Pilze und Insekten: Chitosan biotechnologisch nachhaltig herstellen

Wie Chitosangewinnung auf biotechnologischem Weg ökologisch und nachhaltig gelingt.

Chitosan ist eine wertvolle Substanz mit vielen guten Eigenschaften, zb wirkt sie antibakteriell und fungizid. Das macht sie interessant für verschiedenste Bereiche, etwa wird sie in der Trinkwasseraufbereitung verwendet oder in der Produktion von Kosmetika und Medizinprodukten. Chitosan hilft, eingearbeitet in Lebensmittelverpackungen, Foodwaste vorzubeugen, da das Biopolymer die Haltbarkeit der Lebensmittel verlängert. Und auch im Pflanzenschutz kann Chitosan gegen bestimmte Pilze und Bakterien wirken - als biologischer Schädlingsbekämpfer. Der große Wermutstropfen an Chitosan: Der übliche Gewinnungsprozess ist ressourcenaufwändig, wenig ökologisch und Schalentiere müssen dabei sterben. Molekularbiologin Sabine Gruber vom Studiengang Bioengineering an der FH Campus Wien hat in mehreren von der FFG geförderten Forschungsprojekten mit Pilzen als Basis von Chitosan große Erfolge erzielt. Im aktuellen Forschungsprojekt stehen Insekten als Grundlage im Fokus.

Datum: 14.3.2023

Pilze und Insekten: Chitosan biotechnologisch nachhaltig gherstellen

Lisa Baumgartner
Einen feinen Tag wünscht Lisa Baumgartner vom Podcast der FH Campus Wien. Wenn Sie das Wort Chitin hören, denken Sie woran? Also, mir fällt ein, der Panzer von Käfern, der besteht aus Chitin, aber sonst ... na ja, also Chitosan habe ich auch schon einmal gehört. Sabine Grube neben mir beginnt jetzt bereits zu strahlen bei diesen Termini. Sie sind Molekularbiologin, forschen an der FH Campus Wien und lehren im Studiengang Bioengineering. Also Chitin und Chitosan, wie man das im Labor in einer großen Reinheit und vor allem sehr ökologisch herstellt, das ist momentan Ihr Fachgebiet. Ihre große Leidenschaft für die Wissenschaft, Frau Gruber, ist ja sofort spürbar. Wie sehen Sie denn selbst so Ihre Position?

Sabine Gruber
Ja, also, ich denke, man kann ohne Leidenschaft und Enthusiasmus wirklich viel erreichen, aber gewiss nicht alles und vor allem nicht alle Ideen umsetzen. Es braucht meiner Meinung nach mehr als wissenschaftliches und analytisches Verständnis. Es braucht vor allem ein Gespür, wie sich die Gesellschaft gerade entwickelt und was sie gerade braucht. Und es ist noch immer sehr schwierig, eine Idee oder eine Forschungsfrage tatsächlich in die Praxis umzusetzen. Man braucht ein Labor, man braucht eine Universität, die hinter einem steht. Und vor allem die anwendungsorientierte Forschung, insbesondere auch in meiner Gruppe, da muss man einfach den Kontext im Auge behalten und verstehen, wo ist denn wirklich der Nutzen und die Innovation der eigenen Forschung. Wo liegt die tatsächlich? Ich habe beispielsweise Genetik an der Uni Wien studiert, und dort wurde uns experimentelles Denken eingetrichtert. Das heißt, es war immer so, wenn man eine Frage oder eine Forschungsidee hat, die ist immer in dem Kontext gesehen: Kann ich diese Frage beantworten? Wie kann ich sie beweisen, experimentell, und wie kann ich auch sie mit Sicherheit bewahrheiten? Aber ich glaube auch, dass zuletzt der Forscherberuf immer viel Mut abverlangt, denn man muss auch hinter einer Idee stehen, man braucht auch Durchhaltevermögen, um die Ziele zu erreichen, und auch Frustrationsresistenz, denn es klappt nicht alles, was man sich in den Kopf setzt. Ja, besonders schön sind aber dann die Momente, in denen Erfolge erzielt werden, und dann, wenn man wirklich merkt, man hat eine Idee tatsächlich in die Praxis umgesetzt. Es erfordert oft enorme Anpassungsfähigkeit, diesen Weg zu gehen. Zum Beispiel, ich habe an der MedUni Wien gestartet, habe dort Signalwege erforscht und mich mit immunregulatorischen Signalings beschäftigt. Das war ganz etwas anderes als das, was ich jetzt mache. Danach konnte ich keine Position finden und habe an der TU Wien weitergemacht. Dort begann ich mit der Forschung, der Biotechnologie von Pilzen, und dort begann auch meine Leidenschaft, mich dafür zu engagieren, mit dem Bodenpilz Trichoderma zu arbeiten. Aufgrund der intensiven Arbeit mit chitinabbauenden Enzymen, mit denen habe ich dort begonnen - das war unser Forschungsziel - kam gleichzeitig die Erkenntnis auch über das enorme Potenzial von Chitosan. Chitosan ist ein Zellwandbestandteil von den Trichodermapilzen unter anderem, und Chitosan ist vor allem das aktive Derivat des Chitins, Das in der Zellwand von diesen Pilzen eingelagert ist. Dort kam mir die Idee, mit diesem Derivat etwas anzufangen und eine eigene Forschungsgruppe aufzubauen. Das heißt, ich beschäftige mich mit translationale Forschung, also mit der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Technik, und mit dem Transfer von Grundlagenforschungsfragen in industrielle Anwendung. Mein Team arbeitet gerade daran, den Gesamtmechanismus der sogenannten Biokontrolle zu verstehen. Das heißt, wir arbeiten im biologischen Pflanzenschutz mit Chitosan und Trichodermapilzen. Das heißt vom biologischen Entwicklungsmechanismus: Was passiert in der Zellwand des Pilzes? Wie wird Chitin und Chitosan aufgebaut? In zweiter Instanz: Wie produziere und extrahiere ich das Chitosan? Und dann eben wirklich bis zum Aufsprung auf das Feld, also wie bringe ich das Produkt dann tatsächlich auf?

Lisa Baumgartner
Da haben Sie jetzt ein sehr schönes Bild von ihrer Forschung gezeichnet, und ins Detail werden wir dann ein bisschen später noch genauer gehen. Sie haben als eines Ihre Hauptziele angegeben: Sie sehen es als ganz wichtig, grüne und nachhaltige Produkte zu entwickeln. Warum ist Ihnen das denn so ein großes Anliegen?

Sabine Gruber
Ja, Nachhaltigkeit, das ist tatsächlich ein sehr strapazierter Begriff, und meine Mission ist zu versuchen, hierbei wirklich an größeren Hebeln zu drehen, sozusagen im Umweltschutz. Das heißt, wenn man grüne Produkte herstellt, dann sollten sie tatsächlich wirksam und sicher sein, um deren Einsatz zu gewährleisten. Zum Beispiel, man weiß von Chitosan und Trichoderma, dass sie tatsächlich im biologischen Pflanzenschutz wirksam sind. Es ist zwar richtig, dass jeder Mensch seinen Beitrag mit sparsamen Ressourcenumgang und so weiter leisten kann, aber meiner Meinung nach und tatsächlich muss man aber Entscheidungsträger überzeugen, das heißt, auf wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt sich verlassen, um jetzt wirklich eine Wende herbeiführen zu können. Das kann man meiner Meinung nach nur auf höchstem professionellem Niveau, und die Schwierigkeit besteht halt darin, dass solche alternativen Ressourcen und Produkte müssen halt dann auch bestehende übertreffen. Und wenn das nicht ökonomisch gelingt, was meistens der Fall ist, dann zumindest in ihrer Wirksamkeit. Das heißt, wenn ich jetzt Chitosan herstelle, dass teurer in der Entwicklung ist, aber ich davon weniger brauche, weil es effizienter ist, dann bin ich hier auf Nummer sicher gegangen.

Lisa Baumgartner
Dann ist das eine ausgeglichene Balance.

Sabine Gruber
Genau, ja. Die Ziele sind, was Nachhaltigkeit anbelangt, klarerweise sehr ambitioniert, aber wir müssen ambitioniert sein. Aber es kann eben etwas nur nachhaltig sein, wenn es auch die Mehrheit akzeptiert und auch nutzt, und das benötigt die enge Zusammenarbeit mit der Industrie.

Lisa Baumgartner
Sie haben gesagt, Nachhaltigkeit ist ein überstrapaziertes Wort und ist geprägt vermutlich von unterschiedlicher Definition. Was bedeutet es denn für Sie?

Sabine Gruber
Es ist wirklich ein sehr populäres Thema geworden und sollte aber, meiner Meinung nach, wirklich ein hochwissenschaftliches sein. Für mich persönlich bedeutet es einerseits, Produkte aus der Kreislaufwirtschaft aufzubereiten, andererseits aber auch, den Kreislauf zu schließen. Das versteht man eigentlich unter Nachhaltigkeit. Wenn wir zum Beispiel unsere Komponenten, die wir aus zum Beispiel dem Pilz, aus einer natürlich vorliegenden nachwachsenden Ressource, extrahieren und diesen Wirkstoff wieder in den Boden zuführen, zum Beispiel als Dünger oder halt im biologischen Pflanzenschutz aufs Feld aufbringen. Was ich weiter damit meine, ist das Ziel vor Augen zu haben, aus nachwachsenden oder natürlichen Ressourcen schonend ein Produkt zu generieren und dieses dann auf den Markt zu bringen, zum Beispiel eben bei Trichoderma oder bei Chitosanen geht es darum, dass man wirklich chemische Pestizide zum Teil ersetzen können wird in Zukunft.

Lisa Baumgartner
Chitosan wird ja als Tausendsassa und Multitalent bezeichnet, ist also eine besonders vielseitig einsetzbare Substanz, was macht Chitosan so wertvoll?

Sabine Gruber
Also, Tausendsassa gefällt mir besonders gut. Chitosan ist ein extrem bioaktives und biokompatibles Produkt, das heißt, es ist biologisch abbaubar. Es hat keine antigenen Eigenschaften und ist für eukaryontische Zellen, das heißt für Mensch und Tier, nicht toxisch. Das heißt, wenn es so oft gebracht ist, dann hat es keine Interaktionen mit anderen Zellen, das ist sehr wichtig. Zum Beispiel, Pestizide sind erstens einmal extrem lang stabil und interagieren mit der Umwelt. Aufgrund seiner positiven Ladung - das passiert durch die Derivatisierung von Chitin zu Chitosan wird es positiv geladen - hat es ähnliche Wirkungen wie ein natürliches Bakterizid oder Fungizid. Diesen Mechanismus kann man sich ähnlich vorstellen wie mit Antibiotikum. Kleinere Moleküle, die gehen in die Zelle rein und interagieren dann mit der Proteinsynthese zum Beispiel, oder es maskiert die Zelle, und die kann keine Nährstoffe mehr aufnehmen und verhungert sozusagen. Es gibt mehrere Wirkungsmechanismen von diesem Produkt. Ja und aufgrund dieser extrem starken antimikrobiellen Wirkung und auch seiner physikalischen Eigenschaft, als Chitosan kann unterschiedlich viskös sein, ist es extrem interessant für die Industrie. Also nicht nur in der Landwirtschaft, was für uns in erster Linie interessant ist, es wird doch als Futter- und Düngemittelzusatz verwendet, in der Lebensmittellagerung, weil da gibt es auch immer Probleme mit Schimmelpilzen und so weiter. Auch in der Textilindustrie - es wird bei manchen Fasern zugegeben zur Veredelung. Dann in der Biokunststofftechnik, sehr viel in Verbundstoffen auch, und dann muss man auch das Fracking erwähnen. In Amerika wurde das schon patentiert, dass man eben anstatt chemischer antimikrobieller Substanzen eben Chitosan, das komplexiert ist mit Kupfer, in den Boden einbringt, um das Austreten von Mikroben zu verhindern, und das in ganz geringen Konzentrationen. Also, auch hier kann man zumindest einen Schritt in Richtung ökologischere Umsetzung machen. Dann die Wasseraufbereitung, also Chitosan ist auch ein Chelatbildner, das heißt, es kann Schwermetalle binden und diese aus dem Wasser gefiltert werden. Eine wichtige Sache ist noch die Medizintechnik, also Chitosan fungiert auch als Gerüst beim sogenannten Tissue Engineering. Also, wenn Gewebe verletzt wurde und neue Zellen gebildet werden, wenn man dort Chitosan einbringt, dann ist es wie eine Stütze, und die Zellen können sich anlagern und schneller einfach einen Gewebeverbund wieder ausbilden.

Lisa Baumgartner
Das heißt, es ist in Wundauflagen implementiert, oder wie kann ich mir das vorstellen?

Sabine Gruber
Bei Wundauflagen hat es wieder eine andere Wirkung. Da geht es um die, sag ich mal, antibakterielle Wirksamkeit. Hier geht es wirklich darum, dass sich die Zellen auf diesen Chitosan-Molekülen anhaften können und dort dann miteinander einen Verbund eingehen können und somit das Gewebe schneller aufgebaut wird. Man muss sich vorstellen, es gibt Wunden, zum Beispiel Brandwunden, die sind extrem groß, großflächig und um dort einfach quasi eine Substanz einzubringen, wo sich das Gewebe regenerieren kann. Dort wird Chitosan aufgebracht. Es können sicher Verbände sein, das kann aber auch wirklich tatsächlich eine gelatinöse Matrix sein, zum Beispiel. Andere wichtige Anwendung, die vor allem in den letzten zehn Jahren sehr forciert wurde, ist Chitosan als Nanoträger für Medikamente. Sogenannte Chitosan-Nanopartikeln wurden als potenzielle Vehikel für verschiedene Therapeutika, wie also Peptide, Proteine, sogar Impfstoffe, DNA und Arzneimittel entwickelt. Die sind dadurch länger stabil und werden gerichtet abgegeben. Also, es gibt sehr viele Studien dazu, dass die Wirksamkeit dann verdoppelt oder verdreifacht wurde durch dieses Einbringen von Chitosan- Nanopartikeln.

Lisa Baumgartner
Und Sie haben vorher schon erwähnt, für Sie als Bio-Kontrollgruppe ist es eben wichtig, für die Landwirtschaft Chitosan einzusetzen. Was bedeutet das?

Sabine Gruber
Für uns ist es in der Bio-Kontrolle extrem wichtig, Chitosan entweder durch das Beschichten von Samen einzusetzen, das heißt, es wird eine Schicht auf diese Samen aufgebracht. Dadurch sind die Samen resistenter, wenn sie dann ausgesät werden und sie keimen auch schneller. Dann gibt's noch die Möglichkeit, Chitosan auf die Wurzeln direkt aufzubringen, dann, die Blätter können besprüht werden, oder die gängige Methode ist, und was man auch schon anwendet, ist, das ganze Felder zu einem gewissen Zeitpunkt dann besprüht werden und das mehrere Male hintereinander aufgebracht wird. Das löst in der Pflanze den Abwehrmechanismus in der Pflanze aus, das heißt, es fördert die Resistenz gegen Krankheitserreger und gleichzeitig auch das Wachstum. Also die Pflanze glaubt, es passiert irgendwas mit ihr und fängt andere robuster zu werden. Das ist der sogenannte Priming-Effekt. Und dann gibt's noch den zweiten Effekt, und das ist so interessant am Chitosan im Vergleich zu anderen biologischen Pflanzenschutzmitteln, es primed die Pflanze, macht sie resistenter und hat gleichzeitig die schon besprochene biozide Wirksamkeit. Das heißt, bei Befall wird der Schädling zurückgedrängt.

Lisa Baumgartner
Sie haben es vorher schon erwähnt: Chitosan ist ein Derivat von Chitin, entsteht also aus Chitin. Habe ich das richtig verstanden?

Sabine Gruber
Ja, das stimmt. Also, Chitosan wird aus Chitin gewonnen, und zwar auf einem chemischen Weg mittels, sag ich mal, sehr harschen Säuren und Laugen, so dass sie es jetzt momentan der herkömmliche Weg, um Chitosan zu produzieren. Chemisch gesehen ist Chitin ein kristallines, starres, unreaktives Polymer, und Chitosan wird durch die sogenannte chemische Deacetylierung unter Verwendung von Natronlauge, und da braucht man auch enorm viel Waschwasser, wird dann das aktive Chitosan umgewandelt. Chitin wird durch die Umwandlung zu Chitosan und durch die Vielzahl der vorhandenen basischen Aminogruppen auch löslich in verdünnten Essigsäuren, und man kann auch kürzere Moleküle herstellen, die sind dann auch in Wasser löslich. Die Löslichkeit ist ein wichtiger Punkt für die Anwendung auch von dem Produkt, vor allem in der Landwirtschaft.

Lisa Baumgartner
Die Herstellung, die Gewinnung ist ein Prozess, der sehr chemisch ist, nicht gerade ökologisch. Woraus wird Chitosan gewonnen?

Sabine Gruber
Genau! Also, man muss wissen, Chitin ist das zweithäufigste Polysaccharid nach Zellulose auf der Welt. Es sind so zirka zehn Gigatonnen pro Jahr stehen zur Verfügung, und gesamtheitlich gesehen hat das mit den Vorkommen in Krebstieren, also in Schalentieren zu tun. Aber auch Insekten haben in ihrer Cuticula Chitin eingelagert und Pilze, also alle Pilze. Und das hat damit zu tun, dass Chitin einfach eine Struktur beziehungsweise eine stützgebende Funktion in diesen Organismen hat. Das heißt, die herkömmliche Ressource, um Chitosan kommerziell herzustellen, als State Of Art ist aus Schalentieren, aus Shrimps, aus Krabben wird auf sehr chemische Art und Weise Chitosan hergestellt. Also ein extrem potentes und sehr nützliches Biopolymer wird auf extrem chemische Art und Weise eigentlich hergestellt, mit sehr toxischen Nebenprodukten und sehr nicht umweltfreundlichen Prozessen.

Lisa Baumgartner
Sie haben schon gesagt, auch in Pilzen kommt Chitosan vor, und Ihre Idee kommt aus Ihrer Erfahrung in der Forschung der fungalen Biotechnologie. Ich glaube, seit mehr als zehn Jahren beschäftigen Sie sich schon mit Pilzen.

Sabine Gruber
Das ist richtig. Ja, also, ich habe damals in der Gruppe an der TU bei Professor Kubicek war das, hab ich angefangen mit Trichoderma zu arbeiten. Damals habe ich mich mit der Zellwand beschäftigt eben, und warum Chitin und Chitosan in dieser Zellwand so wichtig ist, hat damit zu tun, dass Trichoderma ein Mykoparasit ist, der auch Pathogene quasi befällt. Das ist auch ein sehr spannender Mechanismus. Mit dem habe ich mich damals beschäftigt, und da spielt Chitin und Chitosan eine große Rolle. Und im Zuge dieser Forschung, das war dann 2013, bin ich dann auf die Idee gekommen, dass erstens Chitosan ein extrem potentes Produkt ist, und aufgrund dieser chemischen Extraktion ist mir dann eingefallen, dass eine alternative Herstellung von Chitosanen aus diesen Pilzen eigentlich die Lösung sein könnte, um die herkömmlichen, wirklichen, nicht umweltfreundlichen Prozesse zu ersetzen. Also, meiner Meinung nach ein potentes Produkt, das als Biopolymer bezeichnet wird, muss für eine nachhaltige Anwendung auch grün hergestellt werden.

Lisa Baumgartner
Zusätzlich zur grünen Produktion, welche Vorteile bringt noch Chitosan, das aus Pilzen gewonnen wird?

Sabine Gruber
Ja, es gibt sehr viele Vorteile. Erstens mal, das Chitosan aus Krustazeen hat zum Teil Kontaminationen aus Fischprotein, das gilt als eines der schwersten Allergene überhaupt. Dann, die Schalen haben enormen Anteil an Calciumcarbonat. Das verhindert eine besonders gute Aufreinigung des Produktes, das heißt, man kriegt Produkte mit einem nicht besonders hohen Reinheitsgrad. Außerdem, die Schalen haben auch einen ganz dicken Layer, wenn man Muscheln anschaut, zum Beispiel, die haben ganz, ganz viel Protein drinnen. Das heißt, dieser Prozess ist nur bewerkstelligbar, wenn man wirklich mit Salzsäure und mit Natronlauge hier Reinigungsprozesse durchführt, sonst kann man das Produkt nicht sauber einsetzen. Beim Pilz hat man ein Produkt, das viel leichter aus der Zellwand herauszulösen ist, und wir hatten ja die Idee, wirklich den chemischen Ansatz völlig zu ersetzen, nämlich wir arbeiten enzymatisch. Wir haben gleichzeitig nicht nur Trichoderma als Biomasse herangezogen, sondern wir haben auch rekombinante Proteine, also Enzyme erzeugt, mit denen man wirklich auf einem grünen, weil in enzymatischen Weg, das Chitosan aus der Zellwand herauslösen kann.

Drop / Sprecher: Zu Gast bei Lisa Baumgartner, heute:

Sabine Gruber
Mein Name ist Sabine Gruber, gemeinsam mit meinen Kolleg*innen Carolina Escobar, Valeriia Zaremska, Ioannis Kampatsikas und Miriam Stattler beschäftigen wir uns mit der nachhaltigen Herstellung von Chitosan.

Lisa Baumgartner
Sie haben gesagt, sie beschäftigen sich ja schon lange damit den unterschiedlichen Forschungsprojekten. In welche Forschungsprojekte ist denn der Pilz dann eingeflossen?

Sabine Gruber
Ja, das war eigentlich wirklich das allererste Projekt, das gemeinsam mit einem Unternehmenspartner als Bridge Frühphase Projekt bei der FFG eingereicht wurde. Und das war das erste sogenannte Fungal Chitosan-Projekt und danach gab's noch ein Folgeprojekt. Ich glaube, das Spezielle an unserer Gruppe ist, wir arbeiten zwar hauptsächlich an Angewandter Forschung, aber wir bearbeiten auch FWF-Projekte, also seit 2016. Ich glaube, das besondere ist gerade das, dass, auch wenn man Grundlagenforschungsfrage bearbeitet, das heißt, es geht jetzt nicht nur um die Produktion von Chitosan, sondern wir wollen das verstehen, wie Chitosan oder Chitin synthetisiert wird in der Zellwand, welche Enzyme daran beteiligt sind. Das ist einerseits der ganzheitliche Ansatz zum Verständnis der natürlichen Synthese im Organismus, und andererseits geht es um die Gewinnung des gewünschten Produkts. Ich glaube, das macht gerade die Forschung besonders spannend, denn alle Projekte greifen inhaltlich ineinander über und befruchten sich gegenseitig.

Lisa Baumgartner
Frau Gruber, Sie haben gesagt, Chitosan aus Pilzen, das ist die eine Idee, aber sie verfolgen ja auch noch andere Ansätze, und hier kommt jetzt wieder ein bisschen mein Laienwissen ins Spiel: Wenn ich an Chitin denke, dann habe ich sofort im Kopf Insekten, und zwar vor allem Käfer und Flügel. Da ist Chitin drin. Sie haben dabei allerdings ein anderes Insekt im Fokus, nämlich die Schwarze Soldatenfliege.

Sabine Gruber
Genauso ist es. Ja, das ist ein neuer Trend, mehr oder weniger Insekten-Upcycling. Und zwar die Idee ist eben, aus anderen Ressourcen Chitosan herzustellen, und in den letzten Jahren hat sich die industrielle Verwendung bestimmter Insekten, wie eben vor allem der Schwarzen Soldatenfliege, zu einer vorherrschenden Methode entwickelt, nämlich dass Restbiomasse in wertvolle Quellen, zu Biomolekülen umgewandelt werden kann, eben: Proteine, wertvolle Öle und vor allem auch Chitin. Und diese wiederum werden für die Futter- und Lebensmittelindustrie eingesetzt. Bei diesem Verfahren eignet sich ein ganz breites Spektrum an organischen Reststoffen, eben zum Beispiel agroindustrielle Nebenprodukte bis hin zu tierischem Dung zum Beispiel. Und durch dieses Zwischenschalten eines insektenbasierten Biokonversionschrittes wird ein Kreislauf zurück zu der Quelle, nämlich zu den meisten organischen Abfällen - das heißt der Produktion von Lebens- und Futtermitteln - kann dann direkt geschlossen werden. Bei uns war aber die Idee gemeinsam mit einem Unternehmen, Chitosan als hochwertiges Produkt sollte in diesem bestehenden Kreislauf eingebracht werden. Das heißt, es sollte nicht nur Protein und Fett aus den Larven hergestellt werden, sondern die Abfälle, die aus den Häuten der Larven entstehen, sollten mit unserer aktuellen Technologie, nämlich diesem grünen enzymbasierten Produktionsprozess, sollte ebenfalls hochwertiges Chitosan hergestellt werden. Und um dieses Produkt sollte der Kreislauf noch erweitert beziehungsweise geschlossen werden.

Lisa Baumgartner
In Ihrer Forschung sind Sie sehr darauf bedacht, eben großen Nutzen zu bringen, also anwendungsorientiert, haben Sie schon vorhin erwähnt. Wie vermitteln Sie denn selbst diesen Gedanken Ihren Studierenden in der Studienrichtung Bioengineering?

Sabine Gruber
Mir persönlich ist wichtig, dass Studierende die globalen Zusammenhänge verstehen und vielleicht auch gesellschaftliche und politische Themen hier einzubringen, darüber nachzudenken, was Vor- und Nachteile komplexer Prozesse sind, um Ziele zu hinterfragen, nämlich das eigene Forschen und Handeln verantwortungsvoll zu sehen und nicht nur in den Ausbildungsleitlinien zu denken. Ich versuche zu zeigen, eben mittels dieser angewandten Forschungsgruppe, was umsetzbar ist, und, dass es trotzdem wichtig ist, aber vor erst die Details umfassend zu verstehen und zu lernen. Das heißt, man braucht schon eine Grundlage für die Umsetzung, und man braucht erst einmal enormes Wissen, bevor man sich, sag ich mal, an die angewandte Forschung wagt. Die Sensibilisierung für die Anwendung im Ausbildungsbereich ist, glaube ich, im Bioengineering-Studium ganz sicherlich besonders wichtig, nämlich zu verstehen, von den kleinen Bausteinen bis hin zu effizienten Anwendungen: Wie funktioniert der Prozess, wie baut man das auf, wie lernt man das experimentelle Denken? Ich halte es immer noch für sehr wichtig, das große Ganze in der Hochschulbildung zu sehen, auch wenn sie sehr beruflich fokussiert und orientiert ist.

Lisa Baumgartner
Wenn ich jetzt ein*e Studierende*r fragt, ja, wann bin ich eigentlich so weit, meinen Beitrag für die Forschung zu leisten? Geht das schon im Bachelor? Ist das erst der Master möglich? Was meinen Sie?

Sabine Gruber
Im Prinzip ist es, im Labor mitzuarbeiten, jederzeit möglich. Das heißt, ich kann den Bachelor genauso meine Handgriffe machen und kann wahnsinnig viel lernen. Es kommt immer drauf an, zum Beispiel bei angewandter Forschung und bei FFG-Projekten, dann müssen Ziele erreicht werden. Das heißt, das Mitwirken an Forschungsergebnissen ist sicher etwas anderes als jetzt rein im Labor Erfahrungen zu sammeln. Es bedarf schon einem verantwortungsvollen und selbstständigen Umgang mit Ressourcen, und ja natürlich auch schon eine gewisse Übung und praktische Erfahrung im Labor. Und natürlich auch - aber das kriegt man dann mit der Zeit - die Fähigkeit, eigene Experimente zu planen, und natürlich auch sehr hohe Stressresistenz für die zahlreichen Wiederholungen von Experimenten, die notwendig sind.

Lisa Baumgartner
Sie selbst haben gesagt, mit Ihrer Forschungsgruppe, mit ChisMet - kommt woher, der Name?

Sabine Gruber
ChisMet steht für Chitosan Metabolismus und bezeichnet eben unser Forschungsziel, auf grünem Weg Chitosan zu produzieren.

Lisa Baumgartner
Sie haben gesagt: Wir haben noch viel vor. Was können wir denn erwarten?

Sabine Gruber
Wir wollen auf jeden Fall unsere Produkte in den nächsten Jahren zur Marktreife führen beziehungsweise aufs Feld bringen, und natürlich auch mit neuen Kooperationen in verschiedensten Bereichen auch unser Anwendungsspektrum stark erweitern.