Am 21.Juni ist es wieder soweit: Am Global City Sampling Day swabben Forscherin Alexandra Graf und Studierende im Masterstudium Bioinformatik wieder in der Wiener U-Bahn - sie entnehmen mit dem Wattestäbchen Proben von Sitzflächen und Haltegriffen und entdecken dabei eine Vielzahl völlig unbekannter Spezies. Als Teil der internationalen Forschungsinitiative MetaSUB sind sie Bakterien, Pilze, mikroskopischen Lebewesen, dem Mikrobiom der Stadt auf der Spur, um eine mikrobielle Weltkarte zu erstellen. Die junge Wissenschaft der Metagenomik analysiert das Zusammenspiel der Mikroorganismen in der Gemeinschaft und gibt Aufschluss über den Einfluss des Mikrobioms auf unsere Umwelt oder die menschliche Gesundheit. Auch für den Kunstbereich sind die Erkenntnisse wertvoll: Sie können helfen, Kunstgemälde zu erhalten oder auch Gebäude. Im Herbst unterstützt Alexandra Graf das interdisziplinäre Forschungsprojekt "Pretty in Pink?" zur Restaurierung der Virgilkapelle in Wien.
1.6.2021
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Lisa Baumgartner: Schön, dass Sie wieder mit dabei sind bei einer weiteren Folge von Neunmalklug Lisa Baumgartner begrüßt Sie. Wir tauchen heute ein in eine Welt von ganz kleinen Lebewesen, von Mikroben. Sie sind fuzi-klein, aber sie können uns doch ganz schön viel sagen, wenn man natürlich weiß, sie zu analysieren und sie zu interpretieren. So wie meine Gesprächspartnerin, Alexandra Graf. Sie sind ja Bioinformatikerin, lehren und forschen im Departement Applied Life Sciences an der FH Campus Wien. Und ich habe gelesen, in der FEMtech Expertinnen-Datenbank schreiben Sie über sich selbst: Mein Haupt Interessengebiet ist die funktionelle Genomik von mikrobiellen Isolaten und Gemeinschaften. Und seit Jahren wirken Sie intensiv an Studien mit zum menschlichen und ökologischen Mikrobiom und dessen Einfluss auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Da gilt es für mich jetzt zunächst einmal zwei Begriffe zu klären: Was ist ein Mikrobiom und was ist die Metagenomik?
Alexandra Graf: Das wird oft quasi als ein Begriff verwendet. Aber es gibt doch einen Unterschied. Als Mikrobiom versteht man die Gemeinschaft der Mikroben, also alles, was unter einer bestimmten Größe ist und auf unterschiedlichen Oberflächen lebt, in unterschiedlichen Lebensräumen. Und die Metagenomik ist dann eher die DNA, also quasi das genetische Material, das man aus diesen Organismen extrahiert und analysiert. Da geht es eher um die Analyse, quasi was extrahiere ich aus diesen Organismen, wie analysiere ich das und was kann ich damit weitermachen?
Lisa Baumgartner: Und warum zieht sie die Metagenomik so in den Bann? Was fasziniert sie an der Wissenschaft so sehr?
Alexandra Graf: Also, mich hat immer schon fasziniert, wie unterschiedliche Organismen in einer Gemeinschaft zusammenleben, sich gegenseitig beeinflussen und den Effekt, den sie als Gemeinschaft haben. Da geht es sehr viel um Funktionen, die sich verändern, wenn Mikroben in einer Gemeinschaft leben, statt sie allein als Isolat zu betrachten. Das ist oft total unterschiedlich. Sie können unterschiedliche Gene produzieren, unterschiedliche Funktionskreisläufe aktivieren, wenn sie in diesen Gemeinschaften sind. Dinge, die sie nicht aktiv produzieren würden, wenn sie als Isolat im Labor gezogen werden, zum Beispiel. Und da interessiert mich vor allem auch der Fakt, den wir in unseren Studien oft rausfinden, nämlich, dass die Funktionen in bestimmten Nischen eher stabil sind, aber die Organismen, die diese Funktionen ausüben, sehr unterschiedlich sein können. Das heißt, die Funktion sticht wirklich über das "Wer ist dort". Es ist viel wichtiger: Was machen diese Organismen dort?
Lisa Baumgartner: Das Mikrobiom kommt ja überall vor, also im Boden genauso wie in unserem Darm, auf unserer Haut. Das nennt man das humane Mikrobiom. Genauso findet sich das Mikrobiom aber auch, sagen wir mal, im Küchenschwamm oder an den Haltegriffen in der U-Bahn. Zu all den Themen hat es tatsächlich Metagenom-Studien gegeben. Ich habe das Gefühl, es ist eine junge Wissenschaft, die jetzt erst so richtig im Aufschwung ist in den letzten Jahren. Warum ist das so?
Alexandra Graf: Es hat sehr viel mit der Technik zu tun, also mit der Weiterentwicklung der Technik. Es gab schon sehr früh Mikrobiom-Studien, also speziell, was jetzt ist humane Mikrobiom angeht, gab es schon sehr früh Studien zu dem Einfluss des Darmmikrobioms. Aber in den vergangenen Jahrzehnten konnte man Mikroben nur untersuchen, indem man sie eben im Labor wachsen lässt und sich dann anschaut, unter welchen Bedingungen sie wachsen, was sie dort produzieren. Durch die Weiterentwicklung der Sequenziertechnologien konnte man jetzt von irgendeiner beliebigen Probe einfach DNA extrahieren und die DNA direkt messen und analysieren. Man musste die Lebewesen nicht mehr im Labor ziehen. Das heißt, im Moment ist es so, wenn wir Metagenom-Untersuchungen machen, extrahieren wir einfach das genetische Material aus diesen Organismen, ohne, dass wir sie vorher kultivieren im Labor. Und das ist ein Riesenvorteil, weil wenn man sich anschaut, was man im Labor kultivieren kann, das waren ein bis 15 Prozent der Lebewesen, die in der Umgebung leben. Also es kommt immer darauf an, welche Probe man vor sich hat. Aber speziell zum Beispiel Bodenmikrobiom ist sehr divers und da kann man ein bis zwei Prozent der Organismen wirklich im Labor kultivieren. Das ist natürlich eine riesengroße Limitierung in der Analyse. Aber durch diese Neuentwicklung der Sequenziermethoden, und das hat eigentlich erst 2010 richtig begonnen, da gab es eben die Möglichkeit, dass mal das genetische Material direkt analysieren konnte. Und jetzt haben wir schon in den letzten zehn, 15 Jahren riesigen Informationsgewinn, Wissensgewinn über das Mikrobiom, das mit uns, speziell in unserem Körper, lebt. In der Umgebung ist da immer noch eine Wissenslücke. Aber, wir arbeiten eben auch dran, diese Wissenslücke zu füllen.
Lisa Baumgartner: Sie haben schon ein bisschen was über die Art und Weise der Analyse erzählt. Welche Schritte machen denn eine Analyse komplett?
Alexandra Graf: Also, im Normalfall ist es so, dass mal eine Probe nimmt. Ist oft mit dem Wattestäbchen, das wir alle jetzt so gut kennen. Entweder man fährt über eine Oberfläche oder man nimmt Proben von der Haut. Da gibt es auch so Sticker, die man drauf klebt, um mehr Material zu bekommen. Man kann eine Wasserprobe, eine Bodenproben nehmen oder eben in den anderen Projekten kann man auch Proben von Mauern, von Gemälden nehmen. Wenn man diese Probe genommen hat, ist der erste Schritt, dass man das genetische Material extrahieren muss. Das ist ein Laborprozess, wo man DNA oder RNA, je nachdem was man sich anschauen will, extrahiert. Mit dieser DNA geht man dann auf ein Sequenziergerät. Also da kommt es sehr auf die Reinheit, auf die Qualität an, auf die Verunreinigungen, die drinnen sind. Man kann sich vorstellen, wenn man jetzt alles misst, was in der Probe ist, aber es ist überall Mikrobiom, sind Kontaminationen natürlich ein Riesending im Gebiet. Dann geht es auf das Sequenziergerät und von diesem bekommen wir die Rohdaten. Das sind dann meistens die Buchstaben, die man kennt aus der DNA, das A,T,C,G und Kombinationen von diesen Buchstaben in unterschiedlicher Länge. Das kann durchaus recht kurz sein. Also, wenn man auf eine Sequenziermethode zurückgreift, die jetzt schon recht gut etabliert ist, aber eben eher kürzere Reels produziert, dann spielt sich das zwischen 300 und 500 Stellen ab. Wenn man bedenkt, dass das menschliche Genom drei Milliarden Stellen hat, ist das natürlich vergleichsweise sehr kurz. Bei Bakterien ist es einfacher, die haben kleinere Genome, aber es ist trotzdem einfach zu groß, um das in einem Mal zu sequenzieren mit diesen Methoden. Das heißt, es ist eine Art Puzzlespiel dann, die Genome zusammenzubauen und sich anzuschauen, was man wirklich da drin findet.
Lisa Baumgartner: Sie selber sind ja seit 2016 an einer weltweiten Forschungsinitiative beteiligt. MetaSUB nennt sich die. Dabei geht es darum, den individuellen mikrobielle Fingerabdruck von Städten zu identifizieren und zu vergleichen. Ausgegangen ist die Initiative von New York und es sind rund 50 Städte dran beteiligt. Beispiele wären Berlin, Kopenhagen, Barcelona, aber genauso Singapur, Auckland. Was wird bei dieser Initiative gemeinsam gemacht?
Alexandra Graf: Also, das ist quasi das City Sampling von MetaSUB. Da war die Idee, dass man sich mal ansieht, was lebt in Städten überhaupt. Entspricht es dem Bodenmikrobiom? Entspricht es eher dem humanen Mikrobiom oder ist es eine ganz eigene mikrobielle Gemeinschaft, mit der wir es zu tun haben? Die Idee hatte eben Professor Chris Mason von der Weill Cornell University in New York. Und die Geschichte erzählt immer sehr gerne, wie er seine Tochter beobachtet hat, wie sie ein Eis schleckt, dann in der U-Bahn alles angreift und ihre Hände mit den Eisresten abschleckt. Und er hat sich gedacht: "Na also, ich würde gerne wissen, was sie denn jetzt wirklich abschlägt und was da drinnen ist." Und das war so der Anlass, der Start für das Projekt. 2019/20 waren es schon an die 100 Städte, die mitgemacht haben. Und seit 2020 ist natürlich auch ein spezieller Fokus, dass man sich die RNA-Welt anschaut, mit all den RNA-Viren, die dazugehören, weil davor hat man nur DNA-Proben genommen. Da hat man sich eher auf Bakterien, Antibiotikaresistenzen und generell Bakterienprofile in den Städten fokussiert. Wie Sie schon gesagt haben, es machen sehr, sehr viele Städte mit weltweit. Wir haben Städte in Afrika, Neuseeland, Australien, USA, Südamerika, Asien, quer verteilt. Es gibt eine spezielle Untergruppe von MetaSUB, die sich mit dem Olympion beschäftigt. Swabben steht da vor und nach den Olympischen Spielen. Das haben sie das letzte Mal gemacht und es war geplant, dass man das auch wieder wiederholt, jetzt in Tokio. Man wird sehen, ob das dann wirklich stattfinden kann.
Lisa Baumgartner: Swabben ist ganz einfach die Probeabnahme mit den Wattestäbschen?
Alexandra Graf: Swabben heißt einfach, dass ich mit dem Wattestäbchen über die Oberflächen fahre. Was wir genau da beproben, das sind eben öffentliche Verkehrsmittel, meistens die U-Bahnen. Wir nehmen Proben in den U-Bahnzügen und auf den Stationen, Sitzbänke, Haltegriffe. Und wir haben die Touchscreen zum Beispiel auch geprobt in Wien, von den Ticketsmaschinen.
Lisa Baumgartner: Und was findet sich jetzt alles auf diesen Flächen?
Alexandra Graf: Also, was man feststellen konnte, war, dass es natürlich ein großer, großer Anteil von humanen Mikrobiom ist. Das ist aber eher das Mikrobiom, das wir quasi hinterlassen, wenn wir einfach uns bewegen im öffentlichen Raum. Das ist generell so. Das sieht man auch in Räumen. Es gab eine ganz bekannte Krankenhausstudie, wo man das gesehen hat. Innerhalb kürzester Zeit werden die Oberflächen befüllt mit humanen Mikrobiom. Das verschwindet aber relativ schnell wieder. Es gibt eine Studie in Hongkong, die eben auch im Rahmen von MetaSUB gemacht wurde. Das sieht man, dass es so einen Tag-Nacht-Rhythmus gibt in der U-Bahn, wo sich während des Tages die Oberflächen mit diesem humanen Mikrobiom anreichern und das in der Nacht wieder verschwindet. Und dann kommt sozusagen ein ganz eigenes Mikrobiom zutage. Das ist spezifisch für jede Stadt. Es werden über 4000 unterschiedliche Arten gefunden und nur ungefähr 30 davon werden in allen Städten gefunden. Das heißt, es ist wirklich ein ganz kleiner Anteil, der wirklich in jeder Probe und überall drinnen ist. Ungefähr 1500 werden in ca. 70 Prozent aller Proben gefunden. Das heißt, es gibt schon einen größeren Anteil, der sehr oft vorkommt, aber eben nicht in jeder Probe. Das kann auch technische Ursachen haben, warum das nicht überall vorkommt. Aber, es bleiben dann trotzdem ein großer großer Anteil an Organismen, die eben spezifisch sein können für die Stadt, für die Region oder für das Land.
Lisa Baumgartner: Warum ist denn überhaupt die Idee einer mikrobiellen Weltkarte entstanden? Und was bedeutet das, wenn jede Stadt ihren eigenen Fingerabdruck hat? Was bedeutet das für unser Leben?
Alexandra Graf: Da kommt es eben wieder auf die Funktionsanalyse an. Weil, nur weil dort unterschiedliche Arten leben, heißt das nicht unbedingt, dass sie unterschiedliche Funktionen ausüben in den Städten. Normalerweise wird ein Lebensraum durch die nahe Umgebung besiedelt. Es gab auch ein Earth Microbiom-Projekt. Auch dort hat man das gesehen, dass der Hauptfaktor, der das Mikrobiom ausmacht, ist, welche Organismen sind in der Nähe zu finden. Und damit sieht man auch geografisch Ähnlichkeiten zwischen näheren Städten und weiter entfernten Städten. Wenn man Analysen macht und versucht, Muster zu erkennen in den Daten, sieht man, dass einfach jede Stadt selbst schon sehr variantenreich ist. Also, wenn ich eine Probe jetzt im dritten Bezirk nehme, ist die unterschiedlich von einer Probe, die ich im 18. Bezirk nehme. Also wir haben sehr viel Variation auch innerhalb der Stadt und dann eben noch Variationen zwischen den unterschiedlichen Städten. Viel hat auch mit der Vegetation zu tun, die rundherum ist. Man findet auch recht viele pflanzenassoziiertes Mikrobiom. Aber man kann definitiv sagen, dass es ein eigenes städtisches Mikrobiom gibt. Es gibt zwar eine Ähnlichkeit zu Bodenmikrobiom, es gibt eine Ähnlichkeit zum humanen Mikrobiom, aber die ist nicht signifikant. Also es ist wirklich ein ganz eigener Lebensraum. Was die Organismen alle dort machen, das ist jetzt wahrscheinlich für die nächsten Jahre noch unsere Aufgabe, herauszufinden, was wirklich die Funktionen sind. Also einiges, was man findet, hat mit Verarbeitung von Schadstoffen auch zu tun. Also wir sehen sehr viele Funktionen, die was mit Metallabbau zu tun haben, also generell Umwelt-Schadstoffe, die diese Organismen sich zunutze machen. Und das ist natürlich auch für uns interessant, wenn Organismen dabei sind, uns zu helfen, diese Verschmutzung zu beseitigen oder dagegen anzukämpfen. Dann wäre das natürlich auch etwas Interessantes, um das Klima in den Städten einfach besser zu machen.
Lisa Baumgartner: Das heißt, es könnte Impulse geben für...?
Alexandra Graf: Wir könnten zum Beispiel Indikator-Spezies haben, die quasi anzeigen, wie viel Schwermetallbelastung wir haben oder auch andere Luftschadstoffe. Das ist auch ein Ziel, dass man solche Schlüssel-Spezies findet, die anzeigen, wenn ein Lebensraum in einer bestimmten Art und Weise entwickelt, also aus dem Wasser kennt man das schon lange, dass man so Indikator-Spezies hat, die sagen, wie belastet ist was. Und so etwas könnte man sich in der Stadt auch vorstellen, dass man eben an unterschiedlichen Stellen Proben nimmt und sich anschaut, wie schaut es dort mit den Organismen aus, die speziell in belasteten Lebensräumen leben können.
Lisa Baumgartner: Das heißt, man könnte so eine Art Frühwarnsystem installieren?
Alexandra Graf: Zum Beispiel, ja. Natürlich, was dann speziell auch in New York immer auch ein Faktor ist und auch jetzt, wie man sich vorstellen kann, sind die Leute natürlich auch daran interessiert, Frühwarnsysteme für Pathogene zu finden. Also im Moment ist die Analyse jetzt noch nicht so schnell, dass man das wirklich in sehr kurzer Zeit sagen kann, weil wir ja nicht einen Organismus anschauen, sondern eben eine große Anzahl an unterschiedlichen Organismen. Und ich meine, dass ist auch wieder ein Gesundheitsthema, das diskutiert wird: Was bedeutet pathogen und was bedeutet nicht-pathogen? Bei Bakterien ist es oft so, dass das ganz kleine Unterschiede im Genom sind, die aus einem Organismus, der in uns lebt, ohne uns Schwierigkeiten zu machen, einfach in unserem humanen Mikrobiom enthalten ist, da gibt es ist einen ganz kleinen Unterschied zu einem Organismus, der dann eine Krankheit auslöst. Und das ist die Frage: Wie genau können wir in der Bestimmung dieser Organismen sein, um zu sagen, dass ist ein Krankheitserreger und das ist kein Krankheitserreger. Da spielen natürlich Antibiotikaresistenzen auch eine große Rolle.
Lisa Baumgartner: Sie haben vor etwas über die Datenanalyse gesagt, dass sie ja länger dauert. Sie haben aber gerade an der Datenanalyse auch ein bisschen geschraubt und gedreht in einem MA 23-geförderten Forschungsprojekt, das auch mit MetaSUB in Zusammenhang gestanden ist. Da ging es darum, eine Applikation zu entwickeln?
Alexandra Graf: Genau. Wir haben quasi als Ausgang die MetaSUB-Daten genommen und haben ein ergänzendes Projekt gestartet, wo wir uns anschauen wollten, was von den Oberflächen bleibt dann wirklich auf der Handfläche zurück. Aber quasi der Hauptfokus von dem Projekt war die Erstellung von einer Analyse-Pipeline und wir haben uns beschäftigt mit der Visualisierung der Daten, mit der Klassifizierung der Daten und wie gut kann das Laufen auf kleineren Geräten? Also, nicht nur vom Server, sondern auch zu einem Laptop oder einem Telefon. Ich meine, es war ein bisschen ein Austesten, was geht jetzt mit den Algorithmen, die wir haben, mit den Methoden, die wir haben? Im Moment sind wir noch einen Schritt davon entfernt, dass wir das wirklich so mobil machen können. Auch, was die Klassifizierung der Daten angeht. Also unser Ziel war auch zu sagen: Okay, wir finden diese Spezies mit ihren lateinischen Namen, aber was bedeutet das für Leute, die jetzt nicht die Bakterienspezialisten sind? Ziel war auch, uns anzuschauen, können wir sagen: So viel ist Hautmikrobiom, und das ist gesundes Mikrobiom und das sind Pathogene, und das ist jetzt Wurzelmikrobiom, d.h. dass wir diese Pflanzen dort haben. Also, sehr viel auch in der Interpretation dieser Daten. Und da fehlt uns auch noch sehr, sehr, sehr viel. Weil, man muss generell sagen, dass ungefähr 50 Prozent der Daten, die wir finden, hat keine Entsprechung in den Datenbanken. Das heißt, ein großer Anteil sind noch neue Organismen. Unentdecktes. Das sind Dinge, die wir einfach gar nicht kennen. Und das ist ganz normal bei Proben aus den Städten und Proben von Böden, dass mindestens die Hälfte unbekannt ist. Das heißt, uns fehlt einfach noch sehr, sehr, sehr viel Information und Wissen. Also, auch nach den humanen Genomprojekten, den großen, Tausende neue Spezies hat man entdeckt, abgesehen von Unterarten, das waren glaube ich, 100.000 neue Unterarten, die dann auch entdeckt wurden. Und auch in den ersten MetaSUB-Studien hat man tausende von neuen Organismen gefunden. Also, wir sind immer noch in dieser Entdeckungsphase. Also, es wurde geschätzt aus den Proben, die wir haben, dass mit jeder zehnten Probe hat man einen komplett neuen Organismus drin.
Lisa Baumgartner: Nicht nur, dass viele unentdeckte Organismen in unserem Universum existieren, ist erstaunlich. Ich finde es auch erstaunlich, in welchen Themengebieten Analysen stattfinden und wichtige Erkenntnisse bringen. Also, wir haben ja gehört, es geht um das Zusammenspiel von Mikroorganismen in einer Gemeinschaft. Ein weiteres Forschungsprojekt schlägt in einer ganz anderen Thematik auf, nämlich da geht's um Kunst. Es geht um Gemälde und zwar von keinem geringeren als von Leonardo da Vinci. Bitte erzählen Sie uns darüber.
Alexandra Graf: In das Projekt, sind wir später eingestiegen, eben um die bioinformatische Analyse zu machen. Und da war das Projekt schon am Laufen. Und das Ziel dort, war zu sehen, welche Mikroben finden sich auf diesen Zeichnungen von Leonardo da Vinci. Auch mit dem Ziel zu sehen, wie gut sind die erhalten, in welchen Bedingungen sollten sie optimal gelagert werden. Wenn man solche Gemälde verleiht an Ausstellungen, wie bekommt man sie wieder zurück? Also was man festgestellt hat, ist, dass es da Unterschiede gab. Es waren zwei Standorte in Italien und es war speziell ein Bild, das eine sehr hohe Kontaminationen, auch humane Kontaminationen, aufgewiesen hat. Und das konnte man sich dann eben auch erklären, weil das vor kurzem irgendwo hin verliehen wurde, anscheinend nicht ideal behandelt wurde. Und da ist es wirklich darum gegangen, was ist quasi so der Grundzustand von diesen Zeichnungen? Und wie kann man sie möglichst lang, möglichst gut erhalten und vermeiden, dass sich Pilze oder Bakterien ausbreiten, die das Werk zerstören würden.
Lisa Baumgartner: Hat man eigentlich humanes Mikrobiom auch gefunden auf den Gemälden?
Alexandra Graf: Ja, das war die Frage. Man findet immer humanes Mikrobiom, also je nachdem, was für eine Analyse man macht. Man findet auch humane DNA. Die wird normalerweise weggefiltert, weil das eben eine datenschutzrechtliche Frage ist. Also, war auch für uns die Frage: Ist das vielleicht die DNA vom großen Meister? Dazu bräuchte man einen Vergleich-Sequenz, die wir natürlich nicht wirklich haben. Aber ja, das ist verführerisch, sich das vielleicht genauer anzuschauen, ob man die DNA von Da Vinci darauf findet.
Lisa Baumgartner: Im Herbst gehen Sie und die Studierenden vom Masterstudiengang Bioinformatik auf eine neue Mission im Sinne der Kunstobjekterhaltung. Nur sind die Objekte sehr viel größer. Es geht um Gebäude und zwar die Virgil-Kapelle unter dem Wiener Stephansplatz und in Niederösterreich die Kartause Mauerbach. Welche Analysen werden an diesen großen Gebäuden durchgeführt?
Alexandra Graf: In dem Projekt arbeiten wir mit der Akademie der Bildenden Künste zusammen. Da geht's um Bakterien, die einen rosa Farbstoff erzeugen und die sehr gerne in salzreichen Lebensräumen leben. Die speziell auch in Mauern entstehen, wenn es immer wieder zu Wassereinbrüchen kommt oder Wasserschäden in diesen Wänden, die dann trocknen und dann wieder feucht werden und wieder trocknen. Da gibt es Salzkristallisation-Zyklen, die den Salzgehalt in den Mauern erhöhen und dann dazu führen, dass diese Bakterien speziell drauf wachsen können. Und abgesehen davon, dass das eben sehr zerstörerisch wirkt auf die Gebäude, auf Malereien, die dort an den Wänden vielleicht erhalten sind, ist es so, dass die eben diesen rosa Farbstoff produzieren und dann noch einmal mehr Schaden machen, indem sie eben die ganze Wand rosa einfärben.
Lisa Baumgartner: Deswegen heißt dieses Forschungsprojekt auch?
Alexandra Graf: Pretty in Pinky mit einem Fragezeichen. Weil das sicherlich nicht gewünscht ist. Und ein Ziel von diesem Forschungsprojekt wäre auch, den Restauratoren zu helfen, den Restauratorinnen zu helfen, Methoden zu finden, die möglichst gut gegen diese Art von Beschädigung helfen.
Lisa Baumgartner: Ich habe es vorhin schon kurz gesagt: Nicht nur Sie machen die Datenanalysen, sondern auch die Studierenden im Masterstudium Bioinformatik. Das heißt, Studierende arbeiten sehr intensiv an wissenschaftlicher Forschung mit, oder?
Alexandra Graf: Ja, es ist immer sehr schön, dass die Student*innen dann auch direkt in die Forschung involviert sein können. Wir haben in dem Projekt auch drei Masterarbeiten, wo wir Student*innen anstellen können, die ihre Masterarbeit bei uns im Forschungsprojekt machen können. Es ist doch so, dass in diesem Global City Sampling fragen wir auch immer unsere Studenten und Studentinnen, ob sie uns nicht helfen wollen beim Swabben. Und das ist auch immer ganz witzig für die Student*innen, dann in der U-Bahn mit den Swabs herumzulaufen und so die Reaktionen der Leute zu sehen. Teilweise sind sie sehr interessiert, teilweise kommen ganz komische Fragen. Also, das ist immer ein interessantes Event.
Lisa Baumgartner: Dieser Event findet jährlich statt. Am 21. Juni, habe ich gelesen, ist wieder Global City Sampling-Day. Es wird also weltweit geswabbt. Was glauben Sie, wie viele neue Mikrobenarten werden Sie dabei entdecken?
Alexandra Graf: Ja, ich bin auch sehr gespannt. Also, von den letzten Projekten haben wir ja schon einige neue Organismen bestimmen können. Aber, wir haben ja gesehen, dass wir noch lange, lange nicht alles kennen und quasi kein Dach erreicht haben mit der Neuentdeckung. Also, ich würde schon auch schätzen, dass wir wieder so um die 40, 50 Prozent unbekannte Daten drinnen haben in den Swabs. Also, das ist immer sehr spannend. Man kann sich da so rein vertiefen, einfach nur die Organismen anzuschauen und was die tun. Aber wie gesagt, oft ist es vollkommen unbekannt. Wir haben auch in der MA 23-Studie haben wir, weil wir Leute nach dem Händewaschen geprobt haben, haben wir Bakterien gefunden, die im Wasser leben und teilweise waren die einzigen anderen Proben, die von diesen Bakterien in den Datenbanken waren, von heißen Quellen oder von der Arktis in irgendwelchen Böden oder so. Das heißt nicht, dass die nicht irgendwo anders auch vorkommen. Das heißt nur, dass sie bisher noch nirgends in einer Probe gefunden wurden. Also, man sieht da sehr, sehr seltsame Verbindungen oft, muss das aber immer kritisch hinterfragen, was man da findet.
Lisa Baumgartner: Dankeschön für das Mitnehmen in diese neue und sehr faszinierende Welt der Mikrobiome
Alexandra Graf: Hat mich gefreut. Danke.
Masterstudium BioinformatikBachelorstudium BioengineeringMasterstudium BioverfahrenstechnikWeltweit in der U-Bahn erwischt: Artikel über UrbanMetagenApp und MetaSUB
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