Kinder fit machen für den Alltag: Ergotherapie in Kindergarten und Schule

Wie Ergotherapie Kindern hilft, zufrieden den Alltag zu bewältigen.

Spielen, Entdecken, Wachsen – manche Kinder brauchen bei der Entwicklung ihrer motorischen, kognitiven oder emotionalen Fähigkeiten Unterstützung. Ergotherapie kann schon im Kindergarten und Schule gezielt fördern. Studierende der FH Campus Wien machen in einer Kooperation Kinder in Kindergarten und Schule fit für den Alltag. Erna Schönthaler vom Studiengang Ergotherapie darüber, wie diese Hilfestellung für Wohlbefinden, Handlungsfähigkeit und Partizipation sorgt.

Datum: 6.9.2022

Kinder fitmachen für den Alltag: Ergotherapie in Kindergarten und Schule 

Lisa Baumgartner
Einen schönen Tag, Lisa Baumgartner begrüßt Sie und ich sage: Danke, dass Sie wieder mal mit dabei sind bei einer neuen Folge von neunmalklug. Wir starten mit der FH Campus Wien mit dem Podcast sozusagen in den Herbst 2022 hinein. Da geht es ja nicht nur an der FH wieder los mit Studieren und Vorlesungen, auch in der Schule starten die Kinder durch und im Kindergarten stellt sich auch so etwas wie, sagen wir einmal, Normalbetrieb ein. Und genau dort, nämlich in Schule und Kindergarten, arbeiten auch Studierende der FH Campus Wien vom Studiengang Ergotherapie. Zu diesem Thema Schulbasierte Ergotherapie spreche ich mit Erna Schönthaler. Sie sind Lehrende und Forschende bei uns an der FH. Herzlich willkommen, Frau Schönthaler. Ergotherapie: Also, viele kennen ja vielleicht Physiotherapie ganz gut, aber Ergotherapie ist möglicherweise ein bisschen weniger bekannt. Frau Schönthaler, wann kommt denn Ergotherapie zum Einsatz?

Erna Schönthaler
Ziel jeder Ergotherapie ist es, dass unsere Klient*innen ihre Alltagsaktivitäten möglichst selbstständig und für sich zufriedenstellend ausführen können. Therapeut*innen fördern motorische, sensorische, kognitiv und sozial emotionale Fähigkeiten der Klient*innen. Aber ganz wichtig ist es, dass unsere Klient*innen auch dann ihren Alltag selbstständig bewältigen können, wenn eine Behinderung, eine Beeinträchtigung vorliegt. Dann kommen andere Strategien und Techniken zum Einsatz oder Hilfsmittel werden eingesetzt, damit Alltagsaktivitäten zu Hause, im Beruf, in der Freizeit gut gelingen.

Lisa Baumgartner
In welchen Fällen kommt denn zum Beispiel Ergotherapie zum Einsatz und kann eben hier förderlich sein?

Erna Schönthaler
Ergotherapeut*innen arbeiten in sehr vielen medizinischen Arbeitsbereichen. Ein sehr großer Bereich ist die Neurologie, das heißt mit Patient*innen nach einem Schlaganfall, nach einem Schädel-Hirn-Trauma, nach einer Querschnittläsion, mit Patient*innen aus dem orthopädischen oder handchirurgischen Bereich, das heißt Patient*innen zum Beispiel mit rheumatischen Erkrankungen oder die eine Hüftendoprothese bekommen haben oder eine Handverletzung hatten. Mit Patient*innen im psychiatrischen Setting, das heißt sowohl im akutpsychiatrischen Setting, im Krankenhaus oder in Langzeitversorgung als auch in Tageseinrichtungen des psychosozialen Dienstes. Ergotherapeut*innen arbeiten auch mit älteren Menschen einerseits um Leute nach, zum Beispiel einen Unfall oder nach einem Spitalsaufenthalt möglichst rasch wieder fit zu werden oder das selbständige Leben zu Hause wieder zu ermöglichen. Und ein großer Bereich ist auch die Ergotherapie mit Kindern.

Lisa Baumgartner
Wenn ich es richtig verstehe, dann betrifft ja Ergotherapie alle Altersgruppen, also von jung bis reif. Bei welchen Problemen können Ergotherapeut*innen Kinder unterstützen?

Erna Schönthaler
Ergotherapeut*innen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, da beginnt die Arbeit schon auf der Station bei neugeborenen Kindern und geht hinauf bis ins Jugendalter, bis zu 18-jährigen Kindern. Ein großer Schwerpunkt oder ganz viele Kinder kommen so im Vorschulalter und Schuleingangsalter zur Ergotherapie.

Lisa Baumgartner
Der Kinderbereich ist sicherlich auch sehr breit gestreut. Welche Kinder finden bei Ergotherapeut*innen eine gute Unterstützung?

Erna Schönthaler
Zur Ergotherapie kann man Kinder mit ganz unterschiedlichen Anliegen. Das sind Kinder mit Koordinationsstörungen, das heißt die Kinder, wie sie jeder von uns vielleicht kennt, die etwas ungeschickt sind. Die, wenn es das Schulische anbelangt, mit dem Stift nicht so gut zurechtkommen, mit Messer und Gabel und den Verschlüssen nicht zurechtkommen und denen das Klettern am Spielplatz nicht so gut gelingt. Aber es sind genauso auch Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen. Ich glaube, der Begriff ADHS ist vielen geläufig, Kinder mit Aufmerksamkeit und Hyperaktivitätsstörungen. Kinder aber auch mit Autismus- Spektrum-Störungen, auch das denke ich, ist bekannt - Kinder, die in der Interaktion Schwierigkeiten haben. Oder auch natürlich Kinder mit körperlichen Beeinträchtigungen aufgrund einer Zerebralparese oder einer anderen Behinderung. Es kommen aber auch Kinder zur Ergotherapie rein aus präventiven Maßnahmen oder, dass Eltern gerne möchten, dass ihre Kinder fitter werden, zum Beispiel. Und manche Ergotherapeuten bieten spezifische Gruppen an vor dem Schuleintritt, dass Kinder gut drauf vorbereitet werden auf das Tun in der Schule. Das heißt, da geht es uns nicht um die Lerninhalte, nicht um den Zahlenraum und Buchstaben, sondern es geht darum, Stift und Bleistift aus dem Federpenal zu nehmen, den Stift führen zu können, dass sich das Kind dann in der Schule darauf konzentrieren kann: Wie schaut denn der Buchstabe aus? Wie ist der Schreibablauf des Buchstabens? Und ich sage immer: Das Werkzeug Bleistift beherrschen. Ein großes Thema ist natürlich auch die Selbstständigkeit im schulischen Alltag. Das heißt, wenn Kinder sich wirklich selbstständig ankleiden können, wenn sie in die Schule kommen, dass das Ankleiden fürs Turnen gut funktioniert.

Lisa Baumgartner
Das Masche binden.

Erna Schönthaler
Ja, das ist ein großes Thema. Ich habe schon mit ganz vielen Kindern am Masche binden gearbeitet. Aber genauso natürlich auch, dass sie ihre Jause auspacken können und ihre Jausenbox öffnen können oder den Strohhalm in ihre Saftpackung stecken können.

Lisa Baumgartner
Das heißt Ergotherapeut*innen sind auch in Bildungseinrichtungen sehr wichtig, haben eine wichtige Funktion.

Erna Schönthaler
Die meisten Ergotherapeut*innen, die mit Kindern arbeiten, arbeiten in einer freien Praxis oder in einem Ambulatorium. Aber, auch die Schule ist ein wichtiger Arbeitsplatz. Ergotherapeut*innen haben an Schulen für Kinder mit Körperbehinderung ganz eine lange Tradition. Das war eines der ersten Arbeitsgebiete der ergotherapeutischen Arbeit mit Kindern. Was neu ist und was wir versuchen weiterzuentwickeln, dass Ergotherapeut*innen auch an Regelschulen oder an inklusiven Schulen arbeiten.

Lisa Baumgartner
Ist diese unterstützende Arbeit in Schulen und auch schon in Kindergärten in Österreich also noch nicht Standard?

Erna Schönthaler
Nein. In Regelschulen und in inklusiven Schulen nicht. Wir wissen, dass es in anderen Ländern, in Amerika, Australien, Kanada eine ganz lange Tradition gibt und Ergotherapeut*innen ganz selbstverständlich zum Schulteam dazugehören. Aber in Österreich noch nicht.

Lisa Baumgartner
Um es jetzt noch einmal zu verdeutlichen: Welche Ziele hat denn die Kindergarten- und Schulbasierte Ergotherapie? Welche Aufgabe erfüllt sie?

Erna Schönthaler
In der Kindergarten- und Schulbasierten Ergotherapie geht es natürlich darum, dass die Kinder ihren schulischen oder ihren Kindergarten-Alltag möglichst selbstständig bewältigen und Ergotherapeut*innen haben damit einen anderen Blick und ergänzende Rolle zum pädagogischen Team. Das heißt, sie sollen dazu beitragen, dass Gesundheit und Wohlbefinden der Kinder zu stärken, Kindern und Jugendlichen größtmögliche Partizipation an allen Betätigungen im Schul- und Kindergartenalltag zu ermöglichen. Das heißt, alle Kinder in der Schule sollen von Ergotherapie profitieren und Ergotherapeut*innen sind ein Teil des Schulteams und arbeiten partnerschaftlich mit allen beteiligten Personen zusammen: den Eltern, den Lehrer*innen und den Kindern. Und Ergotherapeut*innen nehmen da eine ergänzende Rolle ein. Mit dem Blick auf die Tätigkeiten des Schulalltags geht es uns nicht um die Lerninhalte, das ist die Aufgabe der Pädagog*innen, sondern um das Tun der Kinder. Das heißt das Auspacken der Schultasche, das Umgehen mit den Stiften, mit Schere, eine Masche binden zu können, sich ankleiden zu können oder spielen in der Gruppe. Und dieser ergänzende Blick wird sehr geschätzt.

Lisa Baumgartner
Die Studierenden im Bachelorstudium Ergotherapie werden eben genau für dieses Fachgebiet, nämlich der Schulbasierten Ergotherapie, schon ausgebildet. Worauf wird da im Curriculum besonders Wert gelegt?

Erna Schönthaler
Ja, wir versuchen, das neue Themenfeld von Anfang an in der Ausbildung einzubringen. Das heißt, dass Studierende lernen natürlich immer den Alltag von Menschen zu analysieren, Menschen jeglichen Lebensalters, und da nehmen wir vermehrt auch den Kindergarten, den Schulalltag mit hinein. Wirklich, dass Studierende genau wissen, wie läuft das denn ab, welche Betätigungen finden statt und wo könnten Kinder Schwierigkeiten haben? Sie lernen dann im Unterricht die Modelle der Schulbasierten Ergotherapie kennen, weil das andere Herangehensweisen sind als in der Praxis am Ambulatorium, wo ich mit einem einzelnen Kind oder vielleicht einer Kleingruppe von Kindern arbeite. In der Schule haben wir abgestufte Modelle, das heißt, wo versucht wird, mit der ganzen Klasse zu arbeiten im Sinne von Gesundheitsförderung und Prävention, dann Gruppen von Kindern, mit Gruppen von Kindern gearbeitet wird, die vielleicht ähnliche Probleme haben, die mit Stiften noch Schwierigkeiten haben oder mit der Schwere Schwierigkeiten haben. Und nur manche Kinder brauchen einzelne Lösungen. Ich sage jetzt mal, meine Wunschvorstellung wäre, dass in einer typischen Regelschule, wie wir sie in Wien haben, ein*e Ergotherapeut*in einen Tag pro Woche ist. Dann sollen an diesem Tag möglichst viele Kinder davon profitieren. Und das erreichen wir dadurch, dass wir ganz viel versuchen, auf der ersten Stufe abzudecken, dass wir mit allen Kindern arbeiten, zu Ergonomie beizutragen, zum Bewegen in der Klasse beizutragen, aber das Kind auch gutes Herangehen an Arbeitsweisen lernen, dass wir einen Beitrag leisten, dass alle Kinder gute Selbstregulierungsfähigkeiten lernen und dass wir viel Wissenstransfer auch an Lehrer*innen machen, damit das mehr und mehr Alltag für alle wird.

Lisa Baumgartner
Sie haben von Stufe 1 gesprochen. Wie viele Stufen gibt es?

Erna Schönthaler
Die Modelle der Schulbasierten Ergotherapie haben drei Stufen, drei Interventionsstufen. Auf der ersten Stufe versuchen wir für alle Kinder einen Beitrag zu leisten, das heißt im Rahmen der Gesundheitsförderung und Prävention. Da geht es natürlich um physische Gesundheit der Kinder, dass sie gut passende Tische und Sesseln haben, dass für Bewegung zwischendurch gesorgt ist, dass ihre Motorik fit gemacht wird für das Schreiben der Kinder, dass wir auch schauen auf psychische Wohlbefinden der Kinder, dass sie in der Selbstregulation gestärkt werden. Das heißt, da arbeiten Ergotherapeut*innen mit der ganzen Klasse gemeinsam mit der Lehrerin. Oder sie machen auch Coaching und Beratungen für Lehrer*innen oder arbeiten auch mit, wenn es um die Gestaltung von Schulräumen geht. Die zweite Gruppe, da sieht man, wenn man merkt, manche Kinder für dieses noch nicht ausreichend, dann versucht man für eine Gruppe von Kindern spezielle Lösungen zu finden. Das heißt spezifische Interventionen zum Schreiben oder zur Schere zu machen oder zum Anziehen. Und die dritte und letzte Stufe, das ist die, wo es um Lösungen für einzelne Kinder geht. Wenn jetzt zum Beispiel ein Kind mit einer Körperbehinderung einen Haltegriff braucht, oder wenn man mit dem Kind ganz spezifisch erarbeiten muss, wie es lernen kann, bei der Tätigkeit im Alltag zu bleiben.

Lisa Baumgartner
Im sechsten Semester absolvieren die Studierenden ein Praktikum. Die FH Campus Wien hat hier Kooperationspartner*innen, zwei Volksschulen. Wie läuft das ab? Wie läuft dieses Praktikum und die Kooperation ab?

Erna Schönthaler
Ja, dieses Praktikum gibt es seit 2016. Das heißt, ein paar Studierende haben im letzten Semester die Möglichkeit, in ihrer Praktikumszeit, einen Tag pro Woche an dieser jeweiligen Schule zu sein und sind dann für eine oder zwei Klassen zuständig, um dort alle Kinder im Sinne der Schulbasierten Ergotherapie zu unterstützen. Die Studierenden werden natürlich auf dieses Praktikum vorbereitet. Da gibt es einen Vorbereitungstag, wo wir die Themen durchgehen und praktische Übungen machen. Und dann sind sie über elf Wochen einen Tag pro Woche in der Schule.

Lisa Baumgartner
Das ist eigentlich ziemlich lang. Elf Wochen werden da schon richtige Erfolge erzielt?

Erna Schönthaler
Ja, durchaus. In diesen elf Wochen, in den ersten zwei Wochen sind natürlich die Studierenden mehr in der beobachtenden Situation. Das heißt, sie beobachten den schulischen Alltag und schauen, was gelingt gut, wo läuft es nicht so rund? Welche Kinder haben vielleicht Schwierigkeiten? Wir fragen natürlich auch die Lehrer*innen: Was ist ihr Anliegen, was hätten sie gerne? Und ab der dritten Woche geht es in Interventionen. Ja, und nach den elf Wochen können wir Fortschritte sehen und beobachten.

Lisa Baumgartner
Wie ist denn das mit dem Kontakt mit den Eltern? Wie reagieren denn meistens Eltern darauf, wenn sie erfahren, also mein Kind braucht jetzt Unterstützung?

Erna Schönthaler
Da ist es so, dass wir die Eltern informieren über einen Elternbrief, dass die Ergotherapie-Studierenden an der Schule sind. Und wir kriegen sehr positive Rückmeldungen, auch von den Eltern.

Lisa Baumgartner
Was nehmen denn die Studierenden aus diesen elf Wochen mit für ihr Berufsleben, für ihren Berufsalltag?

Erna Schönthaler
Auch wenn die Absolvent*innen nachher vielleicht noch nicht die Möglichkeit haben, in einer Schule zu arbeiten, aber später mit Kindern arbeiten, ist es für sie ganz ein wertvoller Einblick in den Schulalltag, zu wissen, wie läuft es denn wirklich ab? Weil die Erinnerung an die eigene Schulzeit, da hat sich natürlich viel geändert und das ist ein spezifischer Einblick: Wie läuft Alltag ab? Welche Anforderungen haben Kinder, wenn sie in der Früh in die Garderobe kommen, ihren Platz suchen müssen, schauen, wo sie die Schuhe hingeben sollen, danach in die Klasse gehen müssen, Schultasche auspacken, die Hausübungen abgeben, die Arbeitsmaterialien vorbereiten? Das ist ein wertvoller Einblick. Und ich kann auch nur sagen, bei allen Studierenden steigt der Respekt vor der Arbeit der Pädagog*innen enorm, denn sie sehen auch, welchen Herausforderungen Lehrer*innen jeden Tag gegenübergestellt sind.

Lisa Baumgartner
Ja, was sagen denn die Lehrerinnen dazu, warum bestehen die Kooperationen schon so lange Jahre und werden so gut angenommen?

Erna Schönthaler
Das Feedback der Lehrer*innen ist, dass dieser andere Blick auf die Kinder für sie ein sehr wichtiger und ergänzender Blick ist. Das heißt, dass sie manches aus einem anderen Blickwinkel sehen oder vielleicht besser verstehen, manche Schwierigkeiten von Kindern, und auch, dass sie sehr profitieren von den Interventionen. Weil jede Lehrerin weiß, dass Tisch und Sessel passen müssen, aber es ist so viel anderes im Blickfeld und im Aufgabengebiet der Lehrer*innen, dass das manchmal in den Hintergrund gerät. Oder sie sehen zwar vielleicht, dass ein Kind den Stift verkrampft hält, aber sie wissen jetzt auch nicht, welche Varianten an Haltung man erarbeiten könnte. Oder sie wissen, dass Bewegung gut ist, aber es tritt manchmal in den Hintergrund. Oder in den letzten Jahren haben wir noch mehr auf die psychische Gesundheit der Kinder zu achten, auch immer wieder Selbstregulationsstrategien eingeführt, gibt es zum Beispiel ein Bild, so ein Vokabular des Motors, das heißt, mein eigener Motor ist manchmal ganz niedrig, wenn ich müde bin. Er läuft auf guten runden Touren, das ist eine gute Haltung, um arbeiten zu können. Und manchmal ist er auch zu hoch, dann ist man zu angetrieben und zu aufgeregt und es ist keine gute Arbeitsphase. Und, wenn man Kindern das erklärt und Bilder dazu gibt, dass sie Autos und Tiere zuordnen, dann lernen sie auch ihre eigene Regulierung, also ihren eigenen Motor, einzuschätzen. Und wir geben ihnen auch Strategien an die Hand: Okay, was kann ich machen, wenn ich zu angetrieben bin, um in eine andere Regulation, in ein anderes Tempo sozusagen zu kommen?

Lisa Baumgartner
Also wir haben jetzt von motorischen und emotionalen Fähigkeiten gesprochen. Wie schaut es denn mit kognitiven Kompetenzen aus, die die Ergotherapie fördern kann?

Erna Schönthaler
Ein großes Thema ist natürlich die Aufmerksamkeit der Kinder, dass Kinder lernen, ihre Aufmerksamkeit auf die Aktivität jeweils zu lenken, bei der sie dabei sein sollen. Und eine wichtige Sache, die wir auch immer wieder einführen, ist: Wie es eine gute Herangehensweise an Arbeiten? Dass wir Kindern - und das nennt man exekutive Strategien - sozusagen beibringen zu schauen: Okay, bin ich bereit? Wie wir vorhin gerade gesprochen haben, ist mein Motor auf einem guten Level. Sitze ich gut, ist mein Arbeitsplatz gut, weiß ich wirklich, was jetzt zu tun ist? Ich höre genau hin. Ich muss überlegen: Welche Materialien brauche ich den? Habe ich die jetzt alle beisammen? Ich starte meine Aufgaben, versuche dabeizubleiben. Und da geben wir den Kindern manchmal auch so eine zeitliche Einschätzung, nutzen einen Time-Timer, eine spezielle Uhr, die zeigt: Okay, jetzt ist deine Aufgabe, zehn Minuten bei der Aufgabe zu bleiben. Wir stellen die Uhr ein und du kannst sehen, wie die Zeit vergeht. Versuch da wirklich dabei zu bleiben. Und wenn es dann fertig ist, nimm dir Zeit. Kontrolliere noch mal, ob alles gemacht ist, ob alles passt. Und wenn das ist, ja, dann kannst du sagen: Super, gut gemacht. Also diese Herangehensweise und nicht irgendwie unüberlegt und unreflektiert in Sachen hinein zu stolpern. Und wir wissen, in der Schule gibt es immer Kinder, die einen sind schon fast fertig und die anderen haben nicht einmal noch ihre Arbeitsmaterialien hergerichtet.

Lisa Baumgartner
Da gibt es oftmals einen zeitlichen Gap, der überwindet und überbrückt werden muss. Wir haben auch von Sozialkompetenzen gesprochen, die sicherlich bei Schulen mit integrativen Klassen, mit Kindern, mit besonderen Bedürfnissen anders sind als im regulären Unterricht. Wie kann hier die Ergotherapie positive Wirkung hervorrufen?

Erna Schönthaler
Ergotherapeut*innen profitieren dann natürlich einerseits von ihrem medizinischen Hintergrund und auch vom sozialwissenschaftlichen Hintergrund und dem ergotherapeutischen Fachwissen. Dass es manchmal auch darum geht, dann allen Kindern zu erklären, was denn die Behinderung vielleicht eines einzelnen Kindes ist, was das ausmacht und zu schauen, wie kann man dieses Kind gut unterstützen. Und, dass alle Kinder sozusagen lernen, aufeinander zu achten. Aber das wiederum gilt ja für alle Kinder. Da denke ich mir, sollte man keinen Unterschied machen von Kindern mit einer Beeinträchtigung oder Kindern sonst in der Klasse. Ich denke mal, was wichtig ist, wirklich die Diversität der Kinder anzuerkennen und Unterricht so auszurichten, und da kann eben Ergotherapie einen Beitrag leisten, dass Inklusion auch gelingt, dass Unterricht so gestaltet ist für eine große Diversität an Kindern. Von vornherein aus. Und dann braucht es vielleicht noch spezielle Adaptierungen für manche Kinder.