Sprechen, Schlucken und logopädische Forschung

Wie Studierende in der Logopädie die Brücke zwischen Forschung und Praxis schlagen.

Research & Skills – das Projekt steht für einen gewaltigen Brückenschlag mit dem Ziel Wissenschaft in der Logopädie mehr Raum zu geben und Wissen zu teilen. Die Wissensplattform stärkt nicht nur die Verknüpfung von aktuellem Forschungsstand und logopädischer Praxis, sie unterstützt auch die Weiterentwicklung von Teletherapie in der Logopädie. Lehrende Susanne Javorszky setzt dabei auch auf Studierende des Bachelorstudiengangs Logopädie – Phoniatrie – Audiologie der FH Campus Wien. Diese bringen ihr Know-How ein und machen dieses in Podcasts und Beratungsvideos für andere leicht zugänglich. Aktuelle Themenbereich sind beispielsweise kindliche Stimmentwicklung oder Folgeerscheinungen von Covid-19 Erkrankungen.

Datum: 15.4.2023

Sprechen, Schlucken und logopädische Forschung

Lisa Baumgartner
Schön sprechen - also schön deutlich sprechen. Irgendwie fühle ich mich heute dazu ganz besonders verpflichtet. Sie werden gleich verstehen, warum, liebe neunmalklug-Hörerinnen und -Hörer. Ich bin Lisa Baumgartner und ich wünsche Ihnen allen einen sehr feinen Tag. Mir gegenüber heute Susanne Javorszky, Logopädin und Lehrende un d Forschende im Studiengang Logopädie - Phoniatrie - Audiologie. Über Forschung in Ihrem Fachgebiet, über den Bezug zur Praxis und was die Bachelorstudierenden hier leisten - darüber reden wir heute. Weiters über Schnittstellen von Logopädie und Covid-19 und über Teletherapie. Logopädie heißt wörtlich übersetzt Sprecherziehung, das heißt alles und nichts. Können Sie uns da ein bisschen genauere Information dazu geben?

Susanne Javorszky
Ja, genau die Logopädie heißt Sprecherziehung, und das Bild, was wahrscheinlich den meisten geläufig ist, ist die Therapie von Aussprachestörungen bei Kindern, also dieses klassische, das Kind kann kein S oder R aussprechen. Allerdings arbeiten Logopäd*innen auch im Bereich myofunktionelle Störungen, also Probleme mit der Mundmotorik, den Muskeln, die den ganzen Mund und das Schlucken umfassen, im Sinne von Zahnstellungsproblemen und Mund- oder Nasenatmung. Logopädie beschäftigt sich außerdem mit Stimmstörungen, also sowohl organischen, wenn Nervenverletzung oder Stimmband-, Kehlkopfverletzungen aufgetreten sind, als auch funktionell, also wenn Heiserkeit oder andere Stimmprobleme auftreten, durch Fehlbelastung der Stimme. Ein weiterer Bereich sind die Hörstörungen, wo wir sowohl diagnostisch, also Hörtestungen, als auch rehabilitativ tätig werden, das heißt, wenn jemand neu versorgt wurde mit einem Hörgerät oder mit einem Cochlea-Implantat, wenn das Innen-Ohr ersetzt wird, kann Logopädie eine Art Hörtraining, Hörgeräte-Handling und ähnliches anbieten. Ein großer weiterer Bereich ist der Bereich der Schluckstörungen, sogenannten Dysphagien, wo Probleme mit der Nahrungsaufnahme bestehen, die wirklich den Schluckakt betreffen, sowie Sprachstörungen aufgrund von Hirnschädigungen oder Nervenproblemen im Sinne von Schlaganfall-Rehabilitation, das kennt man vielleicht.

Lisa Baumgartner
Soweit ich weiß, ist ja Logopädie eine sehr junge Wissenschaft.

Susanne Javorszky
Ja, das ist richtig, die Logopädie ist insgesamt erst ungefähr gute 100 Jahre alt und auch erst seit 2013 im systematischen Katalog der Wissenschaften erfasst. Die Wichtigkeit des evidenzbasierten Arbeitens breitet sich also gerade erst aus in unserem Bereich. Das heißt, dass wir auch Studien brauchen und eine Wissensbasis aufbauen müssen, um uns sicher zu sein, dass das, was wir tun, auch sinnvoll und therapeutisch wirksam ist, wie man das auch aus der Medizin natürlich kennt, Studien durchzuführen. Daher kommt die Idee für das Projekt, dass wir das Wissen, das bereits vorhanden ist, so in die Praxis bringen, dass es auch nutzbar wird für Kolleg*innen, die eins zu eins im Setting mit Patient*innen arbeiten. Wir wollen sozusagen die Brücke schlagen zwischen Forschung und Fertigkeiten, praktischen Fertigkeiten.

Lisa Baumgartner
Das Projekt nennt sich Research And Skills. Das ist eine Plattform, bei der Studierende Mitwirkung. Wieso ist Ihnen das so wichtig? Haben die Studierenden eigentlich schon die Fähigkeit dazu?

Susanne Javorszky
Ja, sie erwerben im Laufe des Studiums die Fähigkeiten dazu. Uns ist es wichtig, dass wir zukünftige Kollegen*innen ausbilden, die bereits von Grund auf vertraut sind mit dem evidenzbasierten Arbeiten und dem Verknüpfen von Wissenschaft und praktischen Tätigkeiten. Das erhöht die Qualität unserer Gesundheitsversorgung und strafft gleichzeitig Ressourcen. Das heißt, wenn ich weiß, dass das sinnhaft und nutzvoll ist, was ich tue, vergeudet man weniger Zeit, sowohl die eigene therapeutische als auch die der Patient*innen. Im vierten Semester, wo das Projekt verortet ist, haben die Studierenden bereits viel fachliches Wissen erworben, einige Lehrveranstaltungen zu wissenschaftlichen Methoden gehabt und können hier so direkt praktisch das Wissen umsetzen, das sie bisher nur theoretisch erworben haben. Und außerdem ist es eine freiwillige Wahl für dieses Projekt. Das heißt, wer eher praktisch veranlagt ist, wählt diese Gruppe nicht. Das muss ich auch noch dazu sagen.

Lisa Baumgartner
Welche Themen deckt denn jetzt die Plattform ab?

Susanne Javorszky
Die Plattform ist im Wachsen, momentan haben wir bereits die Themen Kinderstimme abgedeckt, COVID-19, weil es einfach ein ganz brisantes Thema war in den letzten Jahren, und Dysphagien, also Schluckstörungen. Bei der Kinderstimme ging's darum, Beratungsvideos zu machen für angehende Elementarpädagog*innen, was zu beachten ist, wenn man mit Kindern arbeitet und deren Stimme sich gesund entwickeln soll, um vorzubeugen, dass Kinder heiser werden aufgrund von ungünstigen Stimmverhalten. Da ist einerseits der hohe Hintergrundlärm, der einfach in Kindergruppen herrscht, ein zusätzlich erschwerender Faktor und auch das Wissen, was eine Kinderstimme in der Lage ist zu leisten. Also, das Singen in ungünstigen Tonlagen ist einfach eine große Belastung für Kinderstimme oder auch mit einem zu hohen Tonumfang. Das heißt, Kinder sollten nicht unbedingt Lieder singen, die für Erwachsene komponiert wurden.

Lisa Baumgartner
Wirklich?

Susanne Javorszky
Ja, weil manche - also mitunter - manche sind, einfach, die einfachen Popsongs gehen meistens, aber komplexe Lieder mit sehr viel Tonhöhenumfang können eine kindliche Stimme überlasten.

Lisa Baumgartner
Keine Königin der Nacht!

Susanne Javorszky
Genau, nicht unbedingt, außer man hat eine hohe Sopranstimme.

Lisa Baumgartner
Dysphagie, Sie haben vorher schon gesagt, das sind Schluckstörungen. Wie kommt es dazu?

Susanne Javorszky
Also, es gibt unterschiedliche Auslöser für Dysphagien. Die häufigsten sind wahrscheinlich die neurogenen Dysphagien aufgrund von Hirnschädigungen, wo direkt das Gehirn selbst durch Blutungen oder ein Schädelhirntrauma oder klassischerweise einen Insult geschädigt wird. Natürlich zählen dazu auch alle degenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Multiple Sklerose und auch die Demenz im späteren Verlauf. Dann gibt es die strukturellen Dysphagien, wenn Kopf-Hals-Operationen zum Beispiel geschehen sind, nach Tumorentfernungen oder Unfällen, wenn Teile der Zunge oder des Halses einfach anatomisch verändert sind und es daher aufgrund dieser Veränderungen zu Schluckstörungen kommt. Und eine dritte Gruppe sind die sarkopene Dysphagien aufgrund von altersbedingtem Verlust der Muskelmasse, wenn die Kraft nicht mehr ausreicht, um sicher schlucken zu können.

Lisa Baumgartner
Es war für mich ein bisschen erstaunlich, aber wie ich mir die Plattform angesehen habe, habe ich gesehen, es gibt eben auch Teletherapie. Logopädische Teletherapie, ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen, wie das funktioniert.

Susanne Javorszky
Naja, es funktioniert, zwangsläufig musste es funktionieren während der Lockdowns. Einerseits klassisch ist wohl die synchrone Videotherapie, so das, was man sich noch am besten vorstellen kann, dass beide vor einem Bildschirm sitzen und synchron miteinander über die Distanz in Kontakt treten. Da gibt es die Herausforderungen von der Beleuchtung des Mundes und dem Hintergrund, dass ich alles sehr zeigen kann, was in den Bildausschnitt passt. Aber da gibt es schon ganz gute Methoden. Andererseits gibt es auch ganz viel Apps, also das ist ja auch im weiteren Sinne Teletherapie, wenn den Patient*innen Apps empfohlen werden, wo Übungen angeleitet sind und mitgezählt wird. Das ist nach neuesten Erkenntnissen sehr zuträglich für den Therapieerfolg, weil diese Gamification, also der Belohnungsmechanismus, so angesprochen wird. Also gerade Kinder mögen das, aber auch Erwachsene, wenn man denkt, dann so Sprachlernapps wie Duolingo oder so, wenn Sie das kennen. Ich bekomme ein Sternchen und ein Lob, weil ich dreimal in der Woche geübt habe. Genau. Was außerdem noch ganz nützlich ist, ist zum Beispiel die Analyse über Distanz, also wenn ein Befund aufgenommen wird in einem Röntgeninstitut, zum Beispiel ein Schluckaktröntgen, muss die/der Logopäd*in nicht Vorort sein, sondern kann sich das Video anschauen und so einen Befund erstellen. Oder auch Fotos oder Videos der Übungssequenzen analysieren asynchron, das heißt nicht zur selben Zeit, wie sie durchgeführt werden.

Lisa Baumgartner
Sie haben vorhin die Apps erwähnt. Können Sie das sagen, in welchem Bereich gibt es da Apps?

Susanne Javorszky
Es gibt ganz viele Apps im Bereich der Aussprachestörungen, also der Artikulation-Therapie...

Lisa Baumgartner
Also für Kinder?

Susanne Javorszky
Für Kinder sowie auch für Erwachsene bei Schädigungen der Mundmuskulatur oder der Nerven, so dass die Aussprache verwaschen wird. Genau, das ist das häufigste, und es gibt auch schon einige Reha-Apps für Aphasie, also für Sprachstörungen nach Hirnschädigungen.

Lisa Baumgartner
Also, Kinder können tatsächlich mit der App lernen, ein richtiges L zu sagen oder ein rollendes R richtig zu sagen?

Susanne Javorszky
Ich würde jetzt nicht soweit gehen zu sagen, dass sie es lernen können, aber es kann den Übungseffekt unterstützen. Also, es wird sicher nie eine App die Therapeutin, den Therapeuten ersetzen können, aber mit guter Anleitung und Anpassung sehe ich da doch durchaus ein großes Potenzial.

Lisa Baumgartner
Covid-19 hat natürlich die Digitalisierung vorangetrieben, die Teletherapie und hat auch noch andere Schnittstellen zur Logopädie. Welche Covid-19 Folgeerscheinungen können jetzt eben eine logopädische Intervention hervorrufen?

Susanne Javorszky
Ganz akut wahrscheinlich, was jeder kennt oder in den Medien ganz präsent waren, waren die Geruchs- und Geschmacksverlust-Problematiken. Nachdem wir im Rahmen von Schlucktherapie sehr viel damit arbeiten, die Reizverarbeitung im Mund wiederherzustellen und die Wahrnehmung, war auch diese Geschmacks-Therapie relativ schnell klar bei der Logopädie etabliert. Wobei ich sagen muss, meines Wissens gibt es da noch nicht sehr viel Evidenz dazu, was wirklich hilft und die auch in den meisten Fällen ja selbstlimitierend waren. Also bei den meisten Leuten kommt das einfach wieder.

Lisa Baumgartner
Kommt das wieder nach einiger Zeit, ja...

Susanne Javorszky
Genau, aber wenn man lange darunter leidet, ist es sicher eine Möglichkeit, die man anbieten kann, um den Leidensdruck zu lindern. Außerdem ist COVID-19 assoziert mit einem erhöhten Risiko durch schweren Verlauf für Insulte, also für Schlaganfälle, die dann wieder die gesamte Batterie der logopädischen Rehabilitation in Anspruch nehmen. Was auch ein logopädisches Grundgebiet ist, ist das Kanülen-Handling, also die Versorgung der Atemtrachealkanülen, wenn die Atmung durch den Hals erfolgen muss, bei einem Luftröhrenschnitt. Und die Anpassung, die Entwöhnung dieser Kanüle sowie die Rehabilitation eventueller Schäden durch Intubation am Kehlkopf und durch Tracheotomie. Wenn Sie wissen, was mit Intubation gemeint ist: Ein Schlauch wird durch den Kehlkopf in die Lunge eingeführt, um so künstlich beatmet zu werden. Dabei wird natürlich mechanisch der Kehlkopf gereizt, und das kann in Folge nach der Extubation zu Schluckstörungen oder Stimmproblemen führen.

Lisa Baumgartner
Eine Langzeitwirkung von Covid-19 war, zumindest in den ersten Phasen, ja auch immer, dass die Atemwege beeinflusst waren, dass man irgendwie sehr schnell kurzatmig geworden ist. Kann da die Logopädie auch etwas machen?

Susanne Javorszky
Ja, das ist ein Überschneidungsfeld mit der Physiotherapie ganz bestimmt, die Atemtherapie, aber insbesondere da, wo es sich dann auch in Stimmproblemen äußert, weil die Stimmgebung beeinflusst wird durch diese Kurzatmigkeit oder auch die Fatigue insgesamt, also diese Gesamtbelastung, die so eingeschränkt ist bei Covid, ist sicher die Logopädie auch ein nützlicher Therapieansatz.

Lisa Baumgartner
Haben Sie da eine Übung parat?

Susanne Javorszky
Ein langsames, sanftes Summen, während man sich auf den Brustkorb mit den Fäusten klopft. Das bringt die Stimmlippen, also den gesamten Kehlkopfbereich in eine sehr sanfte Schwingung, kann helfen, Schleim zu lösen, und verlängert die Ausatmung.

Lisa Baumgartner
Wieder etwas gelernt. Gibt es sonst noch Folgeerscheinungen von Covid-19, die mit Logopädie geheilt oder beeinflusst werden können?

Susanne Javorszky
Was jedenfalls noch zu erwähnen wäre, ist das Guillain-Barré-Syndrom, eine entzündliche Erkrankung des Nervensystems, was, wenn die Hirnnerven betroffen sind, wieder schwere Schluckstörungen auslösen kann und damit natürlich wieder ein logopädisches Problem darstellt.

Lisa Baumgartner
Ganz am Anfang haben wir gesagt, eins der Themen, das ich auf der Plattform finde, ist: Stimmprobleme bei Kindern oder Sprechprobleme bei Kindern? Wenn ich jetzt als Privatperson, als Vater oder als Mutter eben ein Kind habe, das davon betroffen ist, kann ich auch auf die Plattform gehen? Gibt's da für mich auch etwas, oder ist das jetzt nur für Logopäd*innen und Forschende?

Susanne Javorszky
Die Zielgruppe sind auf alle Fälle Logopäd*innen. Wir sind schon bemüht, die Zusammenfassungen so zu schreiben, sprachlich zu formulieren, dass sie nicht zu hochtrabend sind, dass sie angenehm lesbar sind. Aber es wird bestimmt Fachvokabular verwendet, das nicht unbedingt von Nicht-Fachpersonen verstanden wird. Natürlich kann man sich aber trotzdem einen Einblick verschaffen und vielleicht ein bisschen hineinschauen. Ich möchte nochmal dazu sagen, es sind keine Informationen zu Sprachproblemen bei Kindern momentan auf der Homepage. Wir bauen sie aber aus, das heißt, es wird ganz bestimmt auch noch kommen. Was es eben gibt, sind Beratungsvideos für angehende Elementarpädagog*innen, die sicher auch von Eltern angeschaut werden können, wo Logopädiestudierende erklären, wie die Kinderstimme zu behandeln ist, was die Besonderheiten sind, was man beachten muss, wenn man mit Kindern und deren Stimme zu tun hat. Sie sind sicher für Eltern auch durchaus eine interessante Ressource.

Lisa Baumgartner
Wie gehen denn die Studierenden um mit den Aufgabenstellungen, die sie bekommen? Also, welches Feedback bekommen Sie von den Studierenden, die bei Research And Skills mitgewirkt haben?

Susanne Javorszky
Also, ich muss nochmal dazu sagen, nachdem das eben freiwillig gewählt ist, ist das Feedback sehr gut. Ich glaube, dass es nicht von allen so großartig gefunden werden würde, wenn wir sie verpflichten würden. Das ist einfach eine eigene Art. Man wird nicht unbedingt Logopäd*in, weil man Wissenschaftler*in werden will. Ich glaube, das müssen wir uns schon im Kopf behalten, aber sie sind gut vorselektiert. Also, es ist zumeist ein sehr positives Feedback, gerade weil sie zu dem Zeitpunkt schon Berufspraktika hatten oder erste wirkliche praktische Erfahrungen in verschiedenen Institutionen, und da das spürbar wird, dass eben es oft eine Diskrepanz gibt zwischen Forschung, aktuellen Wissensstand und dem, was in der Praxis lebbar und anderer wird, und auch, dass die Ressourcen sehr oft fehlen. Also angestellte Logopäd*innen in Krankenhäusern zum Beispiel können Arbeitstage haben, wo sie wirklich von Patient*in zu Patient*in laufen und gerade noch dokumentieren können, aber sicher nicht die Zeit haben, Studien raus zu recherchieren und zu lesen, und das Wissen auch zu verarbeiten, was sie sich da aneignen. Und da versuchen wir eben, eine Möglichkeit zu bieten, ihnen das zu erleichtern, und da sehen die Studierenden, glaube ich, sehr den Vorteil daran.

Lisa Baumgartner
Das heißt, es ist so eine Art Fortbildung, Kompakt-Fortbildung, die die Lögopäd*innen auch hier finden.

Susanne Javorszky
Genau, so kann man das sehen. Durchaus. Das ist auch unsere Hoffnung, dass eben wirklich Wissen sehr angenehm und praxisnah dort auffindbar wird.

Lisa Baumgartner
Unsere Gesellschaft wird ja immer älter. Ergibt sich dadurch eben für das Aufgabengebiet der Logopä*innen auch eine Veränderung?

Susanne Javorszky
Ja, ganz bestimmt, die Geriatrie wird auf alle Fälle einen immer höheren Stellenwert haben als Arbeitsfeld, einfach weil die Lebenserwartung insgesamt steigt bei uns in der Gesellschaft und auch Menschen durch die verbesserte medizinische Versorgung immer schwerere Erkrankungen und Ereignisse länger überleben. Das heißt, wir haben es zu tun mit potenziell hochbetagten, schwerst betroffenen Menschen, und vor 30 Jahren hätten wir viel weniger solche Menschen überhaupt noch am Leben gehabt. Weil einfach schwere Ereignisse, schwerer Herzinfarkt, schwerer Schlaganfall nicht so überlebbar waren, wie sie es heute sind, und sicher immer mehr überlebbar werden durch bessere Versorgung und schnellere Prozesse. Was dazu kommt, ist, dass der demografische Wandel dem noch beiträgt. Also, wir haben einfach mehr Alternde, prozentuell an der Bevölkerung. Das heißt, unsere gewohnte Situation der Eins-zu-eins-Betreuung, ein*e Therapeut*in, ein*e Patient*in wird nicht auf Dauer verwirklichbar sein. Insofern müssten wir sicher daran arbeiten, dass wir sehr gezielt präventiv arbeiten, dass wir sehr gezielt auch andere Berufsgruppen mit ins Boot holen, wie zum Beispiel die pflegenden Angehörigen oder Pflegeinstitutionen, um unser Wissen so zu verteilen, dass Übungen von uns angeleitet werden, aber von jemandem anderen vielleicht im Alltag noch unterstützt und umgesetzt werden. Und dafür ist es aber unabdingbar, dass wir sichere Evidenz haben, was wirksam ist und wie viel Wissen notwendig ist, um eine Übung korrekt anleiten oder korrigieren zu können. Einen großen Vorteil, den ich sehe, ist, dass durch den Verlauf der Zeit werden wir in den nächsten 10, 20 Jahren immer mehr alte Leute haben, die schon sehr versiert sind imUmgang mit digitalen Medien. Was uns wieder ermöglicht, zum Beispiel Teletherapie effizient anbieten zu können, wenn es nicht die Hürde ist, dass die Person, die die Teletherapie empfängt, Schwierigkeiten hat, ein Handy oder einen Laptop oder ein Tablet zu bedienen. Das wird sicher in den nächsten 10, 20, 30 Jahren sich markant ändern.

Lisa Baumgartner
Das bedeutet, welche Anforderungen müssen Studierende jetzt besonders im Auge behalten?

Susanne Javorszky
Den demografischen Wandel, also, den Umgang mit alten Menschen und das effiziente evidenzbasierte Arbeiten und sicher auch eine gewisse Freude am Einsatz digitaler Mittel und Methoden.