Mit Druck helfen: Forschung ohne Tierleid

Wie die Leidenschaft für Forschung und der Wille, Gutes zu tun, für alle hilfreich sind.

Für Matthias Vostatek war schon früh klar, er möchte etwas bewirken. Nachhaltig. Im Fokus stehen Tier und Mensch, denn alle sollen von innovativen Technologien profitieren. Der Wunsch nach tierfreier Forschung brachte den Absolventen des Masterstudiums Molecular Biotechnology ins Forschungsfeld 3D-Bioprinting, um Organe aus Zellen drucken und kultivieren zu können. Internationale Erfahrung an der Harvard Medical School durch eine Austrian Marshall Plan Foundation Scholarship, PhD-Studium an der MedUni Wien – jede Karrierestation ist geprägt vom Wunsch nach nachhaltiger Veränderung und Verbesserung zum Wohle aller.

Der Future Hero Award von der FH Campus Wien stellt solch Engagement gerne ins Rampenlicht und sendet gleichzeitig eine große Dankesbotschaft an Zukunftshelden wie Matthias Vostatek.

Datum: 15.2.2023

Mit Druck helfen: Forschung ohne Tierleid

Lisa Baumgartner
Die Vision von Forschung ohne Tierversuche und das Versprechen, nichts unversucht zu lassen, um diese Vision Realität werden zu lassen. Damit stellte sich mein heutiger neunmalklug-Gast vor, und zwar beim Voting zum Future Hero Award. Diese Auszeichnung verleiht die FH Campus Wien Absolvent*innen, die Besonderes leisten. Ein paar Monate später hast du, Matthias Vostatek, die Auszeichnung übergeben bekommen. Du bist also einer der Future Heroes der FH Campus Wien 2022. Bevor wir klären, wie du Tierleid reduzierst und als Forscher tätig bist - Stichwort 3D Bioprinting, sage ich noch meinen Namen: Ich bin Lisa Baumgartner. Ein herzliches Willkommen an alle bei neunmalklug! Matthias, deine Leidenschaft für die Forschung hat dich an die FH Campus Wien ins Masterstudium Molekulare Biotechnologie gebracht, oder war es umgekehrt? Hat das Studium dein Interesse für die Forschung noch mehr geweckt?

Matthias Vostatek
Erstmals vielen Dank für die Einladung. Meine Leidenschaft für die Forschung hat schon um einiges früher als in meinem Masterstudium hier an der FH Campus Wien begonnen. Eigentlich schon im Kindesalter mit dem Hinterfragen, warum Sachen sind, wie sie sind, und wie Dinge funktionieren. Das ist im Kindesalter, nehme ich zumindest an, ganz normal. Der Unterschied ist, dass ich diese Neugierde jedoch nicht verloren habe und noch immer stets herausfinden will, wie Dinge ablaufen. Um diese Neugierde zu stillen und da mich im Gymnasium das Fach Chemie besonders interessiert hat, habe ich bereits in meiner Jugend die Chemie-HTL Rosensteingasse im Bereich Biochemie und Molekulare Biotechnologie besucht. Da mir dann noch immer nicht der Wissensdurst gestillt war, folgten dann noch ein Bachelor in Medical and Pharmaceuticals Biotechnology an der IMC FH Krems und ein Masterstudium hier an der FH Campus Wien in Molecular Biotechnology.

Lisa Baumgartner
Was ist denn dein Hauptziel, das du ja sehr intensiv verfolgst? Was möchtest du bewirken mit innovativer Forschung?

Matthias Vostatek
Ja, also mein Hauptziel ist, Mensch- und Tierleid, soweit es in meiner Macht ist, zu reduzieren. Als Nebenziel versuche ich auch immer meine Neugierde und meine Wissbegierde zu stillen.

Lisa Baumgartner
Was hat denn da im Masterstudium dir den größten Kick gegeben?

Matthias Vostatek
Also ich würde sagen, abgesehen von meinem Masterpraktikum haben mir besonders die Laborkurse den meisten Kick gegeben. Und ich denke, dass die praktische Erfahrung, die man im Labor an der FH bekommt, es von den anderen Studiengängen absetzt.

Lisa Baumgartner
Das Thema Tierversuche liegt dir sehr am Herzen. Wann bist du das erste Mal damit konfrontiert gewesen?

Matthias Vostatek
Also, ich war eigentlich von klein auf ein tierliebender Mensch und möchte keine Tiere leiden sehen, so wie die meisten eigentlich. Jedoch habe ich in meiner Ausbildung immer wieder gemerkt, dass Tierversuche ein notwendiges Übel sind und in der Forschung nicht wegzudenken. Während meines Bachelorstudiums hingegen kam ich in den Kontakt mit Forschungsgruppen, die sich mit Organ-on-a-Chip beschäftigen, die eine Alternative zu den herkömmlichen Tierversuchen darstellen.

Lisa Baumgartner
Wir sind so der Status quo. Heute, sind Tierversuche für die Forschung nötig oder gibt es jetzt immer mehr Alternativen?

Matthias Vostatek
Der Status quo ist leider, dass Tierversuche noch immer ein notwendiges Übel sind. Denn ohne Tierversuche könnten Medikamente nicht sicher zur Verfügung gestellt werden. Und bis dato sind Tierversuche auch gesetzlich vorgeschrieben vor dem Einführen von Medikamenten. Was hierzu zu sagen ist, ist, dass es jedoch Vorversuche-Alternativen gibt, um eine Art Vorauswahl treffen zu können, welche Medikamente es überhaupt zu dem Schritt des Tierversuches schaffen. Diese sind zum Beispiel Zellkulturen, mittlerweile auch mit Organoiden, die sogenannten Organ-on-a-Chip. In der Forschung versucht man deshalb immer nach dem drei R- Prinzip zu handeln. Die drei R sind: Reduce, Replace und Refine. Reduce: so viele Versuchstiere wie notwendig, aber so wenige wie möglich. Replace: das Ersetzen von Tierversuchen mit anderen Methoden, wo anwendbar. Refine: die Belastung der Versuchstiere, wie zum Beispiel Schmerzen auf ein Minimum zu reduzieren.

Lisa Baumgartner
Du hast vorhin eine Alternative genannt. Wie heißt die? Und kannst du das ein bisschen erklären?

Matthias Vostatek
Die Alternative heißt Organ-on-a-Chip. Das Prinzip ist, ein Organ zu nehmen und auf seine elementarsten Teilchen herunterzubrechen. Da gibt es zum Beispiel Organ-on-a-Chip mit lang, ohne lung-on-a-chip, also die Lunge, welches einfach aus zwei Compartments besteht. Eines ist die Blutseite, eines ist die Luftseite mit einer Membran dazwischen, die mit Zellen besiedelt ist. Wo man dann zum Beispiel auf der Luftseite ein Medikament einführen könnte wie einen Asthmaspray und dann auf der Blutseite erkennen könnte, welches in den Blutkreislauf gelangt.

Lisa Baumgartner
Momentan beschäftigst du dich ja auch mit einer besonderen Art von Versuchen, mit einer besonderen Art von Forschung: mit 3D Druck. Erzähl uns darüber ein bisschen.

Matthias Vostatek
Ok. Heutzutage arbeite ich im Bereich 3D Druck von Knochenimplantaten, wobei ich auch in meiner Masterarbeit schon mit dem 3D Druck gearbeitet habe. Hierbei ging es um den 3D Druck von einem Organ-on-a-Chip, in diesem Fall von einer Gallenblasengang Organ-on-a-Chip sozusagen, für eine Alternative von Medikamentenversuchen für den Gallengang zum Beispiel.

Lisa Baumgartner
Momentan ist dein Themengebiet glaube ich nicht die Gallenblase, sondern Knochen. Ist das korrekt?

Matthias Vostatek
Das ist korrekt.

Lisa Baumgartner
Wie weit ist da die Forschung? Welche Implantate können denn tatsächlich ersetzt werden?

Matthias Vostatek
Also, ich habe mich da ein bisschen schlau gemacht. Und Implantate gibt es ja bereits seit vielen, vielen Jahren, wie zum Beispiel Zahnimplantate von den Mayas aus dem achten Jahrhundert oder 1890 Knieprothesen aus Elfenbein. Das heißt, Implantate sind in der Hinsicht ja keine Neuheit, aber über die Jahre wird immer wieder geforscht, um diese Implantate zu verbessern, um dem Menschen mehr Lebensqualität bieten zu können. Nun sind wir in einem Zeitalter angekommen, wo auch der 3D Druck in der Implantologie zum Einsatz kommt, wie zum Beispiel bei Zahnimplantaten oder Knieprothesen. Hier ist nun der entscheidende Vorteil, dass diese individuell an den Patienten angepasst werden können. An was wir natürlich zu allererst denken, wenn wir an Implantate aus dem 3D Druck denken, sind zum Beispiel Herzen aus eigenen Zellen, wie wir es so oft in Filmen und Fernsehserien sehen. Hiervon sind wir aber leider noch ein sehr weites Stück entfernt.

Lisa Baumgartner
Das ist nicht Realität?

Matthias Vostatek
Das ist nicht Realität.

Lisa Baumgartner
Und was ist jetzt schon Wirklichkeit? Was wird schon eingesetzt?

Matthias Vostatek
Also, Zahnimplantate und Kieferprothesen werden schon aus dem 3D Drucker teilweise gefertigt, würde ich sagen.

Lisa Baumgartner
Lisa Baumgartner im Gespräch mit.

Matthias Vostatek
Hallo, ich bin Matthias Vostatek und ich bin einer der Preisträger des Future Hero Award 2022.

Lisa Baumgartner
Du hast ja auch in den USA Erfahrungen gesammelt in der Forschung. Und zwar warst du dank eines Stipendiums der Austrian Marshall Plan Foundation an der Harvard Medical School. Was hast du denn dabei erlebt? Wie sehr hat das deinen Horizont erweitert?

Matthias Vostatek
Ja, ich habe bereits meine ersten Erfahrungen mit Organ-on-a-Chip in meinem Bachelorstudium sammeln können, aber ich konnte während meiner Zeit in Boston jedoch noch einiges in diesem Feld dazulernen. Denn, hier kam ich eigentlich zum ersten Mal in Kontakt mit dem 3D Druck in der medizinischen Forschung, da wir diese Organ-on-a-Chip mittels 3D Drucker drucken wollten. Ich muss sagen, ich hatte natürlich nicht das einfachste Masterpraktikum, so wie die meisten in den letzten drei Jahren, da ich meine Reise im Februar 2020 angetreten bin.

Lisa Baumgartner
Ich ahne es, Corona-Pandemie...

Matthias Vostatek
Genau, und kurz darauf wieder nach Hause musste und erst ein paar Monate später mein Praktikum wieder in Boston beenden konnte. Jedoch hat es meinen Horizont sicher um einiges erweitert und ich kann auch allen Studierenden ein Praktikum im Ausland ans Herz legen. Da es immer eine Bereicherung ist, neue Kulturen kennenzulernen und einen auch ein wenig unabhängiger macht, würde ich sagen.

Lisa Baumgartner
Zurück in Österreich aus Boston hast du dann deinen Masterabschluss gemacht und auch sehr schnell eine geeignete PhD-Stelle gefunden. Du hast uns schon erzählt, du absolvierst nun das Doktoratsstudium an der Medizinischen Universität Wien. Geht es hier auch um Bioprinting?

Matthias Vostatek
Ja, einen Monat nach dem Ende meines Masters habe ich bereits mein Doktorat an der Medizinischen Universität Wien angefangen. Meine Forschung beschäftigt sich mit dem Thema 3D Druck und Knochenimplantate, wie wir bereits erwähnt haben. Hier würde ich jedoch nicht von Bioprinting sprechen, da in dem 3D Druckverfahren keine Zellen mit eingebunden sind. Mein Fokus liegt im Verbessern von Knochenimplantaten mittels Oberflächenstrukturen. Hierfür drucke ich mit einem Zwei- Photonen-Polymerisationsdrucker Strukturen in Mikro-Nano- Bereich, also sehr, sehr kleine Strukturen und versuche dann herauszufinden, welchen Einfluss diese Oberflächenstrukturen auf Zellen haben bezüglich der Anheftung, der Proliferation und dergleichen, um quasi die Knochenimplantaten mit unserem eigenen Gewebe zu verbinden, so dass sie gut osteo-integriert sind, heißt es, verbunden mit noch vorhandenen Knochen, mit dem Ziel im Blick das Wohl des Patienten zu verbessern. Aber da meine Gruppe nicht nur aus mir besteht, bekomme ich auch gewisse Einblicke in andere Bereiche und Forschungsarbeiten, die sich auch mit Bio-Printing an sich beschäftigen, das Drucken mit Zellen.

Lisa Baumgartner
So zur Erinnerung für mich: Wie viele Knochen hat denn der Mensch?

Matthias Vostatek
Ich bin mir ziemlich sicher, es sind 206, aber ich hatte noch nicht die Gelegenheit jeden einzelnen Knochen mit dem 3D Drucker drucken zu können.

Lisa Baumgartner
Generell ist ja die Frage: Knochengewebe kann sich doch selbst heilen. Also, wenn ich jetzt an einen Knochenbruch zum Beispiel denke, dann verbinden sich ja hoffentlich, wenn es ein glatter Bruch ist, die zwei Knochenteile miteinander. Warum bedarf es dann eines künstlichen Implantates?

Matthias Vostatek
Ja, das stimmt. Knochenbrüche heilen meist von alleine. Jedoch, wenn man sich das Hüftgelenk oder den Kieferknochen als Beispiel nimmt, dann gibt es gewisse Schädigungen, die solche künstlichen Implantate notwendig machen. Dies können zum Beispiel Tumore, Knochenabbau, schwere Verletzungen oder auch angeborene Fehlstellungen sein. Die Forschung, um Implantate voranzubringen, ist daher essenziell, um dem Patienten die bestmögliche Heilungschancen und Lebensqualität bieten zu können.

Lisa Baumgartner
Die Leidenschaft für Forschung teilst du ja auch mit jemand anderen. Wer ist denn stets an deiner Seite?

Matthias Vostatek
Ja, das ist meine Frau Raphaela, der ich diesen Award auch zu verdanken habe, da sie mich angemeldet hat und immer unterstützt. Wir haben uns 2009 bereits kennengelernt in der HTL Rosensteingasse und lieben gelernt. Und mit ihr gemeinsam habe ich auch das Bachelor- und Masterstudium abgeschlossen. Während unseres Masterstudiums hier an der FH Campus Wien haben wir dann auch 2019 geheiratet und auch sie hat zum selben Zeitpunkt wie ich ein Doktorat an der Medizinischen Universität Wien begonnen. Um ehrlich zu sein, ohne sie hätte ich es auch nicht bis hierhin geschafft. Nicht, dass ich nicht das Potenzial dazu gehabt hätte, aber sie hat es nach außen gebracht, mich immer in den Allerwertesten getreten, wenn notwendig, da ich manchmal alles auf den letzten Drücker mache. Und dazu hat sie mich immer unterstützt und an mich geglaubt. Es ist schön, jemanden zu haben, mit dem man seine berufliche Leidenschaft oder Mission teilen kann.

Lisa Baumgartner
Dann bedanke ich mich jetzt bei Raphaela dafür, dass sie dich nominiert hat. Und ich glaube, sie hat auch mitgewirkt, das Vorstellungsvideo mit dir zu drehen.

Matthias Vostatek
Eine sehr große Hilfe während des Vorstellungsvideos. Sie war die Kamerafrau und hat mir beim Schneiden geholfen und dergleichen.

Lisa Baumgartner
Und wie groß war dann die Freude von ihr, dass du tatsächlich auch einer der Future Heroes geworden bist?

Matthias Vostatek
Ich glaube, ihre Freude war größer und bei mir etwas mehr die Angst.

Lisa Baumgartner
Die Angst? Wieso?

Matthias Vostatek
Ja, ich bin jemand, der nicht gerne im Mittelpunkt steht, nicht gerne im Rampenlicht. Ja. Fällt mir meistens ein bisschen schwer, aber umso mehr danke ich Raphaela, dass sie mich ein bisschen aus meiner Schale rausholt.

Lisa Baumgartner
Wir haben ja gerade jetzt den Jahresbeginn hinter uns gebracht. Was hast du denn du dir beruflich vorgenommen für dieses Jahr oder auch für die nächsten paar Jahre?

Matthias Vostatek
Ja, das Jahr ist jetzt noch jung und ich hoffe für dieses Jahr, dass ich noch einige Ergebnisse mit meiner Forschung erzielen kann und somit fast zeitgerecht Ende nächstes Jahr mit meinem Doktor fertig werden kann. Für die nächsten Jahre würde ich mir gerne vornehmen, der Forschung treu zu bleiben, wissbegierig zu bleiben und im Allgemeinen glücklich mit dem, was ich mache.

Lisa Baumgartner
Als Future Hero hast du ja sicherlich auch eine gewisse Vorbildfunktion. Welche Erkenntnisse können für uns alle zukunftsweisend sein und uns alle für den Future Helden-Status nominieren?

Matthias Vostatek
Was ich gerne ans Herz legen möchte, ist, über den Tellerrand zu schauen, neugierig zu bleiben. Denn Wissbegierde ist meiner Meinung nach, was uns Menschen ausmacht und uns weiter voranbringt.

Lisa Baumgartner
Alles Gute für die Zukunft.

Matthias Vostatek
Danke schön.