Hoffnungsträger Impfung gegen das Coronavirus – ein Faktencheck aus biomedizinisch-analytischer Sicht

Startklar für die CoV-Impfung: Von Auswirkungen bis Zulassung

Jeden Tag neue News über die Impfstoffentwicklung. In Großbritannien machte eine Notfallverordnung rasches Impfen möglich und etliche Länder in Europa stehen ebenfalls in den Startlöchern mit ihren Impffahrplänen. Dass es so weit kommen konnte, haben wir unzähligen Wissenschafter*innen zu verdanken, weltweit haben diese in mehr als 200 Forschungsprojekten Impfstoffe entwickelt. Dabei wirken mehrere Disziplinen zusammen, auf diagnostischer Seite leistet die Biomedizinische Analytik einen wichtigen Beitrag. Martina Fondi, Masterlehrgangsleiterin Biomedizinische Analytik an der FH Campus Wien, zu grundsätzlichen Fragen über die CoV-Impfung in Österreich.

17.12.2020

Hoffnungsträger Impfung gegen das Coronavirus – ein Faktencheck aus biomedizinisch-analytischer Sicht.

Lisa Baumgartner
Können Sie sich noch an die ersten Wochen der Pandemie so im Frühjahr 2020 erinnern? Was ist das für ein neuartiges Virus? Wie werden wir das in den Griff bekommen? Das waren so die ersten Fragen. Und jetzt, knapp ein Jahr nach dem Ausbruch, haben Forschungsprojekte viel Licht auf das Corona-Virus geworfen. Für Impfungen sind das mehr als 200 Forschungsprojekte weltweit. In mehreren Ländern wird schon geimpft, in Österreich demnächst. Und vermutlich haben Sie, liebe Zuhörer*innen, auch viele Fragen dazu. Mein Name ist Lisa Baumgartner und an meiner Seite: Martina Fondi, Biomedizinische Analytikerin und Leiterin vom Masterlehrgang Biomedizinische Analytik an unserer FH. Frau Fondi, wir alle wissen, die Biomedizinische Analytik führt die gesamte Virus-Diagnostik bei der Covid-19-Erkrankung durch, Stichwort PCR Test, und ebenso untersucht sie das Vorhandensein von Antikörpern in unserem Immunsystem. Welcher Zusammenhang ist jetzt mit den Impfungen zu sehen?

Martina Fondi
Eine Impfung wirkt wie eine natürliche Infektion und aktiviert unser Immunsystem, damit es einen Eindringling, einen Keim, ein Virus abwehren kann. Diese Abwehr funktioniert auf zwei Ebenen: Zum einen auf der zellulären Ebene, das heißt, Immunzellen attackieren dieses Virus. Und auf der anderen Seite etwas zeitverzögert werden Antikörper, sogenannte neutralisierende Antikörper gebildet, die einen Eindringling, in unserem Fall das Corona-Virus, auch bei einem späteren Eindringen erkennen und bekämpfen können. Eine Impfung suggeriert nun dem Körper die Auseinandersetzung mit einem Feind, also mit einem Eindringling. Und führt zu einem Schutz, der lange andauert.

Lisa Baumgartner
Wenn man sich jetzt die Impfungen anschaut, die verschiedenen Hersteller setzen auf unterschiedliche Methoden. Welche stehen da im Mittelpunkt?

Martina Fondi: Die Forschung und Entwicklung konzentriert sich derzeit auf drei Methoden. Da ist zunächst der Vektorimpfstoff. Dabei werden harmlose und abgeschwächte Viren als Transporter für die Erbinformation des Oberflächenproteins verwendet. Ein Beispiel für einen Vektorimpfstoff ist der Impfstoff gegen das Ebola-Virus, d. h. es ist schon ein bewährter Impfstoff und hat wirklich zu einer Eindämmung von Ebola in Afrika geführt.

Lisa Baumgartner
Das war die erste Methode. Welche weiteren gibt es?

Martina Fondi
Eine zweite Variante wäre der Totimpfstoff. Hier wird ein inaktiviertes Virus verwendet. Wir kennen Totimpfstoffe z.B. bei der Hepatitis Impfung oder bei der Grippeimpfung. Und ein drittes, sehr modernes Verfahren ist der mRNA-Impfstoff. Das bedeutet „messenger RNA“.

Lisa Baumgartner
Diese neuartige Impfung soll ja auch in Österreich zum Zug kommen. Was ist an der mRNA-Impfung denn anders?

Martina Fondi
Diese Impfung ist ein hochmodernes und sehr gutes Verfahren. Von manchen Forscher*innen, wie z.B. Professor Kolleritsch, wird es als die Königsdisziplin bezeichnet. Dabei wird nur jener Abschnitt des Virus herangezogen, eben die RNA, die für die Produktion des Oberflächen-Proteins, des sogenannten Spike-Proteins zuständig ist. Damit diese RNA im Körper stabiler bleibt und eine Immunantwort hervorruft, wird dieser Arena Abschnitt in eine Lipid-Hülle verpackt. Diese Lipid- Hülle ist ähnlich wie die des LDL-Cholesterins, das das Cholesterin im Blut zu unseren Geweben transportiert. Die menschliche Zelle wird also benutzt, um das Spike-Protein des Virus zu produzieren und dann eine Immunantwort hervorzurufen. Ich möchte an dieser Stelle auch mit dem Mythos aufräumen, ob die RNA in unseren Zellen die DNA, also unsere Erbinformation, verändern kann. Das kann absolut verneint werden. Nein, das geht nicht.

Lisa Baumgartner
Ich habe gehört, es sind zwei Impfungen innerhalb von einem kurzen Abstand von Nöten. Warum?

Martina Fondi
Wenn man zweimal in Kontakt mit einem fremden, wir nennen es Antigen, kommt, dann verstärkt das die Immunantwort. Man weiß das von anderen Impfungen und der Grund liegt schlichtweg darin, dass die Immunantwort stärker ausfällt und auch eine höhere Schutzwirkung erzielt wird.

Lisa Baumgartner
Die Wirkung ist das eine. Und andererseits ist ja auch ganz wichtig die Sicherheit. Impfstoffe müssen ja ein Zulassungsverfahren durchlaufen. In Europa ist dafür die European Medicines Agency zuständig. Welche Grundprinzipien müssen Impfstoffe für die Zulassung erfüllen?

Martina Fondi
Zuerst einmal muss gesagt werden, dass auch bei diesen Impfstoffen, die jetzt knapp vor der Zulassung stehen, alle Vorgaben und Prozesse dieselben sind wie bei jedem Impfstoff auch.

Lisa Baumgartner
Also keine verkürzten Phasen, zum Beispiel?

Martina Fondi
Es sind keine verkürzten Phasen, allerdings sind die Phasen ineinander geschoben. Und bevor wir nun auf die Phasen eingehen, möchte ich betonen, dass die Grundprinzipien einer Prüfung Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit sind. Für diese Impfstoffzulassungen wurde äußerste Priorität eingeräumt und daher spielen Ressourcen und Finanzierung in der gegenwärtigen Situation keine Rolle und es wurden simultan alle Ressourcen mobilisiert. Und man muss auch wissen, dass die Forschungen zu RNA-Impfstoffen bereits seit 20 bis 25 Jahren laufen. Also es gibt schon viele Erkenntnisse dazu, die man nützen kann und auf die man sich dann auch stützt. Also diese Prüfverfahren, die normalerweise hintereinander ablaufen, laufen derzeit sehr strikt organisiert und großteils auch parallel ab. Das nennt man "rolling review". Das bedeutet, dass die Daten der Herstellerfirmen zwischendurch und kontinuierlich bei der Behörde eingereicht werden. Und es werden nicht nur die Enddaten, sondern sämtliche Rohdaten und sämtlicher Schriftverkehr bei der Behörde eingereicht. Also so, dass wirklich eine vollkommene Transparenz herrscht und die Behörde inspiziert jeden einzelnen Schritt. Ich möchte auch noch erwähnen, dass die verschiedenen Zulassungsbehörden weltweit miteinander kooperieren, d. h. es werden auch die Erkenntnisse ausgetauscht. Es ist wirklich eine unglaubliche Mobilisierung aller Kräfte, damit wir so rasch wie möglich sehr gute Impfstoffe zur Verfügung haben, um diese Pandemie zu bekämpfen.

Lisa Baumgartner
Sie haben von großer Transparenz beim Zulassungsverfahren gesprochen. Auch die Transparenz, was Nebenwirkungen und Impfreaktionen betrifft, ist wichtig. Was haben wir denn da zu erwarten?

Martina Fondi
Wie Sie schon gesagt haben, bei den Nebenwirkungen haben die Zulassungsbehörden auf höchste Transparenz Wert gelegt. Es gibt mit circa 0,9 Prozent ein sehr geringes Risiko für Nebenwirkungen. Durch die Impfung spürt man in seltenen Fällen die Reaktion des Immunsystems, da dies ein sehr energiefordernder Prozess ist, zeigt sich dies durch Müdigkeit, eventuell Rötung und Schwellung rund um die Einstichstelle. Es können auch leichtes Fieber und Muskelschmerzen auftreten. Wie stark diese Reaktion ausfällt, hängt von vielen individuellen Faktoren ab, wie z.B. Alter oder Konstitution des Immunsystems, körperliche Aktivität und so weiter. In den Vorstudien für die Zulassung des mRNA-Impfstoffes kam es in wirklich sehr wenigen Fällen zu dieser Impfreaktion.

Lisa Baumgartner
Wir kennen das ja auch z.B. von der Grippeimpfung. Selbst, wenn eine Reaktion auftritt, dann dauert es ja meistens nicht lange.

Martina Fondi
Ja, das wurde auch festgestellt. Diese Reaktion ist nach einem Tag abgeklungen. Und eine Reaktion ist auch ein gutes Zeichen, denn es bedeutet, dass das Immunsystem arbeitet und eine stabile Immunabwehr induziert wird.

Lisa Baumgartner
D. h. der Körper macht genau das, was wir von ihm wollen?

Martina Fondi
Richtig.

Lisa Baumgartner
Aktuell schaut der österreichische Impfplan so aus, dass zuerst die älteren Menschen und medizinisches Personal geimpft werden soll. Aber jetzt abgesehen davon, brauche ich einen Test, bevor ich mich impfen lasse? Oder anders gefragt: Wenn ich schon an Covid-19 erkrankt war, dann hat mein Körper schon Antikörper gebildet. Muss ich dann noch impfen gehen?

Martina Fondi
Also, wenn man einen Labor Befund hat, der einem einen guten Antikörper-Status bescheinigt, dann ist eine Impfung nicht nötig.

Lisa Baumgartner
Das heißt, ich bin immer geschützt, wenn ich diese Antikörper schon gebildet habe?

Martina Fondi
Es wäre empfehlenswert, in regelmäßigen Abständen einen Antikörper-Status erheben zu lassen, um zu schauen, wie hoch die Antikörper sind. Man weiß aus Studien, die laufend durchgeführt werden, dass die Antikörper nach einer durchgemachten Infektion lange halten. Wir können natürlich nur den Zeitraum überblicken, in dem wir die Infektion kennen.

Lisa Baumgartner
Angenommen, ich bin zum Zeitpunkt mit Covid-19 infiziert, weiß es vielleicht selber gar nicht, weil ich keine Symptome aufweise. Muss ich das vorher, bevor ich impfen gehe, abchecken?

Martina Fondi
Nein, das ist nicht notwendig. Die Impfung simuliert eine natürliche Infektion und im Fall einer aktuellen Infektion ist das Immunsystem schon aktiviert und wird vielleicht zusätzlich noch weiter aktiviert.

Lisa Baumgartner
Das heißt, die Impfung unterstützt möglicherweise die Krankheitsbekämpfung. Auch, wenn ich sie schon in mir trage, die Krankheit?

Martina Fondi
Ja, davon ist auszugehen.

Lisa Baumgartner
Die Biomedizinische Analytik macht ja auch das Impfmonitoring - hat da einen wesentlichen Beitrag. Was bedeutet das konkret?

Martina Fondi
Das Impfmonitoring ist ein begleitendes Erheben eines Impfstatus. Also bei den Forschungen für die Entwicklung der Impfstoffe wurden bei den Testpersonen in bestimmten Abschnitten Blut abgenommen und es wurde die Antikörperbildung überprüft. Dadurch hat man ein Bild gewonnen, wie stabil die Antikörper im Körper sind. Zukünftig wird es natürlich auch notwendig sein, diese Untersuchungen zum Impfstatus kontinuierlich weiterzuführen. Im Moment spielt aber die Durchführung der Impfung an einer möglichst großen Bevölkerungsgruppe die zentrale Rolle.

Lisa Baumgartner
Welchen Stellenwert hat denn die Impfung Ihrer Ansicht nach im Kampf gegen die Pandemie?

Martina Fondi
Also die Impfung hat einen sehr, sehr hohen Stellenwert, um eben die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Und ich möchte das an einem Beispiel illustrieren.

Lisa Baumgartner
Bitteschön.

Martina Fondi
Stellen Sie sich vor, Sie stellen Kegel auf und wir haben eine Kugel. Diese Kugel repräsentiert das Virus. Ich werfe mit der Kugel zu diesen Kegeln und die Kegel werden umfallen. Das bedeutet übersetzt: Das Virus hat eine Infektion und auch eine Kettenreaktion ausgelöst.

Lisa Baumgartner
Kettenreaktion, wieso?

Martina Fondi
Weil, wenn eine Kugel einen Kegel trifft, so wird dieser Kegel umfallen und wird mehrere Kegel mit sich reißen. Somit haben wir eine Kettenreaktion, die wir auch bei der Verbreitung dieses Virus beobachten können.

Lisa Baumgartner
Und wie wirkt in diesem Beispiel jetzt die Impfung?

Martina Fondi
Wenn ich nun einen Kegel in einen Korb stelle, sagen wir einen Flaschen Korb, und ich werfe wieder mit der Kugel. Dann wird dieser Kegel stehen bleiben. Der Kegel ist geschützt. Dadurch werden auch die Nachbarkegel geschützt sein. Je mehr Kegel ich in einen Korb stelle, also in ein Sicherheitskonzept, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die anderen Kegel geschützt sind.

Lisa Baumgartner
Bedeutet, wir sollen - möglichst viele Menschen zur Impfung gehen?

Martina Fondi
Ja, dieses Prinzip wäre die Herdenimmunität. Und dieses Beispiel zeigt, wie wichtig es ist, dass viele Menschen sich impfen lassen - nicht nur für den eigenen persönlichen Schutz, sondern auch für den Schutz der Gesamtbevölkerung.

Lisa Baumgartner
Dankeschön, Frau Fondi für diese Ausführungen.

Martina Fondi
Sehr gerne.