funktionsdiagnostik sich so weit zu spezialisieren, dass wir direkt mit Patient*innen arbeiten, d. h. hier haben wir auch wieder die Schnittstelle Patient*in, aber in einer direkteren Form.

Lisa Baumgartner
Ganz schön viele Schnittstellen. Das heißt, die Biomedizinische Analytik ist quasi mittendrin und auch die Tests zu Covid-19 beschäftigen die Biomedizinische Analytik. Etliche Lehrende und Studierende von der FH Campus Wien waren ja schon sehr engagiert mit dabei.

Susanne Bauer-Rupprecht
Ja, das ist richtig. Wir Biomedizinischen Analytiker*innen sind während der Covid-19-Pandemie gefragter denn je. So haben wir im Sommersemester 2020 auf Vorschlag der Studiengangsleiterin Mag.a Christine Schnabl 27 Studierende im sechsten Semester des Bachelorstudiums hinausgeschickt in die Labors des Wiener Gesundheitsverbundes, und sie haben dort mitgearbeitet. Hervorheben möchte ich die hohe Einsatzbereitschaft unserer Studierenden, da sie zu diesem Zeitpunkt die Pflichtpraktika bereits absolviert hatten, und dieses Zusatzpraktikum im Ausmaß von 25 Stunden pro Woche war, also eigentlich schon mehr als ein Halbtagsjob. Und sie waren auch noch beschäftigt mit der Fertigstellung der Bachelorarbeiten neben dem Besuch von Online-Lehrveranstaltungen, die auch noch zu tätigen waren.

Lisa Baumgartner
Wenn man von den Tests hört, dann fallen sehr schnell sehr viele Fachbegriffe – für einen Laien gar nicht so einfach. Es gibt einen Schnelltest, dann PCR-Tests, unterschiedliche Dinge werden analysiert – Stichwort Antikörper, Antigen. Ich darf um ein bisschen Aufklärung bitten. Frau Enzinger, wo liegt jetzt der Unterschied zwischen den verschiedenen Tests?

Sabine Enzinger
Es gibt hauptsächlich drei verschiedene Tests. Erstens den direkten Erregernachweis durch RT-PCR. Die genaue Bezeichnung ist "real-time Reverse-Transkriptase-Polymerase-Kettenreaktion" und das ist der Goldstandard für die Diagnostik. Hier wird das virale Erbgut nachgewiesen, also Gensequenzen des Virus und es werden meist gleich mehrere Genabschnitte amplifiziert, das heißt vermehrt, und nachgewiesen. Der PCR-Test kann das Virus in sehr geringen Ausgangsmengen nachweisen. In der Praxis bedeutet dies, dass der Test etwa dann noch anschlägt, wenn die Person die Infektion bereits durchgemacht und vermutlich nicht mehr ansteckend ist. Ein positives PCR-Testergebnis ist der Nachweis einer Infektion. Aber es bedeutet nicht zwangsläufig, dass diese Person ansteckend oder krank ist.

Lisa Baumgartner
Soweit zum PCR-Test. Der Begriff Antigen-Test, was bedeutet der?

Sabine Enzinger
Der Antigen-Test ist ebenfalls ein direkter Nachweis viraler Antigene. Es ist ein Schnelltest. Das heißt, ich erhalte das Ergebnis innerhalb kurzer Zeit, innerhalb von rund 15 bis 30 Minuten, und im Unterschied zum PCR-Test wird beim Antigen-Test nicht das Erbgut des Virus nachgewiesen, sondern dessen Protein bzw. Proteinhülle. Also Bausteine des Virus, gegen die das Immunsystem Antikörper bildet. Antigen-Tests können eine sinnvolle Ergänzung zu PCR-Testungen darstellen, wenn schnell, das heißt vor Ort im Point of Care-Testing eine erste Vorentscheidung über das mögliche Vorliegen einer übertragungsrelevanten Infektion bei einer Person gefällt werden soll. Die Schnelltests sind insgesamt weniger genau als PCR-Nachweise. Und eines muss klar sein: Ein negatives Testergebnis mit einem Antigen-Schnelltest bedeutet nicht, dass der oder die Getestete nicht infiziert sind. Aber mit einem Antigen-Schnelltest erhöht man die Chance, genau die Menschen zu finden, die vermutlich sonst unwissentlich oder unbemerkt andere Menschen angesteckt hätten.

Lisa Baumgartner
Das war der Antigen-Schnelltest. Das war ein direkter Nachweis. Und der Antikörper-Test? Lassen Sie mich raten: Ist ein indirekter Nachweis?

Sabine Enzinger
Das ist ganz richtig. Das ist ein indirekter Erregernachweis. Antikörper-Tests dienen vorwiegend dem Nachweis einer vorangegangenen Infektion. Sie liefern keinen direkten Virus-Nachweis. Das heißt, es wird getestet, ob der Körper bzw. das Immunsystem des Körpers bereits Antikörper gegen das Virus gebildet hat. Tests auf Antikörper könnten Hinweise darauf liefern, wie viele Menschen sich bereits mit SARS-CoV-2 infiziert haben, womöglich ohne es zu wissen. Neue Ergebnisse zeigen jedoch, dass Infizierte ohne Krankheitssymptome teilweise gar keine Antikörper mehr aufweisen können und somit nicht mehr alle erfasst werden können.

Lisa Baumgartner
 Gehen wir noch einmal zurück zu den Schnelltests. Ein Testergebnis schnell vorliegen zu haben, ist ohne Zweifel ein sehr großer Vorteil. Wie funktionieren Schnelltests

Sabine Enzinger
Wie gesagt, mit einem Schnelltest können Antigene oder Antikörper nachgewiesen werden. Dazu wird vorerst Probenmaterial entnommen. Im Falle von Antikörper-Schnelltest wird Kapillarblut aus der Fingerbeere entnommen. Und im Falle von Antigen-Schnelltests ist das ein Nasensekret, das mittels eines Tupfers – das ist ein Stäbchen mit einer kleinen Bürste – aus dem Nasen-Rachenraum abgenommen wird. Man nennt das "Nasopharyngeal-Abstrich". Die Probe wird dann in einer Lösung abgespült, also das Stäbchen rotiert, um das eventuell virushältige Material abzulösen. Dann funktioniert das Ganze wie ein Schwangerschaftstest: Die Flüssigkeit mit der Probe wird auf ein bestimmtes Feld einer Testkassette aufgetropft und zeigt dann innerhalb weniger, meist 15 Minuten, anhand von Farbumschlägen ein Ergebnis. Ein negatives Ergebnis meist in Form einer sichtbaren Linie oder ein positives Ergebnis in Form von zwei sichtbaren Banden.

Lisa Baumgartner
Die ersten Massentests sind absolviert. Dazu fallen mir gleich mehrere Fragen ein. Zunächst einmal, warum Massentests, was bringen sie?

Sabine Enzinger
Massentests sind Antigen-Schnelltests, wie sie im Rahmen der geplanten Massentestungen in Österreich jetzt breit angewendet werden. Und diese sind vor allem dazu geeignet, Personen zu identifizieren, die zum Test-Zeitpunkt eine relativ hohe SARS-CoV-2-Viruslast haben. Damit will man vor allem Menschen aus dem Infektionsgeschehen nehmen, die zwar kaum bis keine Symptome verspüren, aber trotzdem andere anstecken können.

Lisa Baumgartner
Beim Massentest war es so, dass nach einem Schnelltest manchmal noch ein PCR-Test durchgeführt werden musste, warum?

Sabine Enzinger
Wenn sich zum Beispiel in der Spätphase einer Covid-19-Erkrankung nur mehr wenige Viren im Rachen befinden, dann sind es auch zu wenig Proteine, die für einen Nachweis im Antigen-Test notwendig wären. Und solche Personen werden dann als scheinbar negativ erfasst, obwohl sie womöglich weiterhin Virenmaterial ausscheiden und infektiös sind. Ein Schnelltest ist nicht so genau wie eine PCR. Ein Schnelltest kann derzeit eine PCR, die viel sensitiver ist und die sehr niedrige Virenmengen nachweisen kann, nicht ersetzen. Es sollte immer nach einem positiven Schnelltest-Ergebnis eine PCR zur Bestätigung durchgeführt werden.

Lisa Baumgartner
Für den PCR-Test gibt es, wenn ich mich recht erinnere, mehrere Möglichkeiten, um zu Proben zu kommen, Frau Bauer-Rupprecht?

Susanne Bauer-Rupprecht
Das ist richtig und zwar gibt es auch die Gurgel-Methode, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. Studierende und Lehrende der Biomedizinischen Analytik haben im Frühjahr 2020 an der Entwicklung der Gurgel-Methode maßgeblich mitgewirkt, sowohl was die Abnahme der Gurgel-Proben als auch das Pooling der Proben im Labor betrifft. Wir haben Schüler*innen von 11 Wiener Schulen getestet unter dem Motto "Wir gurgeln mit". Da gibt es auch auf YouTube ein schönes Video dazu. In Kooperation mit der Klinik Favoriten und anderen war die Forschungsfrage "Wie viele SARS-CoV-2-Infektionen gibt es unter Kindern?" und die Kolleginnen und Kollegen der Biomedizinischen Analytik, also ungefähr 70 Lehrende und Studierende unserer Fachhochschule, haben an der professionellen Logistik und am sicheren Ablauf der Testungen deutlich mitgewirkt.

Lisa Baumgartner
Wir haben jetzt sehr viel über die Antigen-Tests gesprochen. Für die Antikörper-Tests, also, um nachzuweisen, ob jemand bereits mit dem Virus infiziert war und ob das Immunsystem auf diese Infektion schon mit der Produktion von Antikörpern reagiert hat – heißt es aber: Blut lassen. Was kann eine Biomedizinische Analyse im Blut feststellen?

Sabine Enzinger
Bei den Antikörper-Tests findet man verschiedene Immunglobulin-Klassen. Da gibt es einerseits das Immunglobulin G. Und es ist so, dass bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 innerhalb oder sogar erst am Ende der zweiten Krankheitswoche IgG-spezifische Antikörper nachgewiesen werden können. Und zirka sechs Wochen nach erfolgter Infektion zeigen ca. 94 bis 98 Prozent der Betroffenen IgG-Antikörper. Neuere Studien zeigen, dass einige Patienten oder Patientinnen ihre IgG-Antikörper nach drei bis vier Wochen verlieren. Man muss also den geeigneten Test-Zeitpunkt wählen.

Lisa Baumgartner
Im Blut kann also Immunglobulin G - wie Gustav - nachgewiesen werden. Sie haben davon gesprochen, dass es mehrere Immunglobulin-Klassen gibt. Welche haben denn noch eine Aussagekraft?

Sabine Enzinger
Wichtig ist noch der Nachweis von Immunglobulin M gegen SARS-CoV-2. Und zwar in der Frühphase, circa in der ersten Woche nach Auftreten der Symptome können schon IgM- oder auch IgA-Antikörper im Blut auftreten und somit die Infektion nachgewiesen werden. Anschließend wird, vor allem bei bestehendem akutem Infektionsverdacht, wieder ein Direkt-Nachweis mit PCR empfohlen. Ein IgM-Nachweis dient also einem akuten Infektionsnachweis in Ergänzung zur PCR. Denn bei der PCR fällt die Viruslast bereits wenige Tage nach dem Auftreten der ersten Symptome wieder ab.

Lisa Baumgartner
Die Massentests werden uns noch eine Zeitlang begleiten, die nächsten sollen nach den Feiertagen, also ab dem 8. Jänner stattfinden. Und dann sollen auch möglichst rasch, etwa im Februar sagt die Bundesregierung, Test zur Verfügung stehen, die wir auch selber zu Hause durchführen können. Frau Bauer-Rupprecht, wann wird die Bedeutung von Tests in der Pandemie wieder abnehmen?

Susanne Bauer-Rupprecht
Also aus meiner Sicht werden die Massen-Testungen an Bedeutung verlieren, sobald nachgewiesen ist, dass es einen sicheren Impf-Erfolg gibt. Wenn Impfungen im großen Stile funktionieren und wenn diese Impfungen funktionieren, ein sicheres Impf-Intervall erkennbar ist.

Lisa Baumgartner
Und die Tests, die jeder zuhause selber machen wird können, wie ist da Ihre Fachexpertise?

Susanne Bauer-Rupprecht
Die Proben-Entnahme muss durch entsprechend geschultes Personal erfolgen. Die Selbst-Abnahme von Proben wird durch die Österreichische Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin und klinische Chemie sehr kritisch beurteilt. Zum einen muss die Qualität der Proben-Entnahme stimmen, diese muss unbedingt gewährleistet sein, um falsche Ergebnisse zu vermeiden. Und andererseits ist die eindeutige Identifikation des Patienten-Materials unbedingt notwendig, vor allem, wenn aus den Testergebnissen behördliche Entscheidungen abgeleitet werden. Auch ich als Biomedizinische Analytikerin schließe mich der Österreichischen Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin an und kann dem nur zustimmen.

Lisa Baumgartner
Aber auch abseits der Pandemie ist die Biomedizinische Analytik aus vielen Fachgebieten gar nicht wegzudenken. Haben Sie ein paar Beispiele für mich aus dem "normalen" Alltag?

Susanne Bauer-Rupprecht
Die Fachgebiete sind beispielsweise die Histologie, die Zytologie, die Labor-Basisdiagnostik – jeder Mensch, der in einem Spital untersucht wird, der einmal stationär dort ist, bekommt Labor-Basisbefunde. Weiters in der klinischen Chemie, in der Hämatologie, die Molekularbiologie, die Immunologie. Wer motiviert ist, kann sich als Expertin und Experte weiterentwickeln mit besonders hoher Fachkompetenz in den verschiedenen Bereichen, kann sich spezialisieren und die Verbindung von theoretischem Wissen mit der praktischen Umsetzung ist dann besonders spannend.

Lisa Baumgartner
Haben Sie beide noch eine Message an all diejenigen, die in den nächsten Tagen eine Testung machen müssen oder machen wollen?

Sabine Enzinger
Ja, wir wollen Ihnen mitgeben, dass ein Test immer nur eine Momentaufnahme darstellt.

Susanne Bauer-Rupprecht
Und, dass Schnelltests keine Sicherheit geben, keine hundertprozentige Sicherheit, dass Sie SARS-Cov-2-negativ sind.

Lisa Baumgartner
Vielen Dank, Frau Bauer-Rupprecht und Frau Enzinger für die vielen Ausführungen zu den verschiedenen Testungen. Was wünscht man sich dieser Tage? Negativ bleiben und alles Gute.

Susanne Bauer-Rupprecht
Dankeschön.

Sabine Enzinger
Danke auch.