Parallelgesellschaften – alternativ gedacht

Denkanstöße für eine funktionierende plurale Gesellschaft

Wir lesen davon in den Medien und es gibt sie in allen Gesellschaftsschichten – Parallelwelten. Villenviertel, Clans, ideologische Gruppen sind Stichworte dazu. Dennoch haftet Parallelgesellschaften oft der Touch von nicht geglückter Integration und Migration an. Ethnische Gruppen stehen einer Mehrheitsgesellschaft gegenüber. Eine plurale Gesellschaft sollte den Begriff Parallelgesellschaft viel weitgreifender denken – meint Soziologin Julia Dahlvik, Lehrende und Forschende im Studiengang Public Management, und liefert alternative Ansätze – weg von der Begrifflichkeit Parallelgesellschaft.

27.08.2021

Parallelgesellschaften – alternativ gedacht

Lisa Baumgartner 
Herzlich willkommen! Lisa Baumgartner begrüßt Sie. Eine sehr persönliche Frage an Sie, liebe neunmalklug Zuhörende: Ihre Familie ist groß? Wenn nicht Ihre eigene, dann kennen Sie vielleicht eine so richtig große Familie. Eine Familiengruppe mit ganz viel Personen wird als Clan bezeichnet. Und es gibt sie in allen Gesellschaftsschichten. Oft wird ihnen nachgesagt, sie haben ihre eigenen Regeln, ihre eigene Kultur. Ist das eine Parallelgesellschaft? Begriffe wie Mehrheitsgesellschaft, Parallelgesellschaft, Plurale Gesellschaft, wie definieren sich die? Gibt es Parallelgesellschaften in Österreich? Und wie gehen wir damit am besten um? Für all meine Fragen hat sich heute Zeit genommen: Julia Dahlvik. Dankeschön, Frau Dahlvik, sie sind ja Soziologin und forschen und lehren an der FH Campus Wien, und zwar im Studiengang Public Management. Darf ich Sie um Ergänzung zu Ihrer Person bitten?

Julia Dahlvik
Vielen Dank für die Einladung und für die Vorstellung. Wie gesagt, ich bin der hauptberuflich Lehrende und Forschende im Studiengang Public Management. Ich war davor unter anderem an der Uni Wien in der Forschung und in der Lehre tätig. Unterrichte auch an anderen Universitäten in Innsbruck und Graz, unter anderem. Ich habe promoviert zum Thema Bearbeitung von Asylanträgen im ehemaligen Bundesasylamt und habe mich jetzt aktuell der Erforschung von Ombudsinstitutionen gewidmet.

Lisa Baumgartner
Danke schön, Frau Dahlvik. Parallelgesellschaft. Wie definiert sich eigentlich dieser Begriff?

Julia Dahlvik
Also, grundsätzlich wird im öffentlichen Diskurs unter einer Parallelgesellschaft verstanden eine von der Mehrheitsgesellschaft relativ getrennt existierende Gruppe von Menschen, die sich im Kontext von Einwanderung bildet und die sozusagen der Anpassungsforderung der Mehrheitsgesellschaft nicht nachkommt. So kann man grob gefasst diesen Begriff verstehen.

Lisa Baumgartner
Gibt es Parallelgesellschaften in Österreich?

Julia Dahlvik
Grundsätzlich kann man sagen, nicht in diesen Verständnis, weil es dafür zusammenhängende institutionelle Strukturen bräuchte, also sozusagen das Verständnis wäre, dass eine Parallelgesellschaft dann existiert, wenn eben die institutionellen Strukturen, die auch in der Mehrheitsgesellschaft vorhanden sind, dass die sozusagen parallel abgebildet werden. D. h. z.B. im Bereich der Bildung, des Arbeitsmarkts, der Gerichtsbarkeit, der Gesundheitsversorgung. In diesen Bereichen gibt es natürlich auch unterschiedliche parallele Institutionen, wenn man so will, aber nicht wirklich auf einer strukturellen Ebene. Und, insofern kann man nicht von einer Parallelgesellschaft in dieser Form sprechen.

Lisa Baumgartner
Es ist also ein Begriff, der polarisiert. Ich habe ihn zwar auch für den Titel der heutigen Folge von neunmalklug verwendet Parallelgesellschaften alternativ gedacht. Aber wie hilfreich ist es denn tatsächlich, wenn wir von Parallelgesellschaften sprechen?

Julia Dahlvik
Ja, die Frage ist eben hilfreich. Wofür? Also was bezwecken wir damit, wenn wir diesen Begriff verwenden und wer verwendet ihn in welchem Zusammenhang? Und nützlich ist der Begriff sozusagen besonders dann, wenn wir Unterschiede herstellen und betonen wollen. Also wenn wir versuchen, eine Unterscheidung zwischen WIR und den anderen herzustellen, sozial zu konstruieren, dann ist der Begriff gewissermaßen nützlich. Und so wird er ja auch in der politischen Debatte sehr häufig verwendet, um eben diese Unterscheidungen herzustellen, die nur zum Teil vorhanden sind.

Lisa Baumgartner
Sie haben vorhin auch den Begriff Mehrheitsgesellschaft verwendet, aber vermutlich ist es genauso wenig sinnvoll, von Mehrheitsgesellschaft zu sprechen.

Julia Dahlvik
Grundsätzlich finde ich ihn schon relativ sinnvoll. Allerdings ist die Kritik daran, dass es sozusagen nicht mehr eigentlich um politische Mehrheiten geht. Also wenn wir von der Mehrheitsgesellschaft sprechen, dann ist die Illusion oder das Bild, dass es eine homogene Gesellschaft wäre, in der es auch politische Mehrheiten gibt. Deswegen gibt's auch diesen Begriff der Dominanzkultur, der auch stattdessen verwendet wird. Aber grundsätzlich kann man mit dem Griff schon arbeiten, denke ich.

Lisa Baumgartner
Mit Parallelgesellschaften verbinden wir oftmals die Sichtweise, die bringen Probleme, aber in Wirklichkeit bieten sie auch Chancen für uns als Gesamtgesellschaft gesehen. Welche Sichtweisen sind denn in der Soziologie und in der Forschung feststellbar?

Julia Dahlvik
Also, ich beziehe mich auf Schiffauer, wenn ich jetzt z.B. drei Positionen identifiziere. (Werner) Schiffauer ist ein Forscher, der sich mit dem Thema Parallelgesellschaften und Leitkultur auseinandergesetzt hat, wo er eben drei Positionen identifiziert. Und diese erste Position, die wir sehr oft hören, eben gerade im öffentlichen Diskurs, ist ebenso dieses Scheitern der Integration. Parallelgesellschaften als Welten, die sich abkoppeln von der Mehrheitsgesellschaft und eben ein sehr starker Fokus, eine Betonung der anderen Werte, anderer Wertesysteme und die Problematisierung islamischer Gemeinden, zum Beispiel. Also, das ist sozusagen diese erste starke Position. Eine zweite wäre, die sich davon differenziert, dass Parallelgesellschaften, sozusagen als ein normales Phänomen jeder Einwanderergesellschaft gesehen werden. Und dabei denkt man z.B. dann auch an China-Towns, die es ja in sehr vielen Großstädten der Welt gibt. Der Begriff der Parallelgesellschaften wird aber tendenziell abgelehnt aus dieser Position, weil die Rolle der Gemeinschaft als eine Anlaufstelle und als Ort sozialer Solidarität damit auch übersehen wird. Also, diese Communities, diese Gemeinschaften werden eben viel stärker als ein Phänomen des Einstiegs in die Gesellschaft als des Ausstiegs verstanden. Und in dieser Position wird dann auch sehr häufig betont, dass Migrantinnen, Migranten auch einen wichtigen Beitrag zur Wirtschaft leisten, dass sie leistungsbereit sind und dass die gesellschaftliche Pluralität auch eine ganz wichtige Ressource in der globalisierten Weltwirtschaft darstellt. Also, das ist so ein bisschen eine zusammengefasste zweite Position. Und die dritte Position, die man noch identifizieren könnte - zumindest nach Schiffauer - kritisiert sozusagen die erste Position, die wir gehört haben. Also, kritisiert die Einseitigkeit und Selbstgerechtigkeit derjenigen, die vom Scheitern der Integration sprechen. Hier wird relativ stark in den Fokus gerückt das Thema Diskriminierung, z.B. am Wohnungsmarkt, wenn man eben von Einwanderer-Vierteln spricht oder so, wird übersehen, dass die Segregation ja nur sehr bedingt freiwillig ist. Also nur sehr bedingt suchen sich ja Migrantinnen und Migranten aus, wo sie wohnen. Aber auch das Thema der Arbeitslosigkeit, also grundsätzlich das einfach gesellschaftlich bedingte Phänomene, dann sehr häufig kulturalisiert und entpolitisiert werden. Das ist das, was auch die Vertreterinnen und Vertreter dieser Position eben kritisieren und besonders auch dieser wirtschaftsliberale Fortschrittsoptimismus, den wir davor in der zweiten Position gehört haben, dass diese Sichtweise einfach gesellschaftliche Machtverhältnisse außen vorlässt und und Ausgrenzungen, Ausgrenzungsdiskurse vernachlässigt. Also, das sind so ganz grob drei Positionen, wie verschiedene Akteure auch zu dem Thema stehen.

Lisa Baumgartner
Wenn wir von Integration von ethnischen Gruppen sprechen, dann ist der Gedankengang oft so: Es gibt eine Leitkultur in der bestehenden Gesellschaft, damit ist quasi alles gemeint, was eine Gesellschaft ausmacht, also Verfassung, Rechtssystem, kultureller, religiöser Hintergrund und die damit verknüpften Werte und Normen. Und genau diese sollen eben übernommen werden. Aber: große Unterschiede verhindern unter Anführungszeichen die Integration. Kann das Dilemma aufgebrochen werden?

Julia Dahlvik
Ja, so dass es diese großen Unterschiede gibt, die angeblich die Integration verhindern, das ist Teil eines Diskurses. Also, man müsste erst einmal näher hinschauen und sagen: Was sind denn diese großen Unterschiede, die es angeblich verhindern, diese sogenannte Integration? Und abgesehen davon ist auch komplett unklar, was sozusagen diese Leitkultur sein soll. Abgesehen davon, was Sie gesagt haben, also das Rechtssystem und bestimmte Werte. Aber wer einigt sich auf diese Werte? Wer sagt, dass das unsere gemeinsamen Werte sind? Und es wird ja häufig viel stärker auf die Unterschiede geschaut und durch diese Leitkulturdebatte wird auch sehr stark ein Entweder-Oder gefordert, anstatt eines Sowohl-Als auch, das möglich wäre oder denkbar wäre. Mit dieser Debatte über die Leitkultur geht auch eine gewisse Asymmetrie einher, weil sozusagen die Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft einerseits und damit einhergehend auch eine Distanzierung von der Herkunftskultur dann typischerweise als etwas Positives bewertet wird. Und gleichzeitig erscheint es oft sehr schwierig, über das Bekenntnis zum Rechtsstaat und zu den Prinzipien der Verfassung, was dieses darüberhinausgehende Mehr, was das ist und was das sein soll, das wird sehr oft nicht positiv benannt, sondern es bleibt dann oft bei einem negativen Katalog sozusagen, was nicht sein soll oder nicht sein darf, wie Kopftuch, Moschee, was auch immer, so Stichwörter, Schlagworte, die dann in den Mund genommen werden.

Lisa Baumgartner
Sie haben uns erläutert: Beide Begriffe Parallel- und auch Mehrheitsgesellschaft, sind nicht sehr praktikabel. Gibt es einen Ersatz? Andere Ausdrücke dafür?

Julia Dahlvik
Das Problem ist: Was will ich aussagen? Welcher Begriff ist dafür passend, was ich untersuchen möchte oder was ich beschreiben möchte? Das heißt, es braucht immer einen reflektierten Umgang mit all diesen Konzepten und Begriffen. Und in der Forschung entwickeln sich dann natürlich auch immer wieder neue Zugänge. Zwei Zugänge, die man da in diesem Zusammenhang nennen kann, sind einerseits das Konzept der Parallelen Sozialitäten, das (Martin) Biersack und andere geprägt haben und andererseits vor allem der Zugang der Postmigrantischen Gesellschaft. Ist es ein Konzept, mit dem aktuell gearbeitet wird.

Lisa Baumgartner
Lassen Sie uns auf diese beiden Konzepte noch ein bisschen genauer eingehen. Was macht denn eine Parallele Sozialität aus?

Julia Dahlvik
Es geht darum, dass Strukturen gesellschaftlicher Abspaltung nicht notwendig eben negativ sein müssen, sondern sie können durchaus auch progressive und emanzipatorische Potenziale enthalten. Und es geht eigentlich da ganz stark auch um diese Desintegrationstendenzen. Also, d. h. fehlende Teilhabe wachsender Bevölkerungsgruppen an diesen unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen Politik, Arbeit, Recht, Bildung. Es geht um Exklusionsmechanismen, die dadurch aufgezeigt werden sollen, die aber, unter anderem auch mit dem Erodieren von Wohlfahrtsstaaten zusammenhängen, mit den Gleichheitsidealen und Aufstiegsversprechen, die damit zusammenhängen. Und was wir auch stark beobachten im Zusammenhang mit diesen Desintegrationstendenzen: Diese Wutpolitiken oder Zornpolitiken neuer kollektiver Identitäten werden stärker in der Gesellschaft sichtbar, zum Teil. Es gibt Abgrenzungen und neue Feindbilder. Also, dass diese Desintegrationstendenzen in der Gesellschaft sichtbar sind und dass aber eben diese Formen Paralleler Sozialitäten ganz stark auch Prozesse der Narrativierung sind, also der Diskursivierung, d. h., dass sozusagen Minderheiten oder marginalisierte Gruppen durch Geschichten wiederbelebt werden und durch das oder unser diskursives Handeln, auch durch symbolische Konstruktionen usw. aufrechterhalten werden. Da geht es auch stark darum, die sprachliche und die rhetorische Komponente der Bildung von sogenannten Parallelgesellschaften sichtbar zu machen. Also, das ist sozusagen ein wichtiger Bestandteil dieses Zugangs.

Lisa Baumgartner
Und was ist der Schlüssel dazu, dass eben Parallele Sozialitäten funktionieren?

Julia Dahlvik
Ja, wenn das so einfach wäre, dann hätten wir, glaube ich, das Problem schon gelöst. Also, ich denke mir, ein wesentlicher Schlüssel ist das Aufheben sozialer Ungleichheit. Also, ich denk mir, sehr viele der Probleme, die wir als Probleme identifizieren und wahrnehmen, hängen mit sozialer Ungleichheit auf ganz vielen Ebenen zusammen. Und es gibt ganz viele Ideen und Ansätze. Und es gibt auch schon Initiativen vielfältigster Art natürlich, die sich mit dem Thema beschäftigen und versuchen, diese soziale Ungleichheit zu reduzieren. Aber es hängt halt wie immer bei allen Themen sehr stark auch vom politischen Willen ab, zu welchem Ausmaße zu sagen dann diese Ideen und die Vorschläge, die es gibt, umgesetzt und ausprobiert werden. Also, ich denke mal an Ideen scheint eher weniger, sondern sehr häufig an der Umsetzung und vor allem an einer nachhaltigen und langfristigen Umsetzung von Maßnahmen und Initiativen.

Lisa Baumgartner
Sie haben als zwei alternativen Denkansatz vorhin die Postmigrantische Gesellschaft genannt. Was verstehen wir denn darunter?

Julia Dahlvik
Ja, genau das geht jetzt nicht in einem zeitlichen Sinne unbedingt nach der Migration. Sondern es geht vor allem darum, Migration als etwas Normales sozusagen in der Gesellschaft anzusehen und nicht als etwas Besonderes oder Außergewöhnliches. Migration soll nicht als ein Sonderobjekt in der Forschung betrachtet werden, sondern dass die gesellschaftliche Ordnung auch durch Migration und Erfahrungen von Migration geprägt ist und, dass Migration auch ein Prozess ist, der zur Gestaltung der Gesellschaft beiträgt auf ganz vielen unterschiedlichen Ebenen politischer, kultureller, sozialer Art. Und, dass der Fokus nicht auf die Migrantinnen, Migranten gelegt werden soll, sondern viel stärker auf die Gesamtgesellschaft und gesamtgesellschaftliche Prozesse, um sozusagen der Marginalisierung von Menschen entgegenzutreten. Gegen einen öffentlichen Diskurs, der eben Migrationsgeschichten als Ausnahmeerscheinungen behandelt und vor allem der von einer Trennung ausgeht zwischen einer sogenannten einheimischen Normalität einerseits und eingewanderten Problemen, wenn man so will, andererseits. Es geht auch ganz stark darum, dass eben politisch anerkannt wird, dass wir in Einwanderungsgesellschaft leben und dass wir davon ausgehen, dass das etwas Normales ist.

Lisa Baumgartner
Im Studiengang Public Management liegt der Fokus auf demokratiepolitischen Herausforderung für Gesellschaft und Verwaltung, die Inklusion und Exklusion. Was wollen Sie in Bezug auf Parallelgesellschaft Ihren Studierenden mitgeben?

Julia Dahlvik
Ja, was ganz wichtig ist aus meiner Sicht ist eben Reflexion und differenzierte Sichtweisen. Also, dass wir auch wissen, was wir meinen mit Begriffen, die wir verwenden, mit Konzepten, mit denen wir arbeiten, in welchen Zusammenhängen wir wie diese Konzepte einsetzen. Das ist sozusagen das eine, also diese theoretische Perspektive ein bisschen, und das andere ist, dass wir auch einen starken Fokus in unserem Studiengang auf Gemeinwohl haben und, dass wir da auch aufzeigen, wie wichtig es ist, all die unterschiedlichen Stakeholder, Stakeholderinnen, die von diversen Prozessen und Maßnahmen und so weiter betroffen sein können, die auch einzubinden. Also, das Thema Partizipation ist einfach ein ganz wichtiges auf vielen unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen. Und gerade auch, wenn es darum geht, als Staat auch die Gesellschaft zu gestalten, gesellschaftliche Prozesse und Weiterentwicklungen zu gestalten. Dass da der Partizipation und der Blick auf das Gemeinwohl und die Inklusion möglichst vieler sozialer Gruppen ein ganz wesentlicher Aspekt ist. Das ist auch etwas, was ich für sehr wichtig halte.

Lisa Baumgartner
Können Sie da ein paar konkrete Beispiele nennen, die Sie im Studiengang erarbeiten?

Julia Dahlvik
Also, wir haben z.B. in unserer Lehrveranstaltung zum Public Value, Theorien und Konzepte von Public Value, arbeiten wir unter anderem mit Fallbeispielen. Und dann haben wir ein Fallbeispiel in der Lehrveranstaltung, wo es darum geht, ob in einer Gemeinde zum Beispiel ein Flüchtlingsheim errichtet werden soll oder nicht. Und die Studierenden müssen sich dann überlegen: Wer sind mögliche involvierte Akteurinnen, die in die Entscheidungen auch mit einbezogen werden sollen? Was sind deren Wünsche, Anforderungen und Bedenken? Wie kann man die einbinden? Zum Beispiel durch Fokusgruppen, durch Befragungen auf unterschiedlichste Art? Und was sind eben Kurzzeitfolge, mögliche Langzeitfolgen? Das heißt wir versuchen, dieses Problem, den Fall aus möglichst vielen Perspektiven zu beleuchten und auch aus dieser Gemeinwohlperspektive die möglichst beste Lösung zu finden. Weil die Gemeinwohlprobleme, wenn man so will, sind ja keine leicht zu lösenden, weil es immer Partikularinteressen gibt, die aber allgemeinen Gemeinschaftsinteressen gegenüberstehen und da eine möglichst gute, langfristige Lösung zu finden, das soll auch das Ziel sein. Und das ist auch etwas, was wir versuchen in der Lehrveranstaltung einzuüben oder zumindest kennen zu lernen, damit umzugehen.

Lisa Baumgartner
Was kann dem Public Management für die zukünftige Entwicklung in diesem Bereich beitragen?

Julia Dahlvik
Ich denke, gerade durch den inter- und transdisziplinäre Zugang, den wir haben und auch dadurch, dass es ein berufsbegleitendes Studium ist, das heißt, ein sehr großer Teil unserer Studierenden sind schon in der Verwaltung tätig und gestalten dort auch die Verwaltung. Und ich denke, dass wir durch das Studium im Bachelor und auch im Master den Studierenden sehr vielfältige Themen näherbringen können und versuchen vor allem die Querschnittsmaterien auch, wie zum Beispiel im Bereich der Sunstainable Development Goals, wo starke Zusammenhänge natürlich mit Migration vorhanden sind. Und wir versuchen, diese Themen in vielen Bereichen anzuschneiden, vor allem auch das Thema der sozialen Ungleichheit. Gerade, wenn wir z.B. über Digitalisierung sprechen. Das heißt, möglichst zu schauen, dass alle Gesellschaftsgruppen und alle Mitglieder der Gesellschaft gleiche Chancen haben. Und ich denke, das ist ein ganz wichtiges Thema für die Zukunft, an dem man immer dranbleiben müssen.