Oenorm B4008-2 – Die Norm, die Brücken den Sicherheitsstempel gibt

Die Entwicklung von praxisgerechte Ingenieurmodelle zur Bewertung des tatsächlichen Querkraftwiderstands bei Eisenbahn und Straßenbrücken, stand am Anfang einer Reihe von Forschungsprojekten, die sich mit der Sicherheit von Tragbauwerken auseinandersetzen. Klingt kompliziert, aber der Nutzen davon ist ganz einfach: Weil damit bewiesen wird, dass alte Brücken noch „sicher“ tragen, können sie bestehen bleiben. Das ist ganz im Sinne vom nachhaltigen Bauen. Das Resultat der Forschungsarbeit: die ÖNORM B 4008-2. Sie dient seit 15. November 2019 der Baubranche als Grundlage bei der Bewertung der Tragfähigkeit von Bestandsbrücken. Das Normenkomitee hat Markus Vill, Lehrender und Forschender im Department Bauen und Gestalten und Leiter des Kompetenzzentrums für Bauen und Gestalten, geleitet.

Er erzählt über die Entstehung der ÖNORM, an der wissenschaftliche Mitarbeiter*innen in Forschungsprojekten, Absolvent*innen mit ihren Masterarbeiten des Departments Bauen und Gestalten der FH Campus Wien genauso wie Kooperationen mit der TU Wien und der TU Graz seit 2013 einen wesentlichen Beitrag geleistet haben. Und er erklärt, warum die ÖNORM B 4008-2 einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leistet und damit der Gesellschaft zu Gute kommt.
28.10.2020

ÖNORM B 4008-2 – die Norm, die Brücken den Sicherheitsstempel gibt

Lisa Baumgartner
Guten Tag, mein Name ist Lisa Baumgartner. Herzlich willkommen beim neuen Podcast der FH Campus Wien. Frage: Sind Sie neugierig? Ja, ich auch. Und deswegen freut es mich ungemein, dass ich vielen Expertinnen und Experten von der FH Campus Wien und natürlich auch von anderswo viele Fragen stellen darf. Und heute zu Gast, quasi Premieren-Gast ist: Markus Vill. Schön, dass Sie da sind.

Markus Vill
Schönen Nachmittag.

Lisa Baumgartner
Herr Vill, Sie leiten an der FH Campus Wien das Kompetenzzentrum für Bauen und Gestalten und lehren auch. Zum Beispiel gehören zu Ihren Vorlesungen Stahlbetonbau und Massivbau oder auch Brückenbau. Ja, und genau darüber sprechen wir heute nämlich über ...

Markus Vill
Über Brücken.

Lisa Baumgartner
Als Fachmann, welche Brücken finden Sie persönlich denn besonders interessant?

Markus Vill
Schwierige Frage. Aber kurz gesagt: Brücken mit einer hohen Lebensdauer, also jene Brücken, die über Jahrhunderte hinweg und über Generationen zur Verfügung stehen, ist eigentlich das Wichtigste. Mich beeindrucken Brücken, die eine lange Lebensdauer aufweisen und auch nachhaltig genutzt werden können. Das heißt, unsere nachfolgenden Generationen haben auch was davon. Und das finde ich faszinierend. Wenn ich jetzt aber an die modernen Brücken denke, kann ich mir jetzt keine spezielle aktuell im Moment vorstellen. Ich sage immer nur, dort, wo man den Kraftfluss sieht, also auch als Laie sehen kann, wie sozusagen die Kräfte von dem Fahrzeug in den Untergrund geleitet werden, und man irgendwie erkennen kann, da gibt es Zug und Druck, dann ist es für mich eigentlich ein gelungenes Tragwerk.

Lisa Baumgartner
Im Zusammenhang mit Brücken beschäftigen wir uns heute mit einer ÖNORM, an deren Entstehung waren Sie mit einem Team von der FH Campus Wien maßgeblich beteiligt, nämlich die ÖNORM B4008-2. "Bewertung der Tragfähigkeit bestehender Tragwerk, Teil 2: Brückenbau" so heißt die ganz genau. Sie stellt die Grundlage für die Baubranche dar, wenn es jetzt um Bewertung von alten Brücken geht. Was genau macht jetzt diese ÖNORM, Herr Vill?

Markus Vill
Die ÖNORM regelt die statische Bewertung bestehender Brücken. Brücken, die jetzt nicht letztes Jahr gebaut worden sind, sondern vielleicht vor 30, 40, 50 Jahren, die wir jetzt nutzen, eigentlich die in unseren Verkehrswegen stehen, sozusagen. Aber auch Ingenieurbauwerke wie Überwerfungen - also alles, was ja ähnlich wie Brücken ist, und die  im Zuge von Verkehrswegen stehen. Es ist geregelt, welche Brücken überhaupt und unter welchen Umständen einer Bewertung zu unterziehen sind und mit welchen Nachweismodellen man eigentlich vorgeht. Wir haben ja jetzt in Europa ein einheitliches Sicherheitsniveau. Das heißt, wir haben überall europäische Normen, das heißt die Brücke wird in Österreich so bewertet oder so neu berechnet wie in Deutschland beispielsweise. Aber man kann eben das Bemessungsverfahren von neuen Brücken nicht für die Bewertung von alten Brücken hernehmen, weil wir jetzt mehr Verkehrsbelastung haben, wir haben eine andere Technologie, die dahintersteckt, und, und, und. Da gibt es viele Aspekte. Das heißt, eine alte Brücke würde jetzt nicht ganz exakt einer neuen Norm entsprechen. Das muss sie auch nicht. Wir haben auch früher richtige Sicherheitsniveaus gehabt und das gilt es sozusagen nachzuweisen. Und dafür brauchen wir einen geregelten Weg oder einen geregelten Prozess, wie wir vorgehen können. Dafür haben wir diese Norm entwickelt, und das ist wichtig, weil schlussendlich auch immer um eine Riesenverantwortung, die derjenige hat, der das Bauwerk dann nachrechnen muss. Und dazu braucht es Vorgaben, und dafür haben wir diese Norm gemacht.

Lisa Baumgartner
Es geht um Sicherheit und gleichzeitig um Erhalt von Brücken. Mit welchem Alter kommen denn Brücken sozusagen in die Jahre? Wann wäre ein Facelifting notwendig?

Markus Vill
Das kann man es gar nicht so generell sagen. Da gibt es zwei Unterschiede. Einmal die Brücken, die wir in den letzten Jahren gebaut haben. Ich spreche jetzt aus meiner Erfahrung vielleicht auch vor meiner Tätigkeit an der FH Campus Wien. Die Brücken, die wir geplant und wo ich mit dabei war, zu realisieren, die werden eine Lebensdauer von 80 bis 120 Jahren aufweisen, sofern wir alles richtiggemacht haben. Es ist aber so, dass jetzt die gesamte Brücke hundert Jahre alt wird, sondern es gibt Teile, die vielleicht nicht so alt werden, wie die Fahrbahnübergänge, das hört man, wenn man drüberfährt, oder der Belag oder die Entwässerung. Das kann sein, das ist so wie bei einer Wohnung, dass man dann nach 40 Jahren vielleicht einfach gewisse Bauteile austauschen muss. Aber das Rohtragwerk, also der Rohbau der Brücke, das eigentlich Tragende, wird länger halten. Und das wird heute so konzipiert, dass sozusagen diese Bauteile, die auszutauschen sind, auch nach 40 Jahren ohne Probleme ausgetauscht werden können. Das ist ein gelungener und nachhaltiger Entwurf.

Lisa Baumgartner
Ich glaube, kaum jemand spricht so voller Begeisterung und Emotion von einer ÖNORM. Warum gerade Sie?

Markus Vill
Also ich spreche auch nicht in Begeisterung von ÖNORMEN, sondern nur von dieser Norm. Spaß beiseite, natürlich beschränkt sich die Begeisterung natürlich vorwiegend auf die Personen, die da mitgewirkt haben. Wenn man dann sieht, dass man sich mit einer Sache lang beschäftigt, und das in eine Norm geschrieben wird, das hat schon irgendwie einen Wert. Aber wir haben trotzdem, glaube ich, ein gutes Dokument geschaffen mit einem hohen Praxisbezug, das wir unseren Bauingenieurinnen und Bauingenieuren in die Hand geben können und das dann auch in der täglichen Arbeit anwendbar ist. Und wenn man das nicht hätte, müsste man sozusagen die Informationen aus vielen Einzelteilen zusammensuchen: alte Normen, andere Normen, Versuchsergebnisse, Dissertationen, Diplomarbeiten und der Zeitaufwand für so eine Nachrechnung würde dann für die in der Praxis tätigen Ingenieure einfach enorm ansteigen.

Lisa Baumgartner
Im Vorfeld haben Sie mir ja schon erzählt, dass sie sich schon lange mit dem Brückenbau und mit der Sicherheit und dem Erhalt der Brücken beschäftigen. Jetzt haben Sie dieses Normenkomitee geleitet. Was war denn da genau Ihre Aufgabe?

Markus Vill
Wenn man so ein Komitee leitet, kann man sich das wie eine Arbeitsgruppe vorstellen. Ungefähr zehn bis 15 Mitglieder. Manche bringen sehr viel Input, manche eher weniger - das hängt davon ab. Natürlich ist die Aufgabe erst einmal: Man muss das Ganze moderieren, man muss schauen, dass diese Diskussionen nicht aus dem Ruder geraten, man muss das natürlich irgendwie strukturieren. Moderation und Projektsteuerung ist immer das Erste. Da muss man natürlich zum einen die Inhalte auch wissenschaftlich komplett kennen: Um was geht es da? Was ist da überhaupt erforscht worden? Und wie kann ich das überhaupt bewerten? Und zugleich darf man natürlich auch nicht den Praxisbezug vergessen. Wenn man auch aus der Praxis keinen Bezug hat, dann wird es schwierig, ein wissenschaftliches Ergebnis in eine Vorschrift zu gießen oder eine Norm zu gießen, so dass diese auch anwendbar ist. Und natürlich gibt es auch in Österreich, weil wir viele einzelne Bundesländer haben, und viele Ideen vorhanden sind, und hier Bund, Länder, Asfinag, ÖBB mit dabei waren - auch Wiener Linien - dass man da einen Konsens auch findet, wo man sagt: "Ja, es ist auch so, dass alle, die dort mitgewirkt haben, dann auch damit einverstanden sind, auch dem zustimmen." Es gibt natürlich immer auch wissenschaftliche Meinungsverschiedenheiten, und auch gewisse Sachen werden von den Praktikern nicht akzeptiert, dass sie sagen, das ist zu theoretisch, das brauchen wir nicht, das ist nicht praktikabel. Das war sozusagen die Aufgabenstellung, da einen Mittelweg zu finden.

Lisa Baumgartner
Also alle Fäden zusammenzuführen. Viele Menschen waren an der Entstehung der ÖNORM beteiligt. Vielleicht können Sie uns da ein bisschen Genaueres erklären. Ich glaube, es waren ja auch Forschende hier an der FH Campus Wien, Studierende mit ihren Bachelor- und Masterarbeiten dabei, vielleicht können Sie uns da ein paar Einblicke geben.

Markus Vill
Was da genau erforscht worden ist, ist ein bisschen schwierig zu erklären, aber ich versuche es einmal: Es geht um das Querkrafttragverhalten, das war einer der Hauptforschungspunkte, die wir hier bearbeitet haben, von älteren Stahlbeton- und Spannbetonbrücken. Es sind also die Brücken, die ungefähr 70, 80 Prozent auf unserem ganzen Straßen- und Bahnnetzen ausmachen. Und die haben im Durchschnitt ein Alter von 35 Jahren. Und da geht um die Fragestellung: Wie lange halten sie noch? Halten Sie noch 40 Jahre? Muss ich jetzt vielleicht eine Instandsetzungen machen? Muss ich eine Ertüchtigung machen? Wird sie noch 60 Jahre halten? Und da kann man natürlich sagen, dass Stahlbeton - ist ja ein Verbundwerkstoff, da ist Beton und Stahl kombiniert - haben beide Werkstoffe unterschiedliche Eigenschaften. So kann der Beton schlecht, Zugkräfte aufnehmen, das kann aber der Stahl sehr gut. Und das ist nicht so rein so ganz exakt physikalisch mit den Methoden der Mechanik beschreibbar. Deswegen haben wir auch 1:1 Bruchversuche durchgeführt an solchen Brückenträgern. Das ist natürlich hochinteressant.

Lisa Baumgartner
Moment, Bruchversuche? Heißt das, Sie haben da etwas abgehackt und versucht, die Brücke zu zerstören, oder wie?

Markus Vill
Ja, es ist ja immer so, dass ab und zu mehr Brücken sowieso ausgetauscht werden müssen, aber eigentlich eine guten Zustand haben, weil man beispielsweise die Brücke verbreitern muss oder es wird dort zum Beispiel der Hauptbahnhof Wien gebaut. Da konnten wir eben alte Brückenträger mit 25 Metern herausnehmen und haben dort einfach die Brücke so lange, also nicht unter Verkehr belastet, sondern mit hydraulischen Pressen belastet, bis es zum Bruch kam. Und so konnte man dann auch die Traglast dann tatsächlich ermitteln. Und nicht nur die Traglast ermitteln, sondern auch sehen, wie sich sozusagen die Kräfte von der Last bis zum Auflager hin verbreiten. Das heißt am Ende festzustellen, wo exakt laufen jetzt Druck- und Zugkräfte. Und das ist für so eine Bewertung ganz wichtig. Neben dem kann man natürlich nicht nur das Experiment machen, sondern man kann es auch nummerisch modellieren, also mit speziellen Computerprogrammen berechnen. Diese beiden Sachen in Kombination haben dann ein Ingenieurmodellergebnis. Das ist ein Modell, mit dem man jetzt in den Vorlesungssaal gehen könnte, und den Studierenden erklären könnte, wie man so etwas nachrechnet.

Lisa Baumgartner
Bitte versuchen Sie uns das ein bisschen zu erklären, was dieses Ingenieurmodell denn kann.

Markus Vill
Ja, es zeigt einer Person, die diese Brücke nachrechnet, wie sozusagen diese Kräfte in diesen Trägern verlaufen und wo es Zug- und Druckbeanspruchung gibt und ob da genügend Beton und genügend Stahlbewehrung vorhanden ist bei dieser alten Brücke. Wenn dann zu wenig vorhanden ist, muss man Maßnahmen ableiten. Sagen: "Okay, jetzt muss ich die Brücke für den Schwerverkehr z.B. sperren, ich lasse keine Sondertransporte mehr drüber, oder ich muss Verstärkungsmaßnahmen anbringen. Das heißt, ich gebe einfach zusätzliche Stahlbewehrung außen drauf, auf die Stege, auf die Brückenflächen, oder ich kann eine Aufbetonschicht machen. Da gibt es dann Ertüchtigungsmaßnahmen, so sagen wir dazu, das heißt einfach das ganze Gerüst zu verstärken.

Lisa Baumgartner
Reicht es eigentlich aus, wenn ich das jetzt berechne, ob die Brücke all das noch trägt, was sie tragen soll, oder gibt es noch eine andere Bewertung von Daten?

Markus Vill
Das Allerwichtigste ist, bevor man überhaupt den Stift und den Taschenrechner in die Hand nimmt, dass man sich einen ingenieurmäßigen Eindruck von dem Bauwerk macht, und zwar vor Ort. Man macht eine Brückenprüfung, man schaut sich nur an, wie ist der Zustand? Gibt es Risse? Gibt es Anzeichen auf Schäden? Gibt es Anzeichen auf eine Überbelastung? Und das ist eigentlich immer der erste Schritt. Und wenn ein guter Zustand vorhanden ist, kein Hinweis auf Schäden vorhanden sind und keine zusätzlichen Belastungen kommen, weil jetzt ein Sondertransport oder irgendein ganz schweres Fahrzeug drüber fahren muss, dann muss man eigentlich nichts machen. Und das ist der erste und auch einer der wichtigsten Schritte. Dieses visuelle Inspizieren, das ist für uns ganz, ganz wichtig. Und dann erst kommt man in die Nachrechnung. Und ja, damit sind wir schon bei der Norm. Dort ist sozusagen genau definiert, wie man diese älteren Brücke, mit welchen Lasten und mit welchen mechanischen Modellen man das nachrechnet.

Lisa Baumgartner
An der FH Campus Wien forschen Sie ja auch am Lebenszyklus von Beton. Inwiefern spielt der Lebenszyklus in die Tragfähigkeit von den Eisenbahn- oder den Straßenbrücken hinein?

Markus Vill
Der Lebenszyklus beeinflusst natürlich die Tragfähigkeit im Laufe der Zeit. Wir planen jetzt eine Brücke für 80 bis 120 Jahre und haben natürlich auch in diesen Normen, die wir jetzt anwenden, Euro-Codes, eine gewisse Reserve darin, dass wir auch nach 80 Jahren noch das erforderliche Sicherheitsniveau haben. Aber das Sicherheitsniveau nimmt natürlich mit der Zeit ab, weil beispielsweise im Materialermüdung, Korrosionserscheinungen, dann gibt es das Tausalz zum Beispiel, die Taumittel, die überall eingesetzt werden, Frost und Wasser. Und das reduziert natürlich in einem gewissen Maß die Tragfähigkeit. Diesen Zusammenhang, das steht eigentlich direkt mit der Lebenszyklusbetrachtung von Beton, weil wir nach einer gewissen Zeit uns überlegen müssen, was macht man dann mit so einem Bauwerk? Verstärkt man es noch? Bricht man es ab? Verwendet man den Abbruchbeton vielleicht als Recyclingmaterial? Und, und, und. Das ganze Bewerten der Brücken ist ein Baustein von einer lebenszyklusorientierten Erhaltungsplanung. Das eigentlich jeder Verantwortliche von Infrastrukturbauwerken machen wird, einfach zu überlegen, wann ist der richtige Zeitpunkt, ein Bauwerk zu ersetzen, zu Instand setzen oder abzubrechen?

Lisa Baumgartner
Das heißt, es geht ja sehr viel auch um Nachhaltigkeit, also nicht unnötig, wieder etwas Neues zu bauen, wenn das Alte noch repariert werden kann, und dann passt das ohnehin. Warum ist der Nachhaltigkeit beim Bauen gerade jetzt auch ein Gebot der Stunde?

Markus Vill
Das ist deswegen so wichtig, weil wir in der Baubranche und unsere Klimabilanz - wir haben einfach eine große Verantwortung gegenüber unserer Gesellschaft. Das, was wir hier errichten, steht die nächsten 80 Jahre in der Landschaft herum und das, was wir an Ressourcen verwenden, das ist natürlich jetzt viel. Und wenn es einmal gebaut wird, dann soll das möglichst so eingesetzt werden, dass das möglichst lange hält und lang genutzt werden kann, auch für nachfolgende Generationen. Und das sehe ich einfach als ganz wesentlichen Punkt bei uns, in unserem Berufsfeld, dass wir einfach so achtsam mit dem Ganzen umgehen, sorgsam mit unseren Ressourcen umgehen und einen Ausgleich zwischen Ressourceneinsatz am Anfang und erreichbarer Lebensdauer untersuchen und auch versuchen zu schaffen.

Lisa Baumgartner
Die ÖNORM B 4008-2, sie seit November 2019 gültig, was macht Sie besonders stolz dabei, Herr Vill?

Markus Vill
Man kann die Norm bei der Bewertung von Brücken praxisgerecht einsetzen. Das war einer der wichtigsten Punkte. Wir haben hier gegenüber Nachbarländern einen Riesenvorteil. Das liegt jetzt nicht daran, dass wir hier besser sind, sondern wir haben es leichter, wir sind ein kleineres Land, und wir kriegen leichter einen Beschluss. Das heißt, wir haben hier jetzt und im europäischen Raum ein sehr praktikables Regelwerk, mit dem wir solche Brücken nachrechnen können. Es gibt auch Anfragen von anderen Ländern, die Interesse haben, das anzuschauen. Aber wir haben als Hochschule ja auch einen volkswirtschaftlichen Anspruch oder besser gesagt Beitrag, den wir leisten müssen. Wir haben in Österreich zirka 100 000 Brücken, sind jetzt große Brücken, so wie man sie sich vorstellen kann über die Donau, aber viele sind einfach nur 5 Meter, die sind in Gemeinden und auf Güterwagen und, und, und. Da gibt es wahrscheinlich sogar mehr, wenn man die ganzen Forstwege noch mit dazu nimmt, und die haben ein durchschnittliches Alter von 30 bis 50 Jahren. Das ist natürlich bei 100 000 Brücken, kann man sich vorstellen, ein enormes Anlagevermögen. Und, wenn man davon ausgeht, dass es nur um fünf Prozent der Brücken geht, die wir hier realistischer bewerten können, dann reden wir von einem Anlagevermögen von fünf Milliarden Euro. Und da geht es einfach darum, dass wir diese Mittel dann so einsetzen, dass es auch Sinn und Zweck hat.

Lisa Baumgartner
Das heißt, wir sparen Geld und tun was für die Umwelt?

Markus Vill
So wollen wir es auch sehen, und so habe ich das von Anfang an immer beim Start des Forschungsprojektes immer im Hinterkopf gehabt, als Motivator.

Lisa Baumgartner:
Dankeschön für das Gespräch, Herr Vill.

Markus Vill:
Danke, auch von meiner Seite, danke.