Gute Gespräche – gute Gesundheit

Wie Patient*innen-Gespräche effizient gestalten werden.

Eine hohe Qualität bei Patient*innengesprächen bewirkt viel: Sie ist ein relevanter Outcome-Parameter in der Krankenversorgung für Gesundheitszustand und –verhalten und schlägt sich in der Patient*innenzufriedenheit nieder. In diesem zweiten Podcast über Patient*innenkommunikation in gesundheitswissenschaftlichen Studiengängen sprechen Logopädin Sara Forer-Kaufmann und Physiotherapeutin Franziska Höhne über die Besonderheiten ihrer Therapiedisziplinen.

Datum: 31.3.2022

Gute Gespräche – gute Gesundheit 

Lisa Baumgartner
Miteinander reden - ist doch leicht! Manchmal aber auch nicht. Lisa Baumgartner begrüßt sie zu neunmalklug. Vielleicht haben Sie ja die letzte Folge gehört. Da ging es um patient*innenzentrierte Kommunikation. Diese ist ja essenziell für den Erfolg bei einer Therapie. Lehrende der Studienzweige Logopädie, Physiotherapie, Ergotherapie und Diätologie haben sich in einem Train-the-Trainer Programm der Österreichischen Plattform Gesundheitskompetenz intensiv mit patient*innenzentrierter Gesprächsführung auseinandergesetzt und geben diese Kompetenzen an Studierende weiter. Eine davon ist meine Gesprächspartnerin heute: Frau Sarah Forer-Kaufmann vom Studiengang Logopädie - schön, dass Sie da sind. Logopädie, Frau Forer-Kaufmann, beschäftigt sich ja per se mit Sprache, kommunikative Beeinträchtigungen gehören also zu Ihrem Berufsalltag?

Sara Forer-Kaufmann
Ja, das ist ganz richtig. Im Mittelpunkt der Logopädie steht die Kommunikation, wobei wir vor allem mit Patienten und Patientinnen arbeiten, die eben eine Beeinträchtigung der Kommunikation auf irgendeiner Ebene erleiden, entweder in der Ausdrucksgestaltung, also in ihrer Sprachfähigkeit, Sprechfähigkeit oder auch in der Stimmproduktion oder auch in der Sprachverarbeitung. Also, was das Hören betrifft, aber auch das Verstehen dann auf neurologischer Ebene. Dadurch sind Logopäd*innen sehr geschult, auch mit diesen Lücken in der Sprache umzugehen, also zu warten, wenn es länger dauert, bis mein Patient oder meine Patientin das Wort formulieren kann, bis er oder sie das überhaupt findet. Dann nachzufragen, ob das Wort, das rausgekommen ist, auch das war, das gemeint war, wenn es um Wortfindungsstörungen beispielsweise geht. Oder auch, wenn die stimmliche Ausdrucksfähigkeit beeinträchtigt ist, nachzufragen, ob diese Beibedeutung, die durch die Stimme dem Wort gegeben wird, auch so gemeint war, ob beispielsweise eine Aussage ironisch gemeint war oder ob der Patient oder die Patientin sich traurig fühlt bei diesem Thema. Alle diese Bereiche können beeinträchtigt sein im Rahmen von Erkrankungen oder Entwicklungsverzögerungen.

Lisa Baumgartner 
Aus der privaten Situation kennt vielleicht der eine oder die andere, dass die Kinder zur logopädischen Betreuung geschickt werden. Sie haben eigentlich mit jeder Altersgruppe zu tun.

Sara Forer-Kaufmann
Ja, wir arbeiten eigentlich von Säuglingen bis zu der Arbeit mit alten Menschen, bis auch zur Arbeit auf Palliativstation, also wirklich dann schon am Ende des Lebens. Ganz am Beginn und ganz am Ende beschäftigen wir uns eher mit der Nahrungsaufnahme, mit dem Schlucken. Aber dazwischen ist es eigentlich vor allem das sprachliche Vermögen, das uns beschäftigt.

Lisa Baumgartner
Die Kompetenzen zur richtigen Gesprächsführung gehen aber über die therapeutischen Kompetenzen, die die Studierenden bei Ihnen erlangen, hinaus, oder?

Sara Forer-Kaufmann
Ja, es geht dabei eigentlich dann eher um die persönlichen Kompetenzen der Studierenden, nämlich in der Gesprächsführung. Also weniger in Aufbau, Struktur der Sprache, im sozusagen Bescheidwissen über unsere Sprache an sich, es geht mehr um die Gesprächsführungskompetenz, also, wie leite strukturiere ich ein Gespräch, damit ich die besten Informationen oder die relevanten Informationen in einem gewissen vorgegebenen Zeit erhalte? Und auch der Mensch, der bei mir sitzt, die Informationen, die ich gebe, möglichst gut verstehen und mitnehmen kann.

Lisa Baumgartner
In dem Trainingsprogramm der Österreichischen Plattform Gesundheitskompetenz haben Sie sich mit effizienter Gesprächsführung intensiv beschäftigt? Welche Methodik liegt denn hier zugrunde?

Sara Forer-Kaufmann
Wir haben uns mit den sogenannten Calgary Cambridge Guides beschäftigt. Das sind Gesprächsleitlinien, die ursprünglich entwickelt worden sind für die Mediziner*innenausbildung, also fürs Medizinstudium, um den zukünftigen Ärztinnen und Ärzten zu ermöglichen, in kurzer Zeit einen guten Informationsaustausch bewältigen zu können mit den Menschen, die zu ihnen kommen. Die Calgary Cambridge Guides bieten also eine Strukturierung des Gesprächs in verschiedene Abschnitte, sodass die gesprächsführende Person sich orientieren kann: Worum geht es jetzt gerade? Was ist mein Fokus? Und zusätzlich liefern sie 71 sogenannte Skills oder Fertigkeiten, die besonders geeignet sind, den jeweiligen Gesprächsabschnitt zu begleiten.

Lisa Baumgartner
Welche Abschnitte gibt es da?

Sara Forer-Kaufmann
Also da gibt es natürlich den Gesprächseinstieg. Der nächste Punkt wäre dann Informationen sammeln. Anschließend erfolgt die körperliche Untersuchung oder Statuserhebung, jetzt im therapeutischen Bereich. Anschließend werden Informationen gegeben und gemeinsam geplant, wie es weitergehen soll und dann kommt der Gesprächsabschluss. Und je nachdem, wo ich mich befinde, ist es natürlich sinnvoll, eine andere Gesprächstechnik einzusetzen. Am Anfang zum Beispiel eine offene Frage zu stellen, um zum Sprechen oder zum Erzählen zu ermutigen. Und beim Informationen sammeln natürlich warten, zuhören, aber auch nonverbal zum Erzählen anzuregen. Beim Informationen geben oder planen gibt es die Technik des Chunk and Check zum Beispiel, also, dass ich immer eine kleine Portion an Information gebe. Dann noch einmal rückfragen, was verstanden worden ist, und dann wieder ein kleines Häppchen.

Lisa Baumgartner
Also Salami-Taktik.

Sara Forer-Kaufmann
Sozusagen, ja - mit Brot dazwischen. Ja, oder die Technik des Teach back. Also, dass sich die Person, mit der ich spreche, dazu ermutige, mir noch einmal zu erklären, was sie jetzt verstanden hat von dem, was ich erzählt habe, um zu sichern, dass das, was ich weitergeben wollte, auch angekommen ist. Oder um Missverständnisse aufklären zu können. Aber natürlich auch cues aufzugreifen, also aus der Körpersprache oder auch aus dem Gesagten noch mal aufzugreifen, und wie es dem Menschen, der mir gegenübersitzt, jetzt mit der Information gehen könnte, was das auch emotional auslöst. Häufig sind es ja Informationen, die für den Menschen, der da sitzt, eine große Bedeutung haben. Für uns Therapeut*innen ist es sozusagen Daily Business manche Diagnosen oder Prognosen auch auszusprechen, aber für den Menschen, selbst betroffen oder auch eine angehörige Person, die bei uns sitzt, ist das ja etwas, was das Leben sehr stark beeinflusst. Also, wenn wir eine kommunikative Beeinträchtigung haben, dann ist unsere Alltagsteilhabe häufig beeinträchtigt. Und deshalb sind es ja unter Umständen auch, oder meistens, sehr wichtige Informationen, die wir da weitergeben. Und da ist ja noch die Frage, was macht das in der Person, die da vor mir sitzt?

Lisa Baumgartner
Es geht sehr, sehr viel auch um Emotionen?

Sara Forer-Kaufmann
Ja, es geht auch sehr viel um Emotionen. Genau. Und da gibt es die Technik, dass wir auf diese Emotionen spiegeln, also dass wir versuchen anzusprechen, was wir sehen. Zum Beispiel, wenn ich über eine Krebsdiagnose spreche und den weiteren Verlauf in Bezug auf die Verwendung der Stimme, dann kann ich auch sagen: Wie geht es Ihnen denn damit? Sie schauen jetzt besorgt aus. Was löst es in Ihnen aus? Also, dass man sich auch traut, adäquat nachzufragen bzw. einen Deutungsversuch anzubieten und zu fragen, ob das auch stimmt. Nur, weil ich denke, die Person schaut jetzt verängstigt aus, muss ja noch nicht sein, dass das auch so ist. Also hier auch offen zu bleiben und neugierig aber nachzufragen.

Lisa Baumgartner
Sie haben uns jetzt von den Calgary Cambridge Guides erzählt, also einem Leitfaden und den verschiedenen Techniken dazu. Was war denn, wie Sie sich damit auseinandergesetzt haben, für Sie persönlich das besonders Spannende daran?

Sara Forer-Kaufmann
Die gute Botschaft auch in dieser ganzen Geschichte, finde ich, ist, dass man das üben kann und dass man es erlernen kann. Also, es gibt ja Menschen, die sozusagen aus ihrer Entwicklung heraus geschicktere oder weniger geschickte Kommunizierende sind. Aber mit dieser Struktur und mit dem Training dieser Fertigkeiten können wir uns immer, egal auf welcher Stufe unserer Kompetenz wir uns befinden, weiterentwickeln.

Lisa Baumgartner
Und wir erfolgen jetzt diese Übungen?

Sara Forer-Kaufmann
Also, es gibt verschiedene didaktische Methoden, aber eine Hauptmethode, die ich sehr schätze, ist die Arbeit mit Simulationspatient*innen in sogenannten ALOBA-Sessions. ALOBA heißt Agenda Lead Outcome Based Analysis, wo wir also versuchen, die Agenda der lernenden Person zu erheben. Also, was möchtest du trainieren in diesem Training? Und dann sagt er oder sie zum Beispiel: Ich möchte mal einen Beziehungsaufbau üben, ich möchte den Einstieg ins Gespräch üben. Und dann gibt's andere, die noch teilnehmen an dieser Session, die Beobachtungsaufgaben bekommen und beobachten, wie gut die Person, die üben möchte, diese Skills umsetzt. Und trainiert wird dann mit einem Schauspiel- Patienten oder einer Schauspiel-Patientin, die eine Zusatzausbildung haben in diesem Kommunikationstraining und die sehr differenziertes Feedback geben können. Also, die sagen können: Wie du das gesagt hast, hat es in mir das ausgelöst. Ich hätte an der Stelle das und das von dir gebraucht. Und anschließend gibt es die Möglichkeit, das dann noch einmal auszuprobieren, die Sequenz nochmal zu spielen und ein anderes Verhaltensmuster auszuprobieren und zu schauen: Wie geht es mir damit? Wie finde ich da meine eigenen Worte dazu? Und was ist da wiederum das Feedback meiner Patientin, meines Patienten und der Gruppe.

Lisa Baumgartner
Habe ich das jetzt richtig verstanden? Es geht gar nicht darum, ein Gespräch von Anfang bis zu Ende in einem durch zu probieren und zu experimentieren, sondern es geht tatsächlich um Sequenzen. Das heißt, es dauert gar nicht so lange so eine Übung?

Sara Forer-Kaufmann
Genau, ja, das ist ganz richtig, weil sich meistens in ein, zwei Minuten schon wesentliche Verhaltensmuster zeigen. Sprich, wenn wir weiterspielen lassen, wenn wir weiter üben lassen, eine Wiederholung von diesen Mustern sehen. Also eigentlich ist es geschickt, wenn wir nach ein, zwei Minuten schon abbrechen und sagen: Stopp! Was hast du jetzt selber beobachtet? Dann können wir nämlich sehr konkret bleiben. Wenn wir 10 Minuten reflektieren sollen, was wir wie gesagt haben, dann verschwimmt das meistens sehr.

Lisa Baumgartner
Die Studierenden profitieren ja jetzt auch von diesen Methoden. Inwieweit profitieren sie davon?

Sara Forer-Kaufmann
Ja, wir konnten dieses Training schon in unsere Ausbildung implementieren. Also unsere Studierenden im zweiten und zukünftig auch im sechsten Semester erhalten schon solche Trainingseinheiten. Und dadurch können wir auch diese Brücke zwischen der theoretischen Ausbildung, also zwischen dem Wissen über Kommunikation und Kommunikationstechniken hin zur Anwendung im Praktikum ein Stück diesen Bogen schließen, weil sie die Möglichkeit haben, direkt im Kontakt mit Simulationspatient*innen zu arbeiten. Dadurch gewinnen die Studierenden einerseits Sicherheit. Durch diese Struktur der Calgary Cambridge Guides erlangen sie eben auch Orientierung im Gespräch und können so flexibler auch agieren, inhaltlich sozusagen, und besser auf die Person eingehen. Außerdem können sie schon sehr praxisnah die Therapeut*innenrolle einnehmen. Das schätzen sie auch sehr aus unseren ersten Erfahrungen. Ich habe mir noch angeschaut, welche Evaluierungen denn bis jetzt in der Lehrveranstaltung gekommen sind. Und da beschreiben die Studierenden zum Beispiel, dass sie Formulierungshilfen bekommen haben, also wirklich sehr konkrete Orientierungspunkte auch oder Vorschläge. Dass sie durch das spezifische Feedback und die Wiederholung auch wirklich persönlich profitieren konnten. Dass es also nicht so abstrakt geblieben ist, sondern wirklich was mit ihnen selber zu tun gehabt hat. Dass sie Einblick in das Praxisgeschehen bekommen haben und dass es ihnen Spaß gemacht hat. Und das ist ja ein ganz wichtiger Faktor beim Lernen. Dass wir uns wohlfühlen und dass wir Spaß haben. Und, was auch mehrmals erwähnt worden ist, dass wir in dieser Kleingruppe sind, fünf Studierende und eine Trainerin, eine sehr offene und wertschätzende Atmosphäre entstehen lassen konnten und dadurch auch die Studierenden Mut gefasst haben, sich zu zeigen und was auszuprobieren und sich einzulassen.

Lisa Baumgartner
Als Trainerin was geben Sie Ihren Studierenden mit? Was ist Ihnen besonders wichtig, dass diese mitnehmen?

Sara Forer-Kaufmann
Dass es ganz wichtig ist, neugierig zu bleiben und Fragen zu stellen. Also ich finde, dass es eine der wichtigsten Qualitäten eine*r Therapeut*in ist, nicht zu wissen. Weil, dann versuche ich wirklich den Menschen, der vor mir ist, ganz individuell wahrzunehmen und bleiben nicht sozusagen bei meinen Schablonen, sondern komme zu einer sehr individuellen Betreuung.
Off-Sprecher: Thema des heutigen Podcasts?

Lisa Baumgartner
Das Gespräch zwischen Patient*in und einer therapierenden Person, wie läuft das optimal? Für die Betroffenen geht es dabei ja immer um sehr viel Persönliches. Das Gespräch ist oftmals begleitet von Unsicherheit oder Ungewissheit. Und das Ziel, einen guten Zustand zu erhalten oder eine nötige Verbesserung zu erreichen, schwingt auch immer mit. Um bei so viel Komplexität und Vielschichtigkeit den Menschen im Fokus zu haben werden angehende Studierende auch im Studiengang Physiotherapie bestens auf Gesprächsführung vorbereitet, unter anderem von Franziska Höhne. Hallo Frau Höhne. Auch Sie haben ja im Kooperationsprojekt zwischen der FH Campus Wien und der Gesundheit Österreich GmbH den Trainerlehrgang zur patient*innenzentrierten Gesprächsführung absolviert und lassen das jetzt in die Lehre einfließen. Auf welche Situationen treffen Sie denn als Physiotherapeutin in Ihrem Berufsalltag?

Franziska Höhne
Ja, also in der Physiotherapie beschäftigen wir uns mit Menschen verschiedenster Art, die haben Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen und dabei kann immer der gesamte Körper betroffen sein. Von Kopf bis Fuß, alle Gelenke, alle Muskeln, alle Bänder. Und durch unsere Arbeit versuchen wir, die Funktionalität soweit wiederherzustellen, dass der oder die Patient*in den eigenen Alltag meistern kann oder eben auch die eigenen Hobbies ausleben kann, die ihm oder ihr wichtig sind. Und auch Sportarten durchführen kann, die denjenigen ausfüllen. Dabei tritt man als Physiotherapeut*in von Beginn an in einen Austausch, um zum Beispiel das aktuelle Befinden, die Probleme und auch die Wünsche und Ziele des/der Patient*in herauszufinden. Und dabei steht eben die verbale und auch nonverbale Kommunikation im Vordergrund, damit es eben möglich ist, eine therapeutische Beziehung aufzubauen. Und die ist ebenso wichtig, um auch einen guten Therapieerfolg zu haben. Dabei beginnt die Kommunikation nicht erst mit der ersten Frage zum Problem, was der/die Patient*in hat, sondern die startet schon sehr viel früher, nämlich bei der Terminvereinbarung oder bei der Begrüßung. Als Physiotherapeut*innen arbeiten wir mit Menschen um zum Beispiel der Gesundheitsverhalten, also in der Prävention, aber auch bei akuten oder chronischen Problemen des gesamten Körpers, also in der Rehabilitation. Und um erfolgreich in der Behandlung sein zu können, sollte der Mensch immer als Ganzes betrachtet werden. Denn oftmals ist es so, dass das Umfeld, des/der Patient*in, bestimmte Gewohnheiten, die Erde sie hat oder auch bestimmte Arbeitsabläufe im Beruf, die haben oftmals einen großen Einfluss auf das eigentliche Problem. Und da spielt eben neben Empathie die Kommunikation eine große Rolle, um das herauszufinden.

Lisa Baumgartner
Vermutlich ist das Einstellen auf das Gegenüber ein wesentlicher Faktor. Auf welche unterschiedlichen Typen und Charaktere treffen Sie denn da beispielsweise?

Franziska Höhne
Nun, zum Beispiel die, die sehr, sehr viel reden und gar nicht mehr aufhören zu reden, wenn man eine Frage gestellt hat. Andere wiederum, die reden überhaupt nicht gerne über sich, über ihr Problem. Es gibt welche, die sehr emotional sind, zum Beispiel aufgrund der Diagnose oder der Prognose, die sie bekommen haben auf ihr Problem, auf ihre Krankheit. Es gibt viele Krankheiten, die nicht wieder gut werden, sondern progredient sind, also voranschreiten sind. Und auf all das müssen wir eingehen können, um eben die Ressourcen, die jemand mitbringt, in die Therapie herauszufinden und um auch Limitationen herauszufinden, die sich eben auf den Krankheitsverlauf auswirken können.

Lisa Baumgartner
Das ist also eine Vielfalt an unterschiedlichen Charakteren und mit allen arbeiten Sie ja an einem bestimmten Ziel. Und das soll im Gespräch herausgefiltert werden...

Franziska Höhne
Ja, genau. Also als Physiotherapeut*in müssen wir auch viele Informationen geben, denn bei vielen Problemen und bei Schmerzen müssen die Patient*innen Übungen auch zu Hause durchführen, Gewohnheiten teilweise ändern, neue Bewegungsmuster im Alltag umsetzen. Also es reicht nicht, dass Sie ein-, zweimal eine Stunde zur Therapie kommen und dann funktioniert alles wieder, sondern Sie müssen es eben auch mitnehmen und zu Hause umsetzen. Und damit ich da sicher sein kann, dass meine Informationen und auch die Erklärungen zu meinen Übungen verstanden wurden, dafür brauche ich eben so kommunikative Fertigkeiten und das sind dann oftmals so gewisse Werkzeuge oder eben Methoden, um mit bestimmten Situationen umgehen zu können. Also auch, was tue ich zum Beispiel, wenn jemand in der Behandlung anfängt zu weinen? Oder, was mache ich, wenn jemand sehr verärgert ist und vielleicht nahezu aggressiv? Oder eben auch: Wie schaffe ich es, eine Person, die sehr wenig redet, zum Reden zu bringen, um dort alles rauszufinden? Da ist es aber so, dass es oftmals nur so kleine Nuancen sind, die verändert werden müssen. Ein anderes Wort, was man wählen muss beim Sprechen oder Pausen, die man vielleicht denkt zu machen, wirklich zu machen, und zuzulassen und auch auszuhalten. Und dann kann man sehr viel bessere Outcomes bekommen. Was da aber ganz wichtig ist, ist, dass man man selbst bleibt beim Kommunizieren. Man soll sich nicht verstellen und irgendwelche Sätze auswendig lernen, die man so nie sagen würde, sondern man soll versuchen, in dem, wie man ist, sich anzupassen, einzelne Wörter zu verändern. Dabei ist es nicht so, dass es eben das Richtige und das Falsche gibt. Das Schwarze und das Weiße. Das ist nicht so, sondern man soll sich auf das Gegenüber einstellen können und dann eben viele Varianten parat haben, um adäquat reagieren zu können.

Lisa Baumgartner
Kann ich sagen, patient*innenzentrierte Gespräche sind in der Physiotherapie ein Muss? Ohne sie geht es gar nicht?

Franziska Höhne
Ja, unbedingt. Das würde ich sofort so unterschreiben. Und es ist eben nicht nur in der Physiotherapie so, dass patient*innenzentrierte Gespräche wichtig sind, sondern überall im medizinischen Bereich. Denn wenn ich mit dem Patienten in seinem oder ihrem Problem arbeiten möchte, dann muss ich eben genau herausfinden: Was ist das Problem und wo ist das Problem? Und in welche Richtung möchte vor allen Dingen auch der Patient arbeiten, wo es sein oder ihr Ziel. Das kann ich eben nur, wenn ich auf den Patienten orientiert bin und in den Gesprächen viel dafür tue. Also, genau zuhöre, genau nachfragen, um herauszufinden, was der Patient oder die Patientin brauchen. Und dann eben auch alle Maßnahmen, die zur Verbesserung des Gesundheitszustandes des/der Patient*in, also der sogenannten Patienten-Education, das ich die auf ihn oder sie zugeschnitten geben kann. Und da ist es dann eben so, dass Patient*innen viel zufriedener sind und ich als Therapeut*in auch. Und die Ergebnisse sind nachhaltiger. Und am Ende macht das Arbeiten dann einfach noch mal viel mehr Spaß.

Lisa Baumgartner
Wie gehe ich denn als Therapeut*in konkret auf diese unterschiedlichen Charaktere zu?

Franziska Höhne
Ja, also die Herausforderung ist eben, sich auf das Gegenüber einzustellen. Und da sprechen wir mit den Studierenden zum Beispiel darüber, dass es wichtig ist, die Art der Fragestellung so anzupassen, dass eben mein Gegenüber wirklich Antworten gibt. Da gibt es eben offene und geschlossene Fragen und man muss überlegen, welche sind passend? Jemand, der sehr viel redet, wenn ich dem sehr viele offene Fragen stelle, dann wird er sehr viel mehr noch reden. Da sollte ich vielleicht eher auf geschlossene Fragen eingehen und solche Dinge gibt es. Oder auch die Art des Erklärens. Die muss individuell angepasst werden, um eben wirklich den Patienten zu erreichen. Da gibt es nicht so ein Schema F, sondern ich muss einfach versuche, situationsorientiert agieren zu können. Und wenn ich jetzt mehr und mehr zu einer Expertin oder einem Experten werde, dann wird das Repertoire, aus dem ich dann schöpfen kann, einfach immer größer. Und das ist auch in allen Arbeitsbereichen von uns Physiotherapeut*innen so, sowohl im Krankenhaus als auch in der freien Praxis oder in der Lehreinrichtung. Vielleicht ist der Zustand und die Bedürfnisse des/der Patient*in, die sind etwas unterschiedlich. Im Krankenhaus sind sie eher akut betroffen und in der Reha und in der freien Praxis, da haben sie eher mit chronischen und auch so wiederkehrenden Problemen zu tun. Aber, überall haben die Menschen Sorgen, bezogen auf ihre Situation. Geht es weiter? Wie geht es weiter? Kann ich wieder arbeiten? Werden die Schmerzen irgendwann wegfallen? Was tue ich, wenn ich jetzt mein Arm nicht mehr bewegen kann? Und sie müssen einfach lernen, mit diesen neuen Lebenssituationen umzugehen. Und dabei ist auch ein wichtiger Faktor, dass die Angehörigen in diese Situation auch mit einbezogen werden müssen. Und ich muss als Therapeut*in auch mit den Angehörigen umgehen können. Zum Beispiel bei neurologischen Erkrankungen spielen sie eine große Rolle, damit eben zu Hause Dinge, die in der Psychotherapie erarbeitet werden, dann auch umgesetzt werden.

Lisa Baumgartner
Wie kann ich denn dann Physiotherapeut, als Therapeutin diesen Situationen schon mit einer gewissen Gelassenheit begegnen?

Franziska Höhne
Ja, das versuchen wir eben genau solche Situationen aus dem Alltag in den Settings gestalten mit den Schauspiel-Patient*innen und die dann durchspielen. So, dass die Studierenden zum Beispiel üben, in einer Situation mit einer Angehörigen zu kommunizieren und gleichzeitig auch mit der Patientin. Die Angehörige, die fällt immer wieder der Patientin ins Wort und ergreift für sie das Wort. Und sie lernen dann Strategien, die wir vorher in der Theorie versucht haben, in Modellen zu erläutern, die versuchen, sie dann anzuwenden, um zum Beispiel nachzufragen, auch bei der Angehörigen, was sie besorgt? Weil, das hat einen Grund, warum sie immerzu Fragen stellt und was wissen will. Und so kann man alle möglichen Seiten, nämlich die der Patient*in, der Angehörigen und auch die eigene Seite, also die eigene Meinung als Therapeut*in beleuchten und darstellen. Und dann gibt es auch Beispiele, wo Schauspieler*innen zum Beispiel verschiedene Emotionen spielen, wie Ungeduld oder Ärger oder auch große Trauer. Und die Studierenden üben dann, was sie dann sagen können. Auch das wird eben, wie gesagt, immer vorher in der Theorie besprochen. Das ist eine gute Methode, wenn jetzt jemand zum Beispiel emotional ist, dass man signalisiert: Oh, ich habe gemerkt, du bist emotional. Und benenne das auch und sage: Du bist verärgert. Und dann versuche ich, den Raum so aufzumachen, dass ich bitte: Erzähl mir was darüber, was bedrückt dich? Was verärgert dich? Weil, nur wenn ich das Problem kenne, dann kann ich mit dem Patienten zusammen weitere Schritte erarbeiten. Wenn ich es nicht kenne, kann ich nicht darauf eingehen. Und dann ist es eben so, dass diese Emotion auch langsam verschwindet, denn für den Patienten wird eine Lösung gegeben und ich kann einfach auch besser arbeiten. Ja, dann spielt auch eine Rolle das strukturierte Geben von Informationen zum Thema. Zu einem bestimmten Thema, wie zum Beispiel die Funktion des Beckenboden. Da muss ich schauen, was weiß der Patient schon oder die Patientin und welche Information braucht er oder sie noch? Und dann erkläre ich vielleicht eine ganze Menge und dann möchte ich eben auch wissen, was hat er wirklich behalten -oder sie? Da muss ich nachfragen. Und da geht es immer darum, dass es nicht ein Abprüfen des Patienten ist, ob er auch brav zugehört hat, sondern es geht immer meine Seite, die Therapeut*innenseite, sei es, ob ich es gut erklärt habe. Und gehe dann in den Dialog und schau mir an, was hat er oder sie wirklich behalten? Ja, und dann üben wir eben aktives Zuhören oder auch Empathie zeigen an konkreten Beispielen, die dann eben die Schauspieler*innen darstellen. Und was so wertvoll ist für die Studierenden, ist, dass sie so an kleinen persönlichen Zielen arbeiten können und sofort nach dieser kleinen, kurzen Sequenz, in der sie spielen, konstruktives Feedback bekommen. Also mit Lösungsideen vom Schauspieler, der dafür geschult ist, von den Mitstudierenden, die das beobachtet haben, und auch von der Lehrveranstaltungsleiterin. Und dann sollen sie mit diesen Tipps, mit dem Feedback sofort wieder ins Spielen gehen, damit sie dann ihre Fertigkeiten festigen können. Weil nur hören, was man machen könnte, ist nur die halbe Wahrheit. Man muss es wirklich tun. Also, es ist so ein Learning by doing - again and again and again.

Lisa Baumgartner
Also, die Lernsituation ist so: ein Studierende oder eine Studierende üben mit dem Schauspielpatient*innen und die anderen Studierenden hören zu und geben direktes Feedback. Allein durch dieses Feedback geben, lernen da die Studierenden auch schon eine Menge?

Franziska Höhne
 Auf jeden Fall. Also das ist ein ganz, ganz wichtiger Aspekt, weil zum einen, müssen sie aufmerksam zuhören, weil sie bekommen Feedbackaufträge und können sich dann nicht so aus der Situation rausnehmen, auf Sendepause gehen oder abschalten. Und durch dieses Beobachten und auch dieses selber Rückmelden passiert bei ihnen selbst auch ganz viel. Und das ist zum Beispiel so, dass, wenn ich jemanden beobachte, was derjenige in der Situation tun würde, dann kann das mein eigenes Handeln bestätigen, weil ich vielleicht die gleiche Strategie im Kopf hatte, wie ich vorgegangen wäre. Aber, ich kann auch sehen: Aha, das ist eine Variante, die funktioniert auch und sie hat diese oder jene Wirkung. Da wird eben nochmal umso deutlicher diese Grautöne, von denen ich gesprochen habe, dass die einfach sichtbar werden und dass es so viele Wege gibt und dass es gut ist, auch vielfältige Möglichkeiten zu haben, weil wir so vielfältige Patient*innentypen haben, mit denen wir arbeiten. Und was auch für viele dann sichtbar wird: Es geht nicht um so eine riesige Situation, sondern es geht um eine Sequenz, in der ich tue und in der ich eine kleine Nuance - einen sogenannten Babystep - dann verändere. Und dann, wenn ich das einmal gesehen habe, traue ich mich vielleicht auch selber, mich dann auszuprobieren.

Lisa Baumgartner
Aus Ihrer Erfahrung: Was sind denn so die größten Herausforderungen für die Studierenden und wo liegen die größten Benefits?

Franziska Höhne
Also, die größte Herausforderung ist definitiv, dass man sich trauen muss, vor der Kleingruppe zu spielen. Es sind meistens so zehn, vierzehn Studierende und da muss ich mich drüber trauen, dass ich mich trotzdem vor denen ausprobiere, zusammen mit dem Schauspieler. Und das kostet den einen ein bisschen mehr und den anderen weniger Überwindung. Aber, wenn man das dann geschafft hat und merkt durch die wertvolle Rückmeldung, die man bekommt, dass man viele Dinge schon richtig gut macht und dass man durch ganz kleine Veränderungen schon so einen besseren Effekt haben kann beim Gegenüber, dann wächst man unglaublich mit der Erfahrung. Ich habe das selber auch ausprobiert und, wenn man sich mal überwunden hat, dann wird man gleich am Ende zwei Zentimeter größer. Wovon man profitiert in so einer Situation ist eben, dass man sich auch mal ausprobieren kann. Also, man könnte zum Beispiel auch hingehen und eine Reaktion oder auch eine Formulierung wählen, die man im echten Leben sich so nie trauen würde, weil man nicht weiß, wie das Gegenüber reagieren würde. Aber in der Situation kann man das ausprobieren, weil man ja dann Gesprächsabschnitte mehrmals spielen kann und man hört sofort: Wie wirkt das? Im echten Leben kann ich das oftmals nicht und mit echten Menschen kann ich nicht zurückspulen. Wenn der Einstieg einmal vermasselt ist, muss ich manchmal ganz schön rudern und wieder in besseres Fahrwasser zu kommen, um die Situation zu retten. Und das ist ebenso ein großer Vorteil bei der Arbeit mit den Schauspielpatient*innen. Und was auch noch wichtig ist: Diese Beispiele, die wir da wählen, sind typisch aus dem therapeutischen Alltag. Wir versuchen auch oftmals konkrete Probleme, die Studierenden mitbringen, mit einfließen zu lassen. Weil es eben so ist, wenn ich an einer Situation arbeite, die mich selber direkt trifft oder betroffen hat, dann kann ich ganz anders mich auf die Situation einlassen. Und den Studenten jeder Student, der sich ausprobiert oder die sich ausprobiert, die arbeiten dann an dem eigenen Lernziel, also am eigenen einen kleinen Schritt. zum Beispiel: Ich möchte meine Körperhaltung bewusster wählen oder ich möchte in dem Gespräch Pausen machen. Oder ich möchte Erklärungen in einfachen Sätzen geben. Viele Studierende sind dann erstaunt und merken, was sie eigentlich schon alles richtig gut machen und, dass es so kleine Dinge gibt, die sie verändern können, um noch ein besseres Outcome zu haben. Und andere merken dafür auch, sind überrascht, dass sie eigentlich denken, sie machen alles schon ganz richtig, wo vielleicht noch so ein paar Hoppalas bestehen.

Lisa Baumgartner
Ich habe gehört, dass Sie auch disziplinenübergreifende Trainings anbieten, also Studierende aus der Physiotherapie mit Studierenden der Diätologie trainieren hier gemeinsam. Welche Vorteile ergeben sich daraus?

Franziska Höhne
Da sind die Vorteile definitiv die, dass wir da schon quasi im Studium mit der interprofessionellen Zusammenarbeit starten und sich die unterschiedlichen Professionen kennenlernen. Und die sozusagen das Berufsfeld des anderen kennenlernen und Bescheid wissen und man dadurch auch Gemeinsamkeiten erkennen kann. Oder auch Anknüpfungspunkte, also wo man gut zusammentun kann, um den Patienten noch optimaler zu betreuen. Und wir glauben, dass wenn die Studierenden das schon während des Studiums erleben, dass sie dann Berührungsängste, die sie vielleicht haben, einer anderen Profession gegenüber, weil sie vielleicht denken, das ist mein Konkurrent, und da muss ich mich gegen stemmen, dass die sich abbauen. Und dass da einfach kein Gegeneinander ist, sondern ein Miteinander. Und so wird es dann im Berufsalltag sicher leichter sein, noch mehr miteinander zu arbeiten und Anknüpfungspunkte zu suchen, um die Patient*innen optimal betreuen zu können.