Mission: Gesundheitsversorgung für alle

Da sein für andere und deren Gesundheit – jetzt!

Sie packt es an – ihr großes Ziel Gesundheitsversorgung voranzubringen und für jede*n zugängig machen. Cornelia Feichtinger arbeitet als Pflegeforschende an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und berät und pflegt in einer Praxis unterversorgte und diskriminierte Personen.

Die FH Campus Wien findet: Unsere Absolvent*innen sind einzigartig, ihr Engagement gehört geehrt und bedankt. Dieses Jahr verlieh die FH zum ersten Mal die Future Hero Awards. Cornelia Feichtinger über ihre Motivation, ihren Tatendrang und die Tatsache – sie ist Future Hero.

Datum: 20.12.2022

Mission: Gesundheitsversorgung für alle

Lisa Baumgartner
Dezember 2022. Schön, dass Sie wieder vorbei hören bei neunmalklug. Ich bin Lisa Baumgartner, Mitarbeiterin der FH Campus Wien, und ich möchte auch heute wieder Ihnen eine ganz besondere Interviewpartnerin vorstellen. Sie ist eine unserer Absolventinnen. Eine Frau mit unwahrscheinlicher Power und Tatendrang und mit dem Ziel, die Welt ein Stück weit besser zu machen. Sie arbeitet im Themenfeld Gesundheits- und Krankenpflege und ist einer der Future Heroes unserer FH. Aber lassen wir doch meine Interviewpartnerin selbst zu Wort kommen.

Einspielung Cornelia Feichtinger
Mein Name ist Cornelia Feichtinger, ich bin Gesundheits- und Krankenpflegerin und ich arbeite hier an der FH Campus Wien am Kompetenzzentrum für Angewandte Pflegeforschung.

Lisa Baumgartner
So haben viele Cornelia Feichtinger zum Ersten Mal gehört. Das ist ein Ausschnitt aus deinem Video, mit dem du dich zum Voting beim Future Hero Award vorgestellt hast. Hallo Cornelia und Dankeschön für deine Zeit!

Cornelia Feichtinger
Hallo!

Lisa Baumgartner
Gesundheits- und Krankenpflege, das hast du uns selbst verraten, ist dein Fachgebiet. Das hast du hier an der FH studiert. Aber nicht nur Gesundheits- und Krankenpflege, nicht wahr?

Cornelia Feichtinger
Genau. Ich bin eigentlich über Umwege zur Gesundheits- und Krankenpflege gekommen. Zuerst habe ich an der FH Campus Wien Radiologietechnologie studiert. Auch ein wunderbarer Beruf. Dann hat mich das Leben aber nach Bolivien geführt und dort habe ich die Inspiration bekommen, wieder nach Österreich zurückzukommen und hier an der FH Campus Wien Gesundheits- und Krankenpflege zu studieren.

Lisa Baumgartner
Das heißt, du hast noch nicht zu früh gewusst, dass jetzt Gesundheits- und Krankenpflege deine Ausrichtung ist? Gesundheit aber in jedem Fall?

Cornelia Feichtinger
Gesundheit in jedem Fall. Gesundheits- und Krankenpflege war wirklich ein Zufall. Ich war in Bolivien in einem Kinderdorf, wo es immer wenig Ressourcen gibt. Ich konnte auch dort in der Klinik, die direkt im Kinderdorf ist, ein bisschen mithelfen. Und dort war eine tolle Gesundheits- und Krankenpflegerin aus den Niederlanden, die mich dort vor Ort für die Gesundheits- und Krankenpflege motiviert und inspiriert hat.

Lisa Baumgartner
Vielleicht noch ein bisschen zu Bolivien. Welche Eindrücke hast du da besonders nach Österreich mitgenommen?

Cornelia Feichtinger
Es war eine unglaublich bereichernde Zeit. Ich war dort in einem Kinderdorf, wo es um sozial arme Kinder geht. Es geht es um Sozialwaise, also es geht um Kinder, die vielleicht einen Elternteil verloren haben, die in ökonomisch schwachen Umgebungen aufwachsen, die vielleicht vernachlässigt wurden, die Gewalt erfahren haben. Es ist ein wunderschönes Land mit viel Potenzial, aber es gibt viele Menschen, die in sehr großer Armut leben.

Lisa Baumgartner
Zurück in Österreich bist du heute an der FH Campus Wien als Forschende tätig im Kompetenzzentrum für Angewandte Pflegeforschung. Woran arbeitest du da beispielsweise?

Cornelia Feichtinger
Im Moment arbeite ich an einem sehr wichtigen Projekt für die Gesundheits- und Krankenpflege. Es gibt jetzt in Österreich ein neues Pilotprojekt, das sogenannte Community Nursing Projekt. Das heißt, es gibt ein neues Handlungsfeld für die Gesundheits- und Krankenpflege direkt in den Gemeinden. Es geht um Prävention, um Gesundheitsförderung, um mehr Verantwortung der Pflegenden. Es werden das erste Mal in Österreich auch aufsuchende Hausbesuche gemacht. Und das übergeordnete Ziel dieses Projekt ist es, dieses Projekt in die Regelfinanzierung überzuführen. Das heißt, dass in ganz Österreich, in jeder Gemeinde, in jedem Bezirk, in jedem Grätzl die Menschen durch eine Community Nurse versorgt werden.

Lisa Baumgartner
Was hat die Community Nurse für Aufgaben? Was habe ich als Teil der Bevölkerung davon?

Cornelia Feichtinger
Also, sie macht zum Beispiel Netzwerkarbeit. Also in Österreich gibt es sehr viele Angebote, die aber vielleicht nicht bekannt sind. Also sie macht eine Netzwerkanalyse im Grätzl, in der Gemeinde, in der sie zuständig ist, in der sie arbeitet, und macht dann aufsuchende Hausbesuche. In diesem Fall im Pilotprojekt bei älteren Menschen, in Zukunft hoffentlich bei allen, auch bei Familien, bei jüngeren Menschen, bei jungen Familien, um den Bedarf zu erheben, den vielleicht die Menschen selbst gar nicht erkennen. So kann sie die Menschen zu schon bestehenden Angeboten zusammenführen. Sie kann gesundheitsfördernde Maßnahmen einleiten. Sie können zum Beispiel auch Gesundheitsworkshops anbieten in den Gemeinden. Sie können auch Pflegedienste mit den Menschen verbinden und so einen wichtigen Beitrag zur allgemeinen Gesundheit beitragen.

Lisa Baumgartner
Einen wichtigen Beitrag zur allgemeinen Gesundheit trägst du auch bei. Hauptberuflich bist du ja im Einsatz als Gesundheits- und Krankenpflegerin - und zwar mit vollem Einsatz. Man findet dich im sechsten Bezirk in einer Praxis und dort kümmerst du dich um die bio-psycho-soziale Gesundheit der Patient*innen. Was heißt das konkret?

Cornelia Feichtinger
Also im Gegensatz zum biomedizinischen Modell geht es hier nicht nur um die körperliche Gesundheit. Beim bio-psycho-sozialen Konzept geht es wirklich auch um die psychische Gesundheit und die soziale Gesundheit. Daher ist es besonders wichtig, dass wir nicht nur ein Team aus Ärzten, Ärztinnen, Gesundheits- und Krankenpfleger*innen sind, sondern auch gemeinsam zusammenarbeiten mit Sozialarbeit, Psycholog*innen, Psychotherapeut*innen.

Lisa Baumgartner
Ist eure Praxis für jedermann offen? Wer kommt denn zu euch in den sechsten Bezirk?

Cornelia Feichtinger
Wir sind derzeit eine allgemeinmedizinische Praxis und streben dahin, dass wir eine Primärversorgungseinheit werden. Das heißt, wir sind für jeden/jede offen. Zusätzlich zu den allgemeinen medizinischen Problematiken, wie auch zum Beispiel Diabetes mellitus, haben wir gewisse Spezialisierungen. Also, wir sind spezialisiert auf HIV Infektion, auf Menschen mit Substitutionstherapie und auf Transgendermedizin.

Lisa Baumgartner
Wie schaut es denn generell mit der Gesundheitsversorgung für spezielle Bevölkerungsgruppen aus?

Cornelia Feichtinger
Also die Gruppen, die ich es genannt habe, sind leider in der Gesundheitsversorgung sehr marginalisiert. Es herrscht auch noch hohe Stigmatisierung und Diskriminierung, vor allem von Menschen mit einer HIV Infektion, aber auch mit Menschen mit einer Opioid-Substitutionstherapie.

Lisa Baumgartner
Du verknüpfst sozusagen in deinem Berufsleben die Forschung und die Praxis. Warum ist es so wichtig?

Cornelia Feichtinger
Es ist so wichtig, dass die Forschung und Forschungsergebnisse in die Pflege einfließen, damit wir eine hohe Qualität an Pflege erreichen, die sich auch an Forschungsergebnissen orientiert.

Lisa Baumgartner
In deinem ganzen Berufsleben ist ein sehr starker sozialer Gedanken verankert. Wann bist du darauf gestoßen, dass du in diesem Bereich tätig sein möchtest.

Cornelia Feichtinger
Also ich wurde auf jeden Fall durch meine Eltern geprägt. Auch meine Mutter hat schon im SOS Kinderdorf gearbeitet. Aber natürlich, Bolivien war die prägendste Zeit.

Lisa Baumgartner
Die FH Campus Wien hat heuer erstmals die Future Hero Awards vergeben - bedankt sich und würdigt also die Absolventinnen, die Bemerkenswertes leisten. Woher kommt die Power für deinen Einsatz? Was ist dir wichtig? Das möchte ich jetzt in einem kleinen Wordrap mit dir ein bisserl durchleuchten. Starten wir los:

Sprecher: Schnell gefragt - der Wordrap.

Lisa Baumgartner
Deine herausragendste Eigenschaft ist...

Cornelia Feichtinger
…Beständigkeit.

Lisa Baumgartner
Ein guter Tag beginnt für dich mit...

Cornelia Feichtinger
…Sport und einem guten Frühstück.

Lisa Baumgartner
Im Studium war für dich am Feinsten...

Cornelia Feichtinger
…die hervorragenden, inspirierenden Vortragenden.

Lisa Baumgartner
Am meisten liebe ich an meinem Beruf...

Cornelia Feichtinger
…die Begegnungen mit so vielen Menschen.

Lisa Baumgartner
Verzichten könnte ich im Beruf auf...

Cornelia Feichtinger
…die viele Bürokratie.

Lisa Baumgartner
An der FH Campus Wien bin ich am liebsten...

Cornelia Feichtinger
…in meinem ehemaligen Büro mit Blick auf den Schneeberg.

Lisa Baumgartner
Das war ein besonderer Augenblick im Berufsleben...

Cornelia Feichtinger
…als ich einer meiner Patientinnen, sie war schwanger und HIV positiv, in die U-Haft Medikamente gebracht habe. Sie wurde nämlich am selben Tag noch abgeschoben und eine Versorgung war nicht sichergestellt bis zum Ende der Schwangerschaft.

Lisa Baumgartner
Womit kann man dir eine Freude machen?

Cornelia Feichtinger
Mit einem guten, inspirierenden Gespräch ohne Unterbrechungen.

Lisa Baumgartner
Das gibt mir echte Motivation...

Cornelia Feichtinger
…erfolgreiche Projekte und dankbare Patientinnen.

Lisa Baumgartner
Auftanken kann ich am besten...

Cornelia Feichtinger
…in der Natur.

Lisa Baumgartner
Wer ist denn dein persönlicher Hero?

Cornelia Feichtinger
Elisabeth Haslinger-Baumann.

Lisa Baumgartner
Jetzt muss ich nachfragen, warum?

Cornelia Feichtinger
Weil sie eine außerordentliche, inspirierende Frau ist, die sich wirklich eingesetzt hat für die Pflegeforschung hier an der FH Campus Wien. Und es wirklich geschafft hat, innerhalb von kürzester Zeit aus dem Nichts das erfolgreichste Kompetenzzentrum dieser FH zu machen.

Lisa Baumgartner
Zur Erklärung für unsere Zuhörenden: Elisabeth Haslinger-Baumann hat eben das Kompetenzzentrum für angewandte Pflegeforschung hier an der FH Campus Wien mit aufgebaut, geleitet und ist jetzt Vizedirektorin für Forschung und Entwicklung.

Lisa Baumgartner
Worauf kommt's für dich im Leben an?

Cornelia Feichtinger
Dass ich so sein kann, wie ich bin.

Lisa Baumgartner
Meine Mission ist erfüllt, wenn...

Cornelia Feichtinger
…der Beruf der Gesundheits- und Krankenpflege und die Pflegewissenschaft in der Gesellschaft den Stellenwert erreicht hat, den sie verdient hat.

Lisa Baumgartner
Gesundheits und Krankenpflege, es fehlt ja in diesem Bereich an Fachkräften. Was wünscht du dir denn für das Berufsfeld?

Cornelia Feichtinger
Ja, ich wünsche mir vor allem viel positive Werbung. Derzeit herrscht eher ein negatives Bild. Es wird viel berichtet über Mangel, über zu wenig Personal. Die FH schafft es, dass genug Ausbildungsplätze da sind. Leider kann die Praxis diese gut ausgebildeten Pflegekräfte oft nicht halten. Also die durchschnittliche Verweildauer im Beruf sind drei Jahre. Daher wünsche ich mir Rahmenbedingungen, die diese gut ausgebildeten Pflegekräfte halten und eben neue Handlungsfelder wie zum Beispiel Community Nurses, wo auch gut ausgebildete Gesundheits und Krankenpfleger*innen mit zum Beispiel einer zusätzlichen Ausbildung auf Maste- Niveau ein neues Handlungsfeld haben.

Lisa Baumgartner
Was sind denn deine Empfehlungen? Welche Rahmenbedingungen wären für dich ein absolutes Must?

Cornelia Feichtinger
Rahmenbedingungen, die unbedingt erforderlich sind, sind verschiedene Arbeitszeitmodelle. Wir leben in einer Welt, in der Work-Life-Balance auch wichtig ist. We wir wissen 80 % der Gesundheits- und Krankenpfleger*innen sind Frauen, die immer noch die größte Arbeit in der Familie machen mit Kinderbetreuung. Also es muss gut Familie und Beruf vereinbar sein. Am besten wäre natürlich, wie zum Beispiel in den Niederlanden, wo eine Gesundheits- und Krankenpflegerin, die 32 Stunden arbeitet, Vollzeit bezahlt wird, weil es eben zu einem sehr erschwerlichen Beruf zählt. Weiters natürlich ein gutes Gehalt, den Umständen entsprechend und der Ausbildung vor allem auch entsprechend. Aber am wichtigsten ist, dass wir zum Beispiel neue Handlungsfelder haben, wo wir wirklich die Ausbildungen, die wir haben, einsetzen können.

Lisa Baumgartner
Ich habe gesehen, auf der Website der Team Praxis Wien steht unter deinem Namen, dass du Future Hero-Gewinnerin bist. Was haben denn deine Kolleg*innen in der Praxis gesagt, als du ihnen von der Auszeichnung erzählt hast?

Cornelia Feichtinger
Ja, ich habe meine Kolleg*innen nicht nur in der Praxis, sondern auch in der FH sind ein wichtiger Teil dieses Erfolgs. Also, sie haben es nicht erst danach erfahren, sondern sie waren auch wichtiger Teil. Eine Kollegin hat mich nominiert für einen Award und alle meine Kolleg*innen hier an der FH und in der Teampraxis haben mich von Anfang an unterstützt und auch für mich gevotet. Und das zeigt, dass es so wichtig ist, dass wir als Gesundheits- und Krankenpfleger*innen zusammenhalten, denn so können wir alle schaffen. Also ich hatte volle Unterstützung von Anfang an.

Lisa Baumgartner
Das, was du jetzt leistest, ist ausgezeichnet worden, es ist wirklich bemerkenswert. Was hast du dir denn für die Zukunft vorgenommen?

Cornelia Feichtinger
Derzeit, im Rahmen des Community Nursing Projekts mache ich meiner Dissertation an der MedUni Wien, am Zentrum für Public Health. Das ist mein nächstes großes Ziel. Und in der Teampraxis möchten wir bis 2025 eine Primärversorgungseinheit ausbauen. Das heißt längere Öffnungszeiten, noch niederschwelligeres, besseres, größeres Angebot für marginalisierte Personen.

Lisa Baumgartner
Alles Gute dafür.

Cornelia Feichtinger
Vielen Dank.